Handball:Formalie mit Sprengkraft

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Was nun? Frederik Hartz und Trainer Martin Wild (im Hintergrund) rätseln, wie es weitergeht. Der TuS erhebt Einspruch gegen das DHB-Urteil. (Foto: Günther Reger)

Weil Drittligist TuS Fürstenfeldbruck angeblich unerlaubt einen Spieler eingesetzt hat, zieht ihm der Verband 13 Punkte ab. Der Aufstiegskandidat müsste um den Klassenerhalt kämpfen. Doch der Verein wehrt sich

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

So wollte Martin Wild die Seinen dann doch nicht in die zweiwöchige Weihnachtspause entlassen. Nach der "gefühlten Niederlage" seiner Drittliga-Handballer gegen die TSG Haßloch war man doch etwas ratlos auseinandergegangen. Die Pfälzer hatten dem Drittligisten TuS Fürstenfeldbruck die Weihnachtssause mit dem 27:27 im letzten Spiel des alten Jahres vermiest. Also bat der Trainer die Mannschaft nochmals zu einer Zusammenkunft in die Therme zu Erding. Danach war die Gefühlswelt bei allen Protagonisten wieder weitgehend in Ordnung. Doch seit Dienstag ist es mit der weihnachtlichen Stimmung endgültig vorbei. Denn da erreichte TuS-Abteilungsleiter Philipp Ruhwandl eine Mail vom Deutschen Handballbund (DHB).

Darin war zu lesen, dass dem TuS Fürstenfeldbruck in der dritten Liga Gruppe Süd nun tatsächlich 13 Punkte abgezogen werden, was die Brucker mit einem Schlag aus dem Titelrennen in den Abstiegskampf befördern würde. In acht Spielen wurde nach Ansicht des DHB der Spieler Alexander Leindl mit einem ungültigen Pass eingesetzt, was bei einem Unentschieden und einer Niederlage in diesem Zeitraum eben jene Punktzahl ergibt. Momentan sind die Brucker Tabellenvierter, haben einen einzigen Punkt Rückstand auf Primus Heilbronn-Horkheim. Nach der neuen Rechnung wäre der TuS Drittletzter, auf einem Abstiegsplatz. "Das hat mir natürlich erst mal einen Schrecken versetzt", sagt Philipp Ruhwandl. Mittlerweile weiß er, dass es sich bei der Mitteilung um eine verbandsjuristische Notwendigkeit handelt. Denn der Bayerische Handballverband (BHV) hatte den Stein ins Rollen gebracht, weil nach seiner Ansicht Leindl zu Unrecht in der zweiten Mannschaft des TuS zum Einsatz gekommen war. Gegen diesen Tatbestand hat der TuS Einspruch eingelegt, die vorsorglich vom Verband abgezogenen Punkte wurden umgehend wieder zurückgebucht, das Verfahren läuft.

Umso überraschender kommt nun die Entscheidung des DHB. Doch weil der BHV den vermeintlichen Verstoß des TuS auch dem zuständigen Spielleiter der dritten Liga gemeldet hat, musste der Verband tätig werden. Das Resultat flatterte den Bruckern nun ausgerechnet vor Weihnachten auf den Gabentisch. Natürlich wird der Verein auch in dieser Angelegenheit von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen, wie Ruhwandl versichert. Denn für die Verantwortlichen im Klub ist das Vorgehen beider Verbände schwer nachzuvollziehen. Leindl spielt seit zwei Jahren für die TuS-Männer, bis vor dieser Saison mit Doppelspielrecht auch für Germerings A-Jugend. Als er dem Jugendbereich entwachsen war, hätte Bruck nach Verbandsansicht den alten Pass durch einen neuen Erwachsenen-Pass ersetzen müssen, lediglich eine Formalie. Dass aus diesem formellen Versäumnis nun derart massiv in einen hochklassigen sportlichen Wettbewerb eingegriffen wird, mag sich Ruhwandl nicht erschließen. Zumal die Verbandsvorgaben in diesem Bereich nach Ansicht von zu Rate gezogenen Juristen keinesfalls eindeutig auszulegen seien. Der Punktabzug hätte indes weitreichende Folgen, auch auf die Tabellenspitze der dritten Liga Süd. "Ich hatte schon gehofft, dass uns das erspart bleibt", sagt Ruhwandl.

Es ist zu erwarten, dass der DHB die Tabelle demnächst bereinigt. Der TuS sieht dem einigermaßen entspannt entgegen, aus Sicht des TuS und seines Juristen sei mindestens die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben. "Ich finde das schon unglücklich, dass hier nun Scheinfakten geschaffen werden, die nicht existieren." Denn das schwebende Verfahren auf bayerischer Ebene strahlt auf die dritte Liga aus. Wäre der Pass dort rechtskonform, gäbe es wohl auch für den DHB keinen Grund für eine Strafe. Auch Trainer Wild war von der Mitteilung "sehr überrascht", auch ihm fehlt bei dieser vorläufigen Entscheidung "jede Verhältnismäßigkeit". Die zweiwöchige Erholungspause jedenfalls ist empfindlich gestört. Nach Ansicht des Trainers ist auch nicht abzusehen, was die Neuigkeiten in der Mannschaft anrichten werden. Denn eigentlich hat sich der TuS mit dieser Hinrunde als Drittliga-Spitzenmannschaft etabliert, die Verantwortlichen waren sich ja nicht so ganz sicher, ob der zweite Platz in der Vorsaison in der Ost-Gruppe ein Ausreißer nach oben war. War er nicht. Trotzdem könnte bald Abstiegskampf angesagt sein, mit welchen Konsequenzen ist schwer zu erahnen. "Man darf so etwas nicht unterschätzen", sagt Wild.

Zudem ist momentan die Zeit für Verhandlungen bezüglich der kommenden Saison, die Spieler des TuS haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren durchaus für andere Klubs interessant gemacht. Im vorigen Jahr musste Bruck wegen wirtschaftlicher Gründe auf die Aufstiegsrelegation verzichten, nun wäre er wegen einer aus seiner Sicht strittigen Formalie frühzeitig aller Ziele nach oben beraubt. "Ich weiß nicht, wie sich das auswirkt, wenn wir zum zweiten Mal so eine übergebraten bekommen", sagt der Trainer. Es gelte nun, die Ruhe zu bewahren.

Als Wild diesen Satz sagt, muss er lachen. Es ist ein bitteres Lachen.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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