Handball:200 000 Aufrufe im Monat

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Gröbenzells Coach Hendrik Pleines hat eine Online-Plattform mit Lehrvideos geschaffen, auf der sich mittlerweile Tausende Handballtrainer weiterbilden

Von Lisa Meyer, München

Keine fünf Minuten sitzt Hendrik Pleines am Tisch der Münchner Gastwirtschaft. Er hat noch nicht einmal ein Bier bestellt, da tippt ihm ein Finger auf die Schulter. "Kennen wir uns nicht vom Handball?" Der tippende Finger ist lang, der Fragesteller breitschultrig und groß. "Hast du nicht auch mal bei Bruck gespielt?" Hendrik Pleines, ebenso groß, ebenso breitschultrig, erhebt sich lächelnd. Zwei kräftige Hände drücken und schütteln sich, ein Gespräch über Handball, Handballfreunde und Handballgeschichten nimmt seinen Lauf.

Man kennt sich als Handballer im Münchner Raum und man kennt Hendrik Pleines. Nicht nur, weil er sich einst als Rückraumschütze mit dem TuS Fürstenfeldbruck in die Regionalliga spielte. Nicht nur, weil er die Gröbenzeller Frauen sehr erfolgreich in der dritten Liga coacht. Mitt-lerweile auch, weil er einer der Betreiber der Online-Plattform Vimendo ist, eines Videoportals für Handballtrainer.

Koordination, Athletik, Torwarttraining, Wurfübungen - Besucher der Seite können aus einer Vielzahl an Schlagworten auswählen, zu jeder Rubrik erhalten sie passende Übungsvideos. Zu sehen sind einzelne Spieler bei ausgefeilten Kraftübungen, ganze Mannschaften bei komplexen Spielzügen oder Torhüter bei anspruchsvollen Koordinationseinheiten. Das idealistische Ziel hinter der Seite: "Wir wollen, dass Trainer durch unser Portal besser werden, dass ihr Training mehr Qualität und Vielfalt bekommt", sagt Pleines. Möglichst viele Handballtrainer sollen einen Zugang erhalten zu Wissen, an das sie sonst nicht oder nur schwer kommen würden. "Außerdem wollten wir etwas bereitstellen, was wir selbst vermisst haben."

Gemeinsam mit Manuel Hattenberger, selbst einst Handballtrainer, musste Pleines feststellen, wie schwer es ist, an neue Trainingsideen und -inhalte zu kommen. Damals habe es nur zwei Methoden gegeben, erzählt Pleines: "Entweder du bist auf Seminare nach Stuttgart, Hildesheim oder Köln gefahren und hast für ein Wochenende 200 bis 300 Euro ausgegeben, oder du hast dir teure DVDs gekauft, auf denen vielleicht 30, 40 Übungen zu sehen waren." Die Schlussfolgerung der beiden Freunde: Wenn es keine Austauschmöglichkeit gibt, muss man sie eben schaffen.

Hattenberger und Pleines suchten sich Mitstreiter, holten zwei Programmierer ins Boot, arbeiteten monatelang Tag und Nacht an ihrem Portal. "Ohne Geld, aber mit viel Elan." Rückblickend kann Pleines darüber lachen. Fast zwei Jahre dauert es, bis das erste Video zu sehen ist. Stück für Stück kommen immer neue Features hinzu, bis die Seite in ihrer jetzigen Form steht: Trainer, Spieler und Handballinteressierte können eigene Videos online stellen, andere Videos ansehen und Bewertungen abgeben. Heute sind die Besucherzahlen konstant hoch. Zwischen 8000 und 9000 Trainer rufen monatlich bis zu 200 000 Mal eines der rund 1300 Videos auf. Er wisse von hochklassigen Trainern, die sich auf Vimendo Ideen holten, sagt Pleines. Vor allem aber nutzten Trainer an der Basis das Portal, glaubt er. Trainer, die weder auf Erfahrungen noch auf ausgearbeitete Trainingseinheiten zurückgreifen können, die keine Vorbilder haben, an denen sie sich orientieren können. "In den Videos wollen wir gute Trainer zeigen, von denen man sich abschauen kann, wie sie eine Übung aufbauen, leiten und korrigieren."

"Wir wollen, dass Training mehr Qualität und Vielfalt bekommt": Hendrik Pleines kann das mit den Gröbenzeller Frauen in der dritten Liga umsetzen. (Foto: Günther Reger)

Finanziell hat sich Vimendo für seine Gründer noch nicht ausgezahlt, bisher konnten sie noch kein Geld mit der Plattform verdienen - auch weil sie bewusst auf Werbung verzichten. "Natürlich haben wir die Idee, das Ganze irgendwann einmal monetär zu nutzen, zum Beispiel einen Bezahlbereich mit Premium-Videos von Top-Trainern einzuführen." Doch der Anreiz sei von Beginn an ein anderer gewesen, und er sei sich ohnehin bewusst, dass er mit diesem Projekt kein Millionär werde, sagt Pleines. Auch ohne großen Reichtum: Das Projekt hat sich in anderer Hinsicht für ihn gelohnt. "Mich hat die Entwicklung des Videoportals als Handballtrainer wahnsinnig vorangebracht, weil ich mit sehr vielen Menschen in Kontakt gekommen bin, die viel Ahnung von dem Sport haben." Häufig wird Pleines auf einzelne, von ihm erstellte Trainingsvideos angesprochen. Trainerkollegen diskutieren seine Übungen, holen sich Anregungen und fragen nach. "Das Portal hat mir als Trainer Reputation gebracht."

Der Handballkollege am Nachbartisch greift nach seiner Jacke, steht auf, rückt den Stuhl zurecht. Bevor er sich zur Türe wendet, klopf er Pleines zum Abschied auf die Schulter. "Wir sehen uns bestimmt mal in der Halle." Für Pleines gibt es noch eine, für ihn eher lästige, Frage zu klären. Was bedeutet das eigentlich: Vimendo? "Der Name war eine ziemlich großkotzige Idee", sagt Pleines. Universell sollte er sein, auch in anderen Sportarten und anderen Sprachen funktionieren. "Heraus kam eine Kombination aus den lateinischen Begriffen video, also ich sehe, und emendo, ich lerne." Zumindest glaubt Pleines, sich an diese Herleitung erinnern zu können. Latein hatte er nämlich nie.

Jedenfalls würde sich Hendrik Pleines den ganzen Aufwand in der Rückschau auch noch einmal antun. Bei allen schlafarmen Nächten sei es schön, am Ende feststellen zu können, dass ein paar tausend Leute das eigene Video angesehen haben. "Auch wenn es nicht monetär zu beziffern ist: Für mich ist Vimendo ein extrem erfolgreiches Projekt."

© SZ vom 04.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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