Handball:Der Geist vom Ammersee

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Der Beginn des Wintermärchens: Bundestrainer Heiner Brand 2007 mit seinem Kader auf einem Steg am Ammersee. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Deutsche U20 testet in Herrsching - auch Erstligist Berlin zu Gast in der Region

Von Ralf Tögel, Herrsching

Der TSV Herrsching hat sich in gewisser Weise in den Annalen des deutschen Handballs verewigt. Kleine Gedächtnisauffrischung: Der Grundstein für das sogenannte Wintermärchen wurde am Ammersee gelegt. Unter Trainer Heiner Brand präparierte sich die deutsche Nationalmannschaft 2007 für die Weltmeisterschaft im eigenen Land - mit bekannt erfolgreichem Ende, und schon war der "Geist vom Ammersee" geboren. Auch der Bundesligist HSV Hamburg war gern gesehener Gast des TSV Herrsching, der damalige Trainer Martin Schwalb wurde sogar ein enger Freund des Herrschinger Abteilungsleiters Uli Sigl. Eine Freundschaft, die bis heute anhält und regelmäßige gegenseitige Besuche beinhaltet.

Dass der gute Draht zum Deutschen Handballbund (DHB) nach wie vor glüht, zeigt die deutsche U20-Nationalmannschaft, die sich derzeit in Herrsching auf die bevorstehende Europameisterschaft in Dänemark (28. Juli bis 7. August) vorbereitet. Höhepunkt ist an diesem Freitag (20 Uhr) das Testspiel gegen Slowenien. Dass Herrsching ein gutes Pflaster ist, weiß man auch in Hamburg, der HSV wird zwar vorerst in Sachen Vorbereitung weniger aufwendig unterwegs sein, da man nach der Insolvenz den Neuanfang in der dritten Liga Nord startet. Aber in Weltmeister Stefan Schröder steht ein alter Herrsching-Kenner im Team, Torsten Jansen ist mittlerweile Co-Trainer und Martin Schwalb begleitet den Wiederaufbau als Vizepräsident. Wer weiß, was daraus entsteht, jedenfalls haben die Hamburger den Grundstein zu ihrem einzigen deutschen Meistertitel 2011 am Ammersee gelegt. Dreimal in Serie hatte sich das hochkarätige Ensemble bei den Herrschingern vorbereitet, Nationalspieler aus aller Welt haben diese Mischung aus familiärer Atmosphäre und Professionalität genossen.

Der Gegenwert? Spieler konnten keine aus dem hohen Norden abgeworben werden, der TSV bewegt sich traditionell zwischen Bezirksoberliga und Bayernliga. Die Jugendarbeit der Herrschinger ist indes eine der erfolgreichsten im Freistaat, mehrfach vom bayerischen Verband ausgezeichnet, was auch daran liegt, dass in Herrsching Jahr für Jahr Vorbilder aus nächster Nähe zu bewundern sind. Ein nicht zu unterschätzender und auch lohnender Weg, Nachwuchs im Handball zu generieren. Abteilungsleiter Uli Sigl weiß das natürlich, er und seine Helfer aus dem rührigen Klub haben es auch in diesem Sommer geschafft, außerordentliche Vertreter des Sports in die Nikolaushalle zu locken.

Trainer der deutschen Mannschaft ist im Übrigen Markus Baur, als ehemaliger Spielgestalter schon seinerzeit einer der Protagonisten der Wintermärchens. Die deutsche U20 ist außerdem Titelverteidiger, Spieler wie Europameister Fabian Wiede oder Paul Drux, die demnächst in Rio an den Olympischen Spielen teilnehmen werden, haben vor zwei Jahren den Titel gewonnen. "Das ist für einen kleinen Verein wie den TSV Herrsching eine große Ehre. Ich bin gespannt, wen von diesen Jungs wir vielleicht bald in der Männernationalmannschaft sehen werden", sagt der Herrschinger Cheforganisator Hans Wannenmacher, der seit Jahren als wichtiger Bestandteil im Team der Gastgeber vom Ammersee fungiert.

Das Vorspiel werden die Drittligisten TuS Fürstenfeldbruck und die Bundesliga-Reserve des HC Erlangen bestreiten (Anpfiff 18 Uhr), die Brucker sind bekanntlich das am höchsten notierte Team in Südbayern. Und somit ebenfalls lohnender Anlaufpunkt für hochklassige Teams, die den Süden der Republik als idealen Ort für die Vorbereitung ausgemacht haben. Wie beispielsweise die Füchse Berlin, der Bundesligist und EHF-Cup-Starter testet am kommenden Sonntag (Spielbeginn 16 Uhr) in der Wittelsbacher Halle in Fürstenfeldbruck gegen den Vorjahreszweiten der dritten Liga. Schon an diesem Donnerstag können Handballfans aus der Region den Bundesliga-Fünften der Vorsaison bewundern, wenn die Füchse beim Landesligisten Eichenauer SV (Spielbeginn 19 Uhr) zu einem Freundschaftsspiel antreten.

Es ist also auch Jahrzehnte nach den Bundesligazeiten von Schwabing und Milbertshofen möglich, erstklassigen Handball im Großraum München zu sehen. Nicht wegen der Klasse der ansässigen Mannschaften, aber wegen der hervorragenden Möglichkeiten, die die Region zu bieten hat.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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