Handball:Ich bin dann mal weg

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Benedikt Kellner hat eine starke Saison in der A-Jugend-Bundesliga für Ismaning gespielt, so stark, dass andere Klubs auf ihn aufmerksam wurden. (Foto: Claus Schunk)

In der Region München gibt es immer wieder herausragende Handball-Talente, wie etwa Benedikt Kellner vom TSV Ismaning. Um weiterzukommen bleibt nur eines: ein neuer Verein

Von Ralf Tögel, Ismaning

Balingen-Weilstetten, Magdeburg, Kiel, Minden, Wetzlar. Große Namen, die für Handball mit viel Tradition stehen. Auch was die Jugendarbeit betrifft, denn diese Vereine werden vom Wochenende an um den deutschen A-Jugendmeistertitel kämpfen. Der TSV Ismaning kann da nicht mithalten, doch der rührige Klub aus dem Nordosten Münchens hat zumindest im Freistaat einen ausgezeichneten Ruf - besonders was die Jugendarbeit betrifft, die vom Bayerischen Handballverband (BHV) regelmäßig ausgezeichnet wird. War bislang meist der weibliche Nachwuchs im Fokus, der Spielerinnen wie Isabell Klein hervorgebracht hat, die später sogar Spielführerin der Nationalmannschaft war, haben zuletzt die männlichen Kollegen von sich reden gemacht. Ismanings A-Jugend wird zwar nicht um die deutsche Meisterschaft spielen, hat sich als Neunter der Bundesliga-Gruppe Süd aber sehr respektabel geschlagen. Um diese Leistung einzuordnen, sei ein weiterer großer Name genannt: Frischauf Göppingen, dessen A-Jugend hat Ismaning hinter sich gelassen.

In einer "Saison mit Höhen und Tiefen", wie Trainer Christoph Kellner findet. "Es war eine nervenaufreibende und spannende Zeit", sagt er, die jedem etwas gebracht habe. Kellner ist gerade einmal 23 Jahre alt, spielte einst selbst mit der A-Jugend des TSV Haunstetten in der Bundesliga und durchlief beim BHV alle Jugendauswahlteams. Eine Schultereckgelenksprengung beendete höhere Ambitionen als Aktiver, "ich bin dann zurück nach Ismaning und ins Trainerfach gewechselt", erzählt er. Zusammen mit dem routinierten Jaroslaw Rolka, 51, engagierte er sich im damaligen D-Jugend-Jahrgang, was sich nicht nur wegen folgender bayerischen Meistertitel als lohnendes Projekt erwies und nun eben mit dem Abschluss in der Bundesliga ein hochkarätiges Ende fand. Kellner selbst sammelte wertvolle Erfahrungen in seiner jungen Trainer-Vita, aber auch für die Spieler habe dieses Jahr in der Jugend-Beletage wichtige Erkenntnisse gebracht: "Sie wissen jetzt, ob es für einen Handballtraum reicht." Oder nicht. Damit meint Kellner die Befähigung, ernsthaft eine Ausbildung zum Profi einzuschlagen.

Kellner traut dem Gros der Spieler jedenfalls zu, in der Bayernliga Fuß zu fassen; zwei, drei Akteure hätten durchaus das Zeug zur dritten Liga. Mehr ist in der Region ohnehin nicht möglich, der TuS Fürstenfeldbruck rangiert dort zwar auf dem zweiten Tabellenplatz, hat aber aus wirtschaftlicher Vernunft erst gar keine Lizenz für die zweite Liga beantragt. Für außergewöhnliche Talente bleibt nur eine Option: weggehen. TSV-Trainer Rolka, der früher in Polen zweite Liga gespielt hat und sich seit 14 Jahren beim TSV um die Ausbildung der Talente kümmert, hat diesbezüglich eine nette Geschichte parat: Als sich 2011 Ismaning und Allach im Endspiel um die bayerische C-Jugendmeisterschaft gegenüber standen, waren Rolkas Sohn Maximilian und der Allacher Max Haider dabei. Ismaning gewann, danach war die Rivalität zu Ende: Beide Top-Talente wechselten in das Handball-Internat der Rhein-Neckar Löwen und zogen dort sogar in eine Wohngemeinschaft, erzählt der TSV-Coach.

Für ihn wie auch Kollege Kellner ist die Arbeit nun beendet, es bleibt nur die Hoffnung, dass sich einige Spieler den eigenen Landesliga-Männern anschließen. Kellner sagt, er brauche eine Pause, neben seinem Studium der Sportwissenschaft blieb in den vergangenen Jahren wegen der Trainertätigkeit kaum Zeit. Auch Rolka wird erst einmal ein Jahr aussetzen, er fühlt sich "ausgebrannt". Rolka ist Sportlehrer an der Realschule, auch er hatte mit der TSV-Jugend quasi "einen zweiten Fulltime-Job". Nun wird sich dieser so erfolgreiche Jahrgang zerstreuen, die Besten werden weggehen. Das ärgert Rolka, er sagt, dass es in der Region Südbayern "nicht weniger Talente als anderswo in Deutschland" gebe, allein es fehle an der Infrastruktur in den Vereinen, an qualifizierten Trainern. Beim TSV Ismaning sei in den unteren Jahrgängen wenig passiert, während er und Kellner ihren Jahrgang begleitet und sukzessive ausgebildet hätten. Jetzt fehle der Unterbau. Man müsste in den Klubs zusammenarbeiten, ein Netz schaffen, denn so lange sich das nicht ändere, werden die Besten weiter zu anderen Vereinen gehen.

Wie Benedikt Kellner. Der jüngere Bruder des Trainers ist 17, Jugend-Nationalspieler und hat nun einen Vertrag beim Zweitligisten HSC Coburg unterschrieben. Auch er hatte Angebote von Handball-Internaten, auch von den Rhein-Neckar Löwen. Kellner entschied sich für einen anderen Weg, in Coburg wird er in der zweiten Mannschaft dritte Liga spielen und bei den Profis mittrainieren, vorerst für ein Jahr. Wie Jonas Link, der vor drei Jahren vom TSV Friedberg vor den Toren Augsburgs zum HC Erlangen wechselte, sich dort durchgebissen hat und mit dem HC in Kürze in Liga eins aufsteigen wird. Erlangen führt vor Coburg das Klassement mit beruhigendem Vorsprung an. "Ich habe das mit Jonas mitverfolgt", erzählt Benedikt Kellner, der derzeit sehr erfolgreich an seinem Abitur bastelt. Die Ausbildung hat Priorität, dann wird er in Coburg in eine WG ziehen. Und er wird das Trainingspensum auf Profi-Niveau erhöhen, Kellner will sich ebenfalls durchbeißen. Mit der Nationalmannschaft ist die Europameisterschaft im Sommer in Kroatien sein Ziel. Es sieht gut aus - für Benedikt Kellner.

Nicht für den Handball in Südbayern. Denn den besten Talente bleibt weiter nur eines: weggehen.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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