Handball:Abgeprallt an der Tulpen-Wand

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Autsch: Aline Fischer war in Lintfort mit sieben Treffern zwar beste Gröbenzeller Schützin, die Niederlage aber war auch von ihr nicht zu verhindern. (Foto: Günther Reger)

Vor allem Lintforts Niederländerinnen stehen Gröbenzells Frauen in der Aufstiegsrelegation zur zweiten Bundesliga im Weg

Von Ralf Tögel, Gröbenzell

Am Tag danach war der Kater nicht mehr ganz so groß. Die Gröbenzeller Handballerinnen hatten genügend Zeit gehabt, die erste Enttäuschung zu verarbeiten. Genau gesagt neun Stunden. So lange saßen sie im Bus, ehe sie um halb fünf Uhr morgens aus Kamp-Lintfort heimgekehrt waren. Im Gepäck die unschöne 20:24-Niederlage im zweiten Relegationsspiel gegen den dort ansässigen TuS. Die zarten Aufstiegshoffnungen, die nach dem 19:18-Erfolg im Hinspiel in eigener Halle durchaus berechtigt waren: mit einem Schlag zertrümmert. Trotz der Frustration überwog bei Trainer Hendrik Pleines "der Stolz auf die Mannschaft". Pleines kann sich nicht erinnern, "in den letzten zehn Jahren" so viele Zuschauer beim Frauen-Handball gesehen zu haben wie beim ersten Relegationsspiel in Gröbenzell.

Die zweite Bundesliga hat sich für mindestens ein Jahr erledigt. Einen ersten Eindruck von dieser elitären Spielklasse konnte der HCD indes schon gewinnen. Nach einer Nacht im Bus ging es für die meisten nach ein paar Stunden Schlaf zu Arbeit oder Studium, die Anforderungen würden eine Klasse weiter oben in vielerlei Hinsicht deutlich steigen. Jetzt aber sind die Köpfe erst einmal leer, die mentalen und körperlichen Ressourcen erschöpft. Selbst Pleines hatte am Sonntag keine Lust mehr, sich über die kommende Saison "groß Gedanken zu machen". Hat er natürlich dennoch getan, denn das Scheitern dürfte das ehrgeizige Trainerteam, dem auch Harald Fischer angehört, nur anstacheln. Zumal "nicht mehr viel fehlt", wie Pleines findet.

Der TuS Lintfort aber war genau von dem Format, das den Gröbenzellerinnen so gar nicht liegt. Eine äußerst wuchtige, zweikampfstarke Mannschaft, mit einer ähnlichen Spielweise, wie der HCD sie pflegt. "Wir haben keine überragenden Shooter im Rückraum", erklärt Pleines, "unser Angriffsspiel ist auf unsere Zweikampfstärke ausgelegt." Gröbenzell sucht das Eins-gegen-eins-Spiel, kreiert vornehmlich daraus seine Torgefahr. Doch vor allem die robusten Holländerinnen im Lintforter Team wussten dem effektiv entgegenzutreten. Spielerinnen wie Harma van Kreij, die zum Bundesligisten Dortmund wechselt. Oder Eefje Huijsmans und Tatjana van den Broek, beide mit reichlich Erstligaerfahrung im Land der Tulpen ausgestattet - die drei Niederländerinnen erzielten 18 der 24 Lintforter Treffer.

Gröbenzell hielt mit Leidenschaft dagegen, kämpfte sich in der ersten Halbzeit aufopferungsvoll nach einem 5:10-Rückstand zur Pause auf 10:13 heran. Auch nach dem Wechsel gaben die Gäste nie auf. Als eine Viertelstunde vor Schluss beim Stand von 14:21 alles entschieden schien, verkürzten sie noch einmal auf 20:23. Mehr war nicht drin. "Wir sind an diesem Bollwerk gescheitert", resümierte Pleines.

Kritik wollte er nur an den Referees üben, deren "mittelmäßige Leistung" der ruppigen Lintforter Abwehrarbeit entgegengekommen sei. Das Scheitern aber wollte er dadurch nicht erklärt wissen: "Das haben wir uns schon selbst zuzuschreiben, uns hat einfach die Durchschlagskraft aus dem Rückraum gefehlt." Folgerichtig war es Kreisläuferin Aline Fischer, die mit sieben Treffern am erfolgreichsten war, im Gegensatz zum Hinspiel verwertete sie dieses Mal alle Siebenmeter. Darin ist auch der Hauptgrund für das Scheitern zu suchen: In Gröbenzell hat es der HCD trotz vieler Chancen verpasst, ein größeres Polster herauszuwerfen.

Gröbenzells Torhüterin Lidija Radovanic blieb immerhin "der freudige Abschluss eines miesen Tages" vorbehalten, so Pleines, als sie der Mannschaft eröffnete, im dritten Monat schwanger zu sein. "Wir haben uns alle für sie gefreut", erzählt Pleines, "sie ist immerhin schon 38 und wird noch Mutter. Andererseits war das eine total wahnsinnige Aktion, sich dann noch ins Tor zu stellen".

Damit steht allerdings auch fest, dass der HCD in der kommenden Saison eine neue Torhüterin braucht, denn Lisa Sagert fällt nach ihrem Kreuzbandriss noch lange aus. "Es laufen schon Gespräche", verrät Pleines, mehr gebe es noch nicht zu sagen. Dagegen seien die Verhandlungen mit Saskia Putzke, die noch beim Erstligisten Metzingen spielt, schon einen Schritt weiter. Ein Thema sei auch Milica Vlahovic. Die mazedonische Rückraumspielerin mit Europacup-Erfahrung spielte zuletzt für den Ost-Drittligisten Osterode/Harz und wurde von einem Berater angeboten. Erledigt hat sich "zu 99 Prozent" die Verpflichtung von Franziska Peter, die nach Lage der Dinge beim Ligakonkurrenten Regensburg bleiben wird.

Glückwünsche aus ganz Bayern hätten ihn erreicht, sagte Pleines noch, "ich denke, wir haben eine Begeisterung in Gröbenzell entfacht." Ihm habe das "Trainerdasein noch nie so viel Spaß gemacht", für einen Kopfmenschen wie Pleines ist das ein besonderes Lob ans Personal. In sieben Wochen geht es weiter, für Ende Juni ist der Trainingsauftakt anberaumt. Bis dahin werden Pleines und Fischer viele Gespräche führen, viele Rädchen drehen - und viel an Handball denken.

© SZ vom 10.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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