Handball:"Es nagt schon sehr an uns"

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Neues vom Motivationsfresser: Martin Wild macht keinen Hehl daraus, wie sehr die Situation ihn und das Team belastet. (Foto: Günther Reger)

Der Deutsche Handballbund lehnt den Einspruch der Brucker Handballer ab und bestätigt so den Abzug von 13 Punkten. Der Drittligist geht in die Revision

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

Die Hiobsbotschaft kam direkt nach dem Training, erzählt Martin Wild. Aus ihren Handys hätten er und seine Spieler erfahren, "dass die Punkte weg sind. Das ist natürlich ein Motivationsfresser". An jenem Dienstagabend sickerte nämlich die Nachricht durch, dass die 1. Kammer des Bundessportgerichts des Deutschen Handballbundes (DHB) den Einspruch des Drittligisten TuS Fürstenfeldbruck gegen den Punktabzug "aufgrund des Einsatzes eines nicht spielberechtigten Spielers" zurückgewiesen hat. Es bleibt also dabei, dass sechs Siege und ein Remis als verloren gewertet werden. "Das ist für die Spieler und mich als Trainer nicht ganz einfach", stellt Wild klar.

Der Abzug dieser 13 Punkte hat den TuS bekanntlich in der Weihnachtspause aus dem Meisterschaftsrennen gerissen, die Brucker wären ansonsten einen Zähler hinter Primus TGS Pforzheim auf dem dritten Tabellenplatz notiert. Nun sind sie dank des Sieges gegen Pfullingen vom Wochenende wenigstens auf einen Nichtabstiegsplatz geklettert. Hintergrund der Posse ist das Mitwirken des 19-jährigen Alexander Leindl per Doppelspielrecht, welches nach Ansicht des Verbandes erloschen war. Am 17. November des vergangenen Jahres hat der TuS eine neue Spielberechtigung für Leindl beantragt und so aus Sicht des Verbandes seinen Fehler korrigiert. Die bis zu diesem Zeitpunkt erspielten Punkte bleiben Stand jetzt verloren, den Bruckern bleibt aber die Möglichkeit, gegen das Urteil Revision einzulegen. "Das werden wir tun", sagt Abteilungsleiter Philipp Ruhwandl, der nach wie vor daran glaubt, dass der TuS noch Recht bekommen wird: "Sonst würden wir das nicht machen."

Besonders kurios wird dieser Entscheid dadurch, dass der Bayerische Handballverband (BHV), der das ganze Malheur erst ins Rollen gebracht hat, nur ein paar Tage vor dem DHB-Urteil eine Rolle rückwärts hingelegt hat. Weil Leindl auch in der zweiten TuS-Mannschaft in der Bayernliga eingesetzt worden war, zog der BHV der Reserve zwei Punkte ab und meldete das Vergehen dem DHB, der damit verpflichtet war, ein eigenes Verfahren einzuleiten. Auch dagegen legte der TuS Einspruch ein - und bekam Recht. Allerdings begründete der Verband dies mit Formfehlern, es hatte vor dem Punktabzug weder eine Anhörung des Vereins noch eine ordentliche Begründung seitens des BHV gegeben. Diese Versäumnisse sind dem DHB nicht passiert. TuS-Rechtsanwalt Max Gutsche erinnert deshalb daran, dass "es zwei völlig unabhängige Verfahren" seien. Daher habe ihn der DHB-Schiedsspruch nun nicht überrascht, Gutsche sieht vielmehr einen Ansatzpunkt im nicht ganz eindeutig definierten Passwesen des BHV. Denn die Hoheit über die Spielberechtigungen liegt beim jeweiligen Landesverband, daran orientiert sich dann der übergeordnete DHB.

Allein deshalb ist die Vereinsführung entschlossen weiterzukämpfen, "unsere Sicht der Dinge ist eine andere", sagt Abteilungsleiter Ruhwandl. "Wir sehen das ganz pragmatisch und gehen jetzt den nächsten Schritt." Zwei Wochen haben die Brucker Zeit für den Rechtsbehelf der Revision, dann geht die Sache vor das DHB-Bundesgericht. Die Mannschaft erfährt indes Zuspruch von allen Seiten, zuletzt hat Pfullingens Trainer Till Fernow diese Strafe als "völlig unverhältnismäßig" bezeichnet. Außer dem Versäumen einer kleinen Formalie hat sich der TuS ja nichts zuschulden kommen lassen, Alexander Leindl spielt seit zwei Jahren in der Mannschaft und hat sich in die Stammformation gekämpft. Der TuS setzt auf den eigenen Nachwuchs, anstatt ausländische Topspieler zu importieren, dafür soll er jetzt bestraft werden. Freilich sehen Satzungen keinen Spielraum für Verhältnismäßigkeiten oder Ermessen vor, es gibt nur Vergehen und die dafür vorgesehenen Sanktionen.

Regelrecht absurd wird die Situation dadurch, dass der TuS bis zum 1. März für die zweite Liga melden muss. 2000 Euro sind dafür zu berappen, an einen Verband, der dem TuS in letzter Konsequenz mit dem Punktabzug die Möglichkeit nehmen würde, am Lizenzierungsverfahren überhaupt teilzunehmen. Es ist ein kaum zumutbarer Zustand, dem die Mannschaft ausgesetzt bleibt: Zwei unterschiedliche Urteile in der selben Sache, richtungsweisende Entscheidungen, die demnächst zu treffen sind und über allem die totale Ungewissheit, wie es weitergeht. Entsprechend genervt ist der Trainer: "Man muss sich schon zusammenreißen, dass es einem die Lust nicht nimmt", sagt Wild. Für ihn und die Spieler sei das alles nicht mehr nachvollziehbar, in dieser Stimmung muss er seine Mannschaft auf zwei äußerst schwierige Aufgaben vorbereiten: "Am Wochenende spielen wir in Balingen, dann in Pforzheim", erinnert Wild. Erst beim Dritten, dann beim Tabellenführer. Punkte im Aufstiegsrennen oder im Kampf gegen den Abstieg? Keiner weiß es. Nur eines sei klar, sagt Wild: "Die Situation nagt schon sehr an uns."

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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