Fußball-Regionalliga:30 Minuten Bereicherung

Lesezeit: 3 min

Aufsteiger Garching besiegt Greuther Fürth II 2:1, obwohl den Spielern in der zweiten Hälfte die Kräfte schwinden

Von Matthias Schmid, Garching

Noch vier Minuten! Die Garchinger Spieler schauten sich entsetzt an, Trainer Daniel Weber tobte an der Außenlinie, als der Schiedsrichter über die Dauer der Nachspielzeit informierte. Noch vier Minuten Bangen. Vier Minuten fühlten sich für die Garchinger in diesem Moment wie eine komplette Halbzeit an. Sie schlugen nur noch die Bälle aus der eigenen Hälfte nach vorne, lang, hoch, ohne Sinn und Verstand. Im Eishockey nennt man das Icing, ein unerlaubter Befreiungsschuss, es ist ein Regelverstoß. Die Garchinger waren froh, dass das im Fußball nicht geahndet wird, gegen die zweite Mannschaft von Greuther Fürth war ihnen alles recht, sie wollten nur keinen weiteren Gegentreffer hinnehmen. Sie wollten die Führung über die Zeit bringen, irgendwie. Als Tobias Schultes dann nach 96 Minuten endlich in seine Pfeife blies, sanken alle darnieder. Es war pure Erschöpfung, die sie im Kollektiv umwarf. "Der Wetterumschwung ist uns nicht gut bekommen", sagte Weber hinterher: "Uns war schon nach einer halben Stunde die Luft ausgegangenen."

Gewonnen hat der Aufsteiger die Partie in der Regionalliga Bayern trotzdem, mit 2:1 (2:0). "Ich bin stolz auf die Jungs, wie sie gefightet haben", lobte Weber. Es war ein Sieg des Willens, der größeren Leidenschaft. Und in der ersten halben Stunde, als sie noch aufrecht gehen und rennen konnten, haben sie auch sehenswert Fußball gespielt, schnell, direkt, mit viel Drang zum Tor. "Unsere Treffer waren schön herausgespielt, auch wenn wir beim Führungstor ein wenig Glück hatten", bekannte Kapitän Dennis Niebauer. Er hatte in der fünften Minute den Ball im Strafraum auf Robert Rudnik fein durchgesteckt, dessen Abschluss hätte Fürths Torhüter Bastian Lerch beinahe noch verhindert, aber der Ball kullerte langsam über die Linie, in Super-Slow-Motion. "Da hatten wir endlich mal das Glück, das uns in den vergangenen Wochen fehlte", sagte Trainer Weber.

Mit Fortune hatte die Darbietung der Garchinger aber wenig zu tun. Sie störten früh, sie waren gedanklich und körperlich schneller als die Fürther, die nach vier Niederlagen in Serie sichtlich gehemmt auftraten. Immer wieder misslangen ihnen einfache Abspiele, die die Garchinger abfingen, um in Höchstgeschwindigkeit durch das Mittelfeld zu kombinieren. "Herausragend" nannte Weber das 2:0 in der 14. Minute, als Gerrit Arzberger eine nahezu perfekte Passstafette über Stefan Prunitsch und Dennis Niebauer lässig abschloss. "Wir haben in der ersten Hälfte mal wieder nachgewiesen, dass wir nicht nur von unsrer Euphorie leben, sondern auch Fußball spielen können", fand Daniel Weber und kam zu der Erkenntnis: "So sind wir eine Bereicherung für die Liga." In der Tat hatten es die Fürther in dieser Phase höheren Mächten zu verdanken, dass das Spiel nicht schon entschieden war. Fürths Innenverteidiger Peter Szilvasi traf den eigenen Pfosten, Garchiings Prunitsch vergab auf der Gegenseite freistehend.

Gerrit Arzberger hat den Überblick behalten, sein lässiges 2:0 nach einer wunderbaren Ballstafette brachte die Entscheidung. (Foto: Claus Schunk)

Nach dem Seitenwechsel machte sich dann die Müdigkeit bei Garching langsam bemerkbar. Einige Spieler, unter anderem Dennis Niebauer, konnten zuletzt nicht mit der Intensität und Qualität trainieren, wie es die Liga eigentlich erfordern würde. "Wir waren aber auch zu passiv und sind nur noch hinterhergerannt", beschreibt der Kapitän die zweite Hälfte: "Das war sehr kräfteraubend." Trotz der körperlichen und spielerischen Überlegenheit gelang es den nun mutiger spielenden Fürthern nicht, sich so etwas wie Torchancen herauszuspielen. Die beste Gelegenheit hatte Garching, als es der eingewechselte Oliver Hauck fertig brachte, aus vier Metern am leeren Tor vorbeizuschießen. "Wenn wir das Ding machen, ist das Spiel entschieden", sagte Weber. So musste der Fußballlehrer noch mal bange Minuten überstehen, erst recht, als Aykut Civelek auf 1:2 verkürzte (84.). Am Ende blieb es beim dritten Saisonsieg, der den VfR in der Tabelle auf Rang neun führt.

Als sich die Spieler nach dem Schlusspfiff wieder mühevoll aufrappelten, liefen die Fürther schon wieder um das Spielfeld herum. Sie hätten gerne noch weiter gespielt. Und wenn ihnen in diesem Moment noch jemand Medizinbälle gebracht hätten, sie hätten sich diese auch noch zugeworfen. So fit waren sie. Daniel Weber beobachtete ihren Elan beim Auslaufen mit einem Lächeln. Er weiß, dass seiner Mannschaft die jungen Teams der Profiklubs liegen. "Diese sind taktisch unerfahrener als die Männermannschaften aus Memmingen oder Bamberg", bekennt Weber. Gegen den Nachwuchs reicht auch mal der altmodische Befreiungsschlag.

© SZ vom 08.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: