Handball:Der siebte Mann

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Die sieben Tore von Linkshänder Max Horner waren zwar der beste Wert der Brucker Gastgeber, für einen Sieg aber waren sie dennoch nicht genug. (Foto: Günther Reger)

Drittligist Neuhausen überrascht den TuS Füstenfeldbruck fast über die gesamte Spielzeit mit der Überzahl-Variante und gewinnt überraschend mit 32:31 Toren.

Von Nico Horn, Fürstenfeldbruck

Verzweifelt hockte Michael Luderschmid auf dem Hallenboden und schimpfte. Auch der Torwart der Handballer des TuS Fürstenfeldbruck war entnervt von den Ideen des gegnerischen Trainers. Eckard Nothdurft ist ein Trainerfuchs, das hat er unter anderem mit Pfullingen in der Bundesliga bewiesen. Und diesmal ahnte Nothdurft, dass beim TuS eine besondere Maßnahme nötig sei: "Normalerweise gewinnen wir nicht in Fürstenfeldbruck", also ließ er seinen TSV Neuhausen/Filder 60 Minuten lang jeden Angriff mit sieben Feldspielern vortragen, der Torwart blieb auf der Bank. Eine gewagte Strategie, die aufging: Am Ende siegte nicht das bessere, sondern das mutigere Team. "Vielleicht hätte ich mich vor dem Spiel etwas mehr anstrengen müssen, dann wäre ich auf die Variante gekommen", ärgerte sich TuS-Trainer Martin Wild nach der 31:32-Niederlage.

In dieser Mutmaßung steckte aber viel Konjunktiv. Rein theoretisch sind einem wie Nothdurft ja verrückte Ideen zuzutrauen, aber dass ein Team die gesamte Spielzeit den siebten Feldspieler bringt, ist sehr ungewöhnlich. Meist wird diese Variante dosiert eingesetzt. Auch sein Team habe dies noch nie über die volle Spieldauer praktiziert, gab Nothdurft zu, das Risiko bei Fehlern Gegentreffer zu kassieren, weil der Keeper noch auf der Bank festhängt, ist doch sehr groß. Aber die abstiegsbedrohten Gäste hatten nichts zu verlieren im Panther-Käfig - und in scheinbar aussichtslosen Situationen kommen einem oft die besten Einfälle.

Wild bekannte, dass Nothdurft sein Team vor eine "taktisch anspruchsvolle Aufgabe" gestellt habe. Eine, die man nicht gut gelöst habe. Der Extra-Feldspieler erlaubte Neuhausen, einen zweiten Mann am Kreis zu platzieren. Die für gewöhnlich aggressive Brucker Verteidigung musste sich deshalb zurückziehen. Der Plan Nothdurfts, die gewohnten Abläufe des TuS zu unterbinden, ging auf. "Wir holen uns normalerweise Selbstvertrauen über viele Zweikämpfe in der Abwehr", sagte Wild. Diese Komponente fehlte genauso wie der offensive Schwung, der normalerweise aus den gefürchteten Tempogegenstößen entsteht. Diesmal verleitete das leere gegnerische Tor jedoch dazu, schon aus der eigenen Hälfte über den zurückeilenden Keeper zu werfen. Mal glückte das, mal nicht - der gewünschten Rhythmus wurde aber nicht gefunden.

In den ersten zwanzig Minuten setzte Nothdurft zudem einen Verteidiger dauerhaft auf Spielmacher Falk Kolodziej an und limitierte so dessen Einfluss. Im Rückraum lag folglich viel Verantwortung auf Sebastian Meinzer und Maximilian Horner. Gerade Horner, der mit sieben Treffern beste TuS-Schütze, löste diese Aufgabe aber mit Bravour. "Wir sind mit der Manndeckung ganz gut zurechtgekommen, das fand ich gar nicht so schlecht", sagte Wild. Weil sich auch Kolodziej (5 Tore) immer wieder durchsetzte - zum Beispiel mit einer Pirouette im Stile eines Eiskunstläufers -, beendete Nothdurft seinen zweiten Taktikkniff im Laufe der ausgeglichenen ersten Halbzeit (15:15).

Horners Treffer zum 19:18 (37.) bedeutete nach dem 1:0 die zweite Brucker Führung überhaupt, "jetzt nimmt es doch seinen gewohnten Gang", dachte Nothdurft in diesem Moment. Aber Neuhausen ließ sich nicht abschütteln. In dieser Phase machte sich das Fehlen des gesperrten Kreisläufers Julian Prause bemerkbar, der zuletzt in Dansenberg die rote Karte gesehen hatte. Yannick Engelmann und Ole Schwagerus taten ihr Bestes, konnten Prauses Durchsetzungskraft aber nicht ersetzen. "Sie hatten einen schweren Stand", sagte Wild. Er erklärte die Niederlage mit einer Kombination aus zwei Faktoren: Zu den verletzungsbedingten Umstellungen seien die ungewohnten Abläufe gekommen: "Das war zu viel heute." Letztlich entschied Topscorer Hannes Grundler (10) die Partie 35 Sekunden vor dem Ende. Alexander Leindl (5) konnte den Ball nur noch zum Endstand ins linke Eck wuchten, er zeigte nicht nur in dieser Szene, dass er seine lange Verletzungspause gut überstanden hat. Durch den Sieg verlässt Neuhausen die Abstiegsplätze, der TuS bleibt Siebter.

Der taktische Geniestreich Nothdurfts ist auch als Kompliment aufzufassen, schließlich war er dem Mut der Verzweiflung geschuldet. Wild geht allerdings nicht davon aus, "dass das noch mehr Gegner machen". Nur mal nebenbei: Nächster Kontrahent ist der Tabellenvorletzte TV Willstätt - vielleicht kommt dem ja auch noch ein kreativer Gedanke.

© SZ vom 25.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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