Handball:Kletten im Retro-Modus

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Nach dem endgültig feststehenden Punktabzug nehmen Fürstenfeldbrucks Handballer den Abstiegskampf an.

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Am Eingang hatten sie ein Bild des 16-Jährigen aufgestellt, später vor jeder Partie an diesem Heimspieltag eine Schweigeminute eingelegt. Fürstenfeldbrucks Handballer stehen unter Schock, weil einer ihrer Nachwuchsspieler bei einem Lawinenunglück ums Leben gekommen ist. Die Tragik dieses Vorfalls relativierte dann auch die Tragik der sportpolitischen Ereignisse, die den TuS seit November verfolgen: der Abzug von 13 Punkten für seine Drittliga-Mannschaft, weil deren Spieler Alexander Leindl nach Auffassung des Deutschen Handballbundes (DHB) zu Saisonbeginn in der dritten Liga keinen gültigen Spielerpass hatte. Auch das Revisionsverfahren brachte vorige Woche kein anderes Ergebnis, und so spielen die Brucker nun nicht um den Aufstieg in die zweite Bundesliga mit, sondern um den Klassenerhalt. "Wir haben den Abstiegskampf angenommen", sagt Kreisläufer Julian Prause zur veränderten Ausgangslage vor dem letzten Viertel der Saison. Und wie: Mit einer schier unglaublichen Willensleistung besiegten die Brucker am Samstagabend den favorisierten TSB Heilbronn-Horkheim mit 27:26 Toren.

Wofür der große Aufwand trotz der Strafe? "Für solche Spiele", sagt TuS-Trainer Martin Wild

Vor mehr als 700 Zuschauern in der Wittelsbacher Halle entwickelt sich eine an Spannung kaum zu überbietende Schlussphase. Vier Minuten vor dem Ende stellt Prause auf 26:25, zur ersten Brucker Führung in der Partie seit dem 5:4 in der 14. Minute. Sebastian Meinzer, der Rückraumspieler mit dem wuchtigen Wurf, hatte bis dato schon zehn Tore gemacht, nun trifft er die Latte. Gegenüber wehrt der überragende Brucker Schlussmann Michael Luderschmid erneut ab, dann trifft wieder Julian Prause zum vorentscheidenden Zwei-Tore-Vorsprung für den TuS. Wieder pariert auf der anderen Seite Luderschmid, dann gelingt Horkheim noch einmal der Anschlusstreffer. 57 Sekunden vor Schluss könnte Meinzer alles klar machen, doch er scheitert beim Siebenmeter an Horkheims gutem Keeper Linus Mathes. Nun kommt noch einmal Gefahr auf, denn die Gäste haben den Ball und noch ausreichend Zeit für ein Tor. Doch wie die Kletten hängen sich die Brucker Abwehrspieler an die Horkheimer Angreifer und verhindern, dass die Gäste noch einen passablen Wurf abgeben können. Dann versinkt die Halle im Jubel.

Rückraumwerfer Sebastian Meinzer hat seine kleine Krise offenbar überwunden, gegen Horkheim war der zehnfache Torschütze überragend. (Foto: Günther Reger)

"Ich bin stolz auf meine Mannschaft", sagt Trainer Martin Wild hinterher sichtlich beeindruckt. Dabei musste sie auf ihre verletzten Stammkräfte Johannes Stumpf, für den die Saison nach einem Sehnenriss im Finger beendet ist, und Frederik Hartz (Bänderriss) verzichten. Das Team hatte sich wieder herangekämpft in der zweiten Halbzeit, nachdem es zur Pause 12:16 zurückgelegen war. Vor allem im Verteidigungsverbund werden unbändiger Wille und nie enden wollende Einsatzbereitschaft sichtbar. Korbinian Lex, Tobias Prestele, Christian Haller und Sebastian Meinzer erhalten deshalb auch ein Extralob. "Was die Vier gearbeitet haben, da kann ich nur den Hut ziehen", sagt Martin Wild. Ihnen gelingt es auch, Horkheims 18 Jahre altes Supertalent Sebastian Heymann, der per Doppelspielrecht bereits für Bundesligist Frisch Auf Göppingen im Einsatz ist, auf lediglich einen Torerfolg festzusetzen.

Angesichts der nach dem Punktabzug neuen Situation sei zuletzt auch die Frage aufgekommen, warum man eigentlich so viel Aufwand betreibe, erzählt Wild und hat die Antwort gleich parat: "Genau für solche Spiele." Das Revisionsurteil, das während der Woche die Entscheidung der vorausgegangenen Instanz bestätigt hatte, "hat uns nicht aus der Bahn geworfen, weil wir gar nicht mehr mit einem anderen Urteil gerechnet haben". Der Abzug von 13 Punkten in der laufenden Drittliga-Saison ist damit sportgerichtlich nicht mehr anfechtbar. Dem TuS Fürstenfeldbruck hätte die Befristung der Spielgenehmigung für Alexander Leindl schon deshalb bekannt sein müssen, weil das Doppelspielrecht seinerzeit auch nur für eine Spielzeit beantragt worden sei, sagt das DHB-Bundesgericht in seinem Urteil. Die Spielberechtigung für den TuS wirke deshalb nicht bis in die Spielzeit 2016/2017 fort. Den Punktabzug sieht das Bundesgericht nicht als unverhältnismäßig an. Ursache sei "nicht die Versäumnis einer Formalie", sondern dass dem Spieler "zu keiner Zeit eine über den 30. Juni 2016 hinausreichende Spielberechtigung" erteilt worden sei.

Ob der TuS dieses Urteil nun auf zivilrechtlichem Weg anfechten wird, darüber grübelt gerade die Abteilungsleitung. Immerhin hat man sich durch den Sieg vom Wochenende ein bisschen Luft verschafft und vier Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz erarbeitet. Weil jedoch alle vier Mannschaften von der Tabellenspitze verloren, würde der TuS mit eigentlich 30 Punkten immer noch im Aufstiegsrennen sein - drei Zähler hinter dem Spitzenreiter. Es hätte ein Märchen werden können. Auf ihrer Homepage führen Fürstenfeldbrucks Handballer deshalb immer noch die Retrotabelle.

© SZ vom 13.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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