Handball:Im Zweikampf mit sich selbst

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Verlässlicher Halt: Maximilian Lentner, zuletzt durch Hüftprobleme behindert, stabilisiert gegen Pforzheim den Brucker Rückraum. (Foto: Günther Reger)

Nach einer emotionalen Achterbahnfahrt holt der TuS Fürstenfeldbruck zwei wichtige Punkte

Von Fabian Swidrak, Fürstenfeldbruck

Rein anatomisch betrachtet kommen für den Ursprung der Arschkarte nicht viele Körpergegenden infrage. Wer allerdings redensartlich die Arschkarte zieht, also Pech hat oder dumm dasteht, begibt sich auf umstrittenes Terrain. Woher die Redewendung kommt, ist nämlich nicht zweifelsfrei geklärt. Die wohl am weitesten verbreitete Herleitung geht auf den Fußball zurück. Demnach bewahren Schiedsrichter die gelbe Karte häufig in ihrer Brusttasche und die rote Karte in ihrer Gesäßtasche auf, wodurch verhindert werden soll, dass der Unparteiische aus Versehen die falsche Karte hervorholt. Greift der Schiedsrichter also in die Gesäßtasche, zeigt er einem Spieler Rot - die Arschkarte. Immerhin ihre Botschaft ist unumstritten: Es reicht.

Nun ist Alexander Lipps kein Schiedsrichter und Fußball nicht sein Kernressort. Er ist Trainer des Handball-Drittligisten SG Pforzheim/Eutingen, weswegen seine Arschkarte grün ist und nicht rot. Genug gesehen hatte jedoch auch Lipps, als er die zuvor fachmännisch zwischen Jogginghose und Unterwäsche verstaute Auszeitkarte am Samstagabend mit einem Griff in die provisorische Gesäßtasche zückte und auf den Tisch des Zeitnehmers legte. Gerade war seine Mannschaft gegen den TuS Fürstenfeldbruck mit 3:7 in Rückstand geraten, früh drohte sie den Anschluss zu verlieren. Drei Pforzheimer Spieler hatten sich bereits eine Verwarnung eingehandelt, die Vergehen zum Teil frustgesteuert, geschuldet der Brucker Überlegenheit.

Nach der Auszeit erzielte Fürstenfeldbruck einen weiteren Treffer, dann allerdings eine Viertelstunde lang keinen mehr. Mit einem Unentschieden gingen beide Teams in die Pause. Im zweiten Durchgang führten kurz mal die Gäste, später die Brucker mit bis zu sechs Toren Vorsprung. Am Ende aber war der 22:19 (8:8)-Sieg gegen Pforzheim dann doch wieder einer, um den Fürstenfeldbruck bis kurz vor Schluss zittern musste. "Das war eine emotionale Achterbahnfahrt. Die Partie war extrem in Phasen eingeteilt", sagte anschließend TuS-Trainer Martin Wild, dessen Mannschaft die vielleicht spannendste Frage im ersten Heimspiel nach dem vorläufig gescheiterten Einspruch gegen den Punktabzug durch den Deutschen Handballbund (DHB) nicht eindeutig beantworten konnte: Spielt Fürstenfeldbruck weiter wie das Spitzenteam, das es vor der Weihnachtspause war, oder wie eine Mannschaft, die um den Ligaverbleib kämpft?

"Das war heute Abstiegskampf", urteilte Wild, "ein ganz wichtiger Sieg. Nicht nur mental, sondern tatsächlich auch, um die Klasse zu halten." Fürstenfeldbruck hat nun als Tabellendreizehnter zwei Punkte Vorsprung auf Pforzheim und damit auf den ersten Abstiegsplatz. Den direkten Vergleich hat der TuS durch den Sieg am Samstag ebenso gewonnen. Bei einer Niederlage wäre es genau umgekehrt gewesen. "Dann hätten wir nur noch neun Spiele gehabt, um das zu korrigieren, fünf davon auswärts", weiß Wild. "Wir standen enorm unter Druck."

Wie sehr die Mannschaft phasenweise mit sich selbst und ihrer Situation beschäftigt war, zeigte sich, als auf den ersten Brucker Fehlwurf nach der Pforzheimer Auszeit im ersten Durchgang plötzlich zahlreiche weitere folgten. Mit hängenden Köpfen schritten Wilds Spieler in Richtung Kabine, als Pforzheim seinen Rückstand pünktlich zur Halbzeit aufgeholt hatte. "So sind wir natürlich mit keinem guten Gefühl in die Pause gegangen", sagte Wild. Verlassen konnte sich der Trainer ausgerechnet auf jene Spieler, um die er sich vor der Partie Sorgen gemacht hatte, die angeschlagen waren oder wenig trainiert hatten: Johannes Stumpf (zehn Tage ohne Training) und Maximilian Lentner (Hüftprobleme), die den Rückraum der Brucker im zweiten Durchgang stabilisierten, sowie Torhüter Michael Luderschmid (zwei Wochen ohne Training), der eine starke Leistung mit dem letzten Brucker Treffer ins leere Pforzheimer Tor krönte.

Nun hat Wild knapp zwei Wochen Zeit, um seine Mannschaft auf das nächste Auswärtsspiel bei der SG Kronau-Östringen II, dem Nachwuchsteam der Rhein-Neckar Löwen, vorzubereiten. "Die Pause wird uns gut tun", glaubt er. Drei oder vier Tage will der Trainer seinen Spielern freigeben, um die Ereignisse der vergangenen Wochen abzuhaken und ausgeruht in die letzten Spiele zu gehen. Denn eines wollen die Brucker in dieser verkorksten Saison noch vermeiden: im Abstiegskampf die Arschkarte zu ziehen.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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