Handball:Im Schwebezustand

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Sina Fischer (li. mit Lena Klingler im Spiel gegen Regensburg) und der HCD Gröbenzell gehen bis 15. November in die Zwangspause. (Foto: Tanja Eikerling/www.xklicks.com/oh)

Der Deutsche Handballbund will bald klären, ob auch die 3. Liga ruht - und ist in einem Dilemma.

Von Thomas Jensen, München

Stefanie Mittasch ist eine Handballtrainerin, die ihren Sport lebt. Sie tigert das ganze Spiel vor der Bank der Würmtaler Wildkatzen auf und ab, weder Schuhsohlen noch Stimmbänder werden geschont. Egal ob Ärger oder Freude, sie ist mit Leidenschaft bei der Sache. Als sie beim jüngsten Drittligaspiel gegen den ESV Regensburg kurz vor der Pause eine Auszeit nahm, war ihr neben der Leidenschaft auch Unzufriedenheit anzusehen. Obwohl in der Sporthalle des Gräfelfinger Kurt-Huber-Gymnasiums keine Zuschauer zugelassen waren, konnte man ihre Worte auf der Tribüne nicht verstehen, da sich Musik und Hallensprecher der Geisterspielatmosphäre entgegenstemmten. Nur ein Ausruf schälte sich gut hörbar aus der Geräuschkulisse: "Das sind so einfache Fehler!"

Nach dem Spiel präzisierte Mittasch: "Wir holen uns den Ball in der Defensive, was ja gut ist. Aber dann geben wir ihn wegen eines einfachen Fehlers gleich wieder ab, ohne einen Wurf erarbeitet zu haben." So endete die zunächst noch umkämpfte Partie deutlich, Würm-Mitte verlor 17:28 - es war die dritte Niederlage im dritten Spiel. "Jetzt ein positives Fazit zu ziehen, ist natürlich schwierig," bilanziert die 27-jährige Trainerin, nicht ohne anzufügen: "Wir wissen aber auch, dass unsere Spiele noch kommen." Hoffnung für diese Spiele gegen leichtere Gegner bereitet ihr vor allem die Defensive, die habe zumindest in der ersten Halbzeit in allen drei Spielen wenig zugelassen. Auch die Chancenerarbeitung sei besser, allerdings "werden einfach noch zu viele Bälle verworfen".

Noch weiß der Aufsteiger nicht, wann die nächste Chance kommt, sich mit höherer Treffsicherheit zu präsentieren. Denn die gesamte dritte Liga befindet sich aktuell in einem Schwebezustand. Der Deutsche Handballbund (DHB), der für die dritten Ligen zuständige Verband, hat den Spielbetrieb bis zum 15. November ausgesetzt. Bis dahin will er entscheiden, ob er die dritten Ligen dem Profi- oder dem Amateursport zuordnet. Der Amateursport ruht nach jetzigem Stand bis Ende November, Profi-Handball darf ohne Zuschauer unter den geltenden Hygieneauflagen gespielt werden.

Bis der DHB diese Entscheidung fällt, darf nicht trainiert werden. "Man muss sich mal in die Spielerinnen hineinversetzen. Die haben so auf den Saisonstart hingearbeitet. Wie viel Zeit und Energie da drauf gegangen sind, da sind die jetzt natürlich super enttäuscht," fühlt Stefan Weidinger mit, der Trainer des Liga-Konkurrenten HCD Gröbenzell. Sein Team hat erst zwei Spiele absolviert, die Partie am vergangenen Wochenende gegen Herzogenaurach wurde wegen zweier positiver Corona-Fälle bei den Gästen verschoben. Auch Gröbenzell hat nach Niederlagen gegen Regensburg und in Wolfschlugen noch keine Punkte auf dem Konto, auch Weidinger will das nicht überbewerten: "Wir haben in beiden Partien solide und teilweise gute Leistungen geliefert, man hat gesehen, dass wir uns als Mannschaft gefunden haben. Dass wir gegen die beiden starken Gegner keine Punkte geholt haben, ist erst einmal zweitrangig." Auch Hendrik Pleines, Sportlicher Leiter des HCD und Vorgänger Weidingers, urteilt milde: "Wir haben das Auftreten der Mannschaft sehr positiv bewertet. Vor allem weil man gesehen hat, dass da ein leidenschaftliches Team auf dem Platz steht, das als Einheit fightet."

Seine gute Stimmung verfliegt jedoch, als Pleines auf die aktuelle Situation zu sprechen kommt: "Ein klassisches Dilemma", denn egal wie der Verband schließlich entscheide: "Am Ende bedeutet das entweder einen enorm hohen Aufwand oder eine maximale Einschränkung." Entweder wird der sportliche Betrieb wie im Amateurbereich eingestellt, dann gibt es weder Training noch Punktspiele. Oder es entsteht ein hoher logistischer und damit finanzieller Aufwand, wenn wie im Profibereich Hygienekonzepte umgesetzt werden müssten, bei weiterhin ausbleibenden Zuschauereinnahmen. Dieses Szenario sieht Pleines als unrealistisch: "Wieder zu trainieren wäre zwar viel wert, aber der Spielbetrieb ist eigentlich nicht zu stemmen."

Benedikt Waterloo, Abteilungsleiter der HSG Würm-Mitte, bringt es auf den Punkt: "Sportlich sinnvoll, wirtschaftlich schwierig." Jedoch betonen die beiden Verantwortlichen auch, dass die Auswirkungen der Krise auf das gesamte Vereinsleben fundamentaler sind als die spezielle Situation der Drittligamannschaften. Denn für die Basis und die Zukunft der Vereine ist der Breiten- und vor allem der Nachwuchssport essenziell.

Im besten Fall kann man in Gröbenzell und Gräfelfing schnellstmöglich wieder lautstarken Traineransprachen oder sogar Anfeuerungen der Fans lauschen - ohne sich finanziell ins Risiko zu begeben. Aber noch wichtiger wäre es aus Sicht aller Beteiligten, dass sich in den Hallen überhaupt wieder etwas rührt.

© SZ vom 05.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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