Handball:"Der Abstiegskampf hat uns zusammengeschweißt"

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Torjäger Sebastian Meinzer über das Handball-Märchen des TuS

Interview von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Das Markenzeichen von Sebastian Meinzer, 25, sind seine wuchtigen Distanzwürfe. 139 Tore in 21 Spielen hat der Rückraumspieler für die Handballer des TuS Fürstenfeldbruck in der laufenden Drittliga-Saison erzielt. Das sind nicht nur fast ein Viertel aller Brucker Treffer, mit dieser Bilanz gehört der gebürtige Freiburger, der jetzt in München lebt, zu den vier besten Torschützen der Liga.

SZ: Vor einem Dreivierteljahr hat der TuS die dritte Liga gerade so über die Relegation gehalten, jetzt ist er Zweiter. Wie konnte es zu diesem Handball-Märchen kommen?

Sebastian Meinzer: Das fragen wir uns selber auch. Die letzte Saison war gar nicht so schlecht, aber wir hatten nicht die Erfahrung, nicht das Glück, waren zu naiv. Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Die Erfahrung im Abstiegskampf hat uns zusammengeschweißt. Und jetzt gewinnen wir eben auch mit einem Tor Unterschied.

Welche Rolle spielt die Ost-Staffel, in die der Süd-Klub Fürstenfeldbruck versetzt wurde? Viele sagen, sie sei leichter.

Ich denke, die Süd-Staffel ist von der Breite her die Beste. Ich bin froh, dass wir aktuell nicht im Süden sind. Man muss vorsichtig sein, dass das nicht arrogant klingt, aber im Süden sind die Mannschaften spielerischer, mit viel Bewegung und Taktik, während in der Ost-Liga eher mit groß gewachsenen Leuten gespielt wird. So wie in den Neunzigern. Das kommt uns mit unserer offensiven Abwehr entgegen. Ich glaube, wir würden in diesem Jahr aber auch im Süden eine gute Rolle spielen, wenn auch nicht ganz so gut wie im Osten.

Die Mannschaft hat vor 57 Zuschauern in Leipzig gespielt und vor 1000 in Bruck. Wie viel trägt dieser ungeheure Zuspruch der Brucker Fans zum Erfolg bei?

Unsere Kulisse ist unglaublich. Man hat jetzt konstant 800 bis 1000 Zuschauer am Samstagabend. Die Atmosphäre hat schon Einfluss auf Spieler, Gegner, Schiedsrichter. Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Es ist viel schöner als auswärts, wie zu einer so unattraktiven Zeit am Sonntagabend in Leipzig. Wir wollen schon gerne ein kleines Spektakel liefern. Und unsere Heimspiele sind ja auch wichtig für die Finanzen. Unser nächstes Heimspiel ist übrigens an einem Freitagabend (4. März gegen Kirchzell, d. Red.). Das freut mich sehr, da hat die Woche einen ganz anderen Kick, wenn du weißt, du spielst schon am Freitag.

Das kann aber auch ganz schön anstrengend sein, wenn man zuvor noch einen Arbeitstag hinter sich bringen muss. Wie schwierig ist es, Beruf und Leistungssport in Einklang zu bringen?

Ich arbeite freitags nur bis Mittag, das geht. Aber es ist schon sehr schwierig, nach einer 40-Stunden-Woche an einem langen Nachmittag eine Dreiviertelstunde aus der Praxis ins Training zu fahren und dort verspätet anzukommen. Und ich muss ja auch noch meine Doktorarbeit schreiben. Da ist es als Student einfacher. Natürlich gibt es Tage, an denen man im Training die nötige Energie vermissen lässt.

Sie sind Zahnarzt. Wie gefährlich ist es für diesen Beruf, wenn man ein Hobby hat, bei dem man sich jederzeit an der Hand verletzen kann?

Das ist schon ein Risiko. Meine Mutter findet das auch gar nicht so lustig. Aber wenn ich Angst davor hätte, dürfte ich keinen Sport machen. Verletzungen sind leider unvermeidlich, 2013 hat mich ein Bruch im linken Handgelenk fünf Monate beruflich lahm gelegt. Die einoperierte Titanschraube wird mich wohl lebenslang begleiten.

Sie sind in dieser Saison einer der besten Torschützen der dritten Liga. Ihre Entwicklung ist quasi ein Abbild der Erfolgsgeschichte der ganzen Mannschaft.

Natürlich ist die Mannschaft das oberste Ding und es ist egal, wer die Tore macht, aber man hat auch seine persönlichen Eitelkeiten. Und wenn man ein tolles Spiel gemacht hat, schaut man da schon gerne drauf. Die tolle Teamleistung spiegeln solche Statistiken aber nur bedingt.

Dabei haben Sie vor zwei Jahren noch in der Landesliga gespielt.

Ich bin mit 18 zum Studium nach München gekommen und habe mich dem TSV Trudering angeschlossen. Dann wollte ich mich weiterentwickeln und habe mich gefreut, als Bruck angerufen hat. Es ist die beste Adresse. Viele haben gesagt, der Schritt zwei Ligen nach oben wäre zu groß. Das Risiko war mir bewusst, aber ich wollte nicht als Ergänzungsspieler kommen. Ich will Stammspieler und Leistungsträger sein und habe meine Chance bekommen. Dabei habe ich als kleiner Bub zwar Handball gespielt, aber dann wegen Tennis aufgehört und erst später wieder mit Handball angefangen. Ich habe irgendwann gemerkt: Ich brauche dieses Mannschaftsding.

Wie weit wollen Sie noch nach oben?

Ambitionen hätte ich, aber was ist realistisch? Für ein paar Euro mehr würde ich nicht Bankwärmer sein wollen. Und ich muss ja auch Job und Doktorarbeit erledigen. Es wäre ein harter Einschnitt, weil es hier keine Alternativen im höherklassigen Handball gibt.

Wenn die Mannschaft Tabellenzweiter bleibt, könnte sie an einer Aufstiegsrelegation teilnehmen. Der Verein hat aber jetzt erklärt, sich die zweite Bundesliga nicht leisten zu können. Enttäuscht?

Uns allen war das klar. Wir haben das teamintern diskutiert. So ein Relegationsturnier hätten wir schon gerne gespielt, aber die zweite Liga ist ein großer finanzieller Aufwand. Auch sind da noch viele andere Variablen zu beachten, mit der Halle, mit einem größeren Team drum herum. Und in einer eingleisigen zweiten Bundesliga spielt man unter der Woche in Schleswig-Holstein, das ist nicht zu vereinbaren. Andere Vereine sind daran kaputt gegangen. Das Ziel kann man langfristig angehen. Ich selber möchte jetzt trotzdem auf jeden Fall noch Zweiter werden - und auch noch Tabellenführer Hüttenberg schlagen.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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