Fußball-Landesliga:Karrieresprung

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Seltene Aufnahme: Im Isar-Loisach-Stadion gab es unter Philipp Bönig erst drei Heimsiege. Hier wird ein 3:1 gegen Geretsried bejubelt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Vor seinem Wechsel von Wolfratshausen nach Garching steckt Trainer Philipp Bönig in ähnlich verzwickter Lage wie 2018.

Von Andreas Liebmann, Wolfratshausen

Dieses Mal - und das ist ein wohltuender Unterschied - hat es Philipp Bönig selbst in der Hand. Zumindest ein bisschen. Natürlich kann der einstige Erstligaspieler nicht so wirklich eingreifen, es sei denn, er würde mit seinen 39 Jahren, die er vor einigen Tagen erreicht hat, noch einmal seine Fußballschuhe aus dem Schrank holen und in Wolfratshausen den Linksverteidiger geben. Vermutlich wäre er keine allzu große Schwächung für sein Team nach 190 Erstligaspielen in Deutschland und Ungarn, in denen er unter anderem den ungarischen Pokal gewann. Aber das kann man wohl ausschließen. Trotzdem wird er dieses Mal nicht ganz so hilflos zusehen müssen wie vor Jahresfrist.

Es ist fast auf den Tag genau ein Jahr her, dass Philipp Bönig als künftiger Trainer des BCF Wolfratshausen in der Gaststätte des Isar-Loisach-Stadions vorgestellt wurde. Gründonnerstag, damals war dort noch ein Bayernligist zu Hause, der mal wieder gegen den Abstieg strampelte und dessen Trainer Marco Stier - ebenfalls ehemaliger Profi - seinen Weggang zum Saisonende angekündigt hatte. Die Führungsriege des BCF war natürlich stolz, diesen Mann für seine erste Trainerstation gewonnen zu haben, außerdem betonte Abteilungsleiter Manfred Fleischer, wie wichtig es sei für die aktuelle Mannschaft, so früh Klarheit über den künftigen Chefanweiser zu haben. Und Bönig, bescheiden und sympathisch im Auftritt, bekleidet mit einem braunen Pullover, sagte: "Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass die Mannschaft die Klasse halten wird."

Er hat dann viele Spiele von draußen gesehen, ohne eingreifen zu können. Er sah, was vor allem in der Abwehr zu tun sein würde. Und irgendwann wusste er, dass er seine erste Trainerstation doch in der Landesliga verbringen würde. Und auch dort macht die Mannschaft nun das, was ihr seit Jahren schon zur Gewohnheit geworden ist: Sie strampelt gegen den Abstieg.

Die Ursachen dafür vermutet niemand beim Neuling auf dem Trainerstuhl, im Gegenteil: "Ein ganz fantastischer Mensch", schwärmt Fleischer, "ein sehr guter Trainer. Wir schätzen ihn sehr." Sie hätten ihn gerne behalten. Doch auch der Regionalligist VfR Garching geht offenbar nicht davon aus, dass es an Bönig liegt, dass der BCF seit dem Abstieg erst sechs seiner 25 Partien gewann und damit nur knapp über den Relegationsplätzen schwebt. Sonst hätte er sich kaum für den Erdinger entschieden, als er einen Nachfolger für den scheidenden Coach Daniel Weber suchte, dessen Fußstapfen nach zwölfjähriger Tätigkeit Bönig "gigantisch" nennt.

Die Szenerie vor einigen Tagen war auf kuriose Art deckungsgleich mit jener vor einem Jahr: Wieder wurde Bönig in einer Pressekonferenz als Nachfolger eines noch amtierenden Trainers vorgestellt, wieder bei einem Verein, der noch gegen den Abstieg kämpft. Sogar seinen braunen Pullover trug er. Diesmal lobte er selbst, wie wichtig es für alle Beteiligten sei, dass so früh Klarheit herrsche bezüglich der neuen Saison. Und natürlich ist Bönig davon überzeugt, dass diesmal die Garchinger den Ligaverbleib schaffen werden. "Zwei Ligen höher Erfahrungen zu machen, ist für mich eine tolle Chance", sagt er, das sei der Grund für ihn gewesen, dieses Angebot anzunehmen. Trotz unzähliger Bewerbungen hätten die VfR-Verantwortlichen ihn aktiv angesprochen, betont Bönig, er sei selbst nicht auf der Suche gewesen. Seine Entscheidung sei ihm trotz allem schwergefallen. Streng genommen könnte er am Saisonende ja auch nur einen Sprung um eine Liga nach oben machen. Oder gar um drei.

"Seine Vita ist zu stark": Beim BCF haben sie großes Verständnis für die Entscheidung

Letzteres wird er zu verhindern versuchen. "Wir haben uns selbst in diese unschöne Situation gebracht", sagt er. "In ganz gefährlichen Sphären" befinde sich sein Team nun, weil es aus vielen Spielen, in denen es sehr ordentliche Leistungen gebracht habe, zu oft nur Unentschieden herausgeholt habe. Die einst wacklige Abwehr hat er recht gut in den Griff bekommen, bis auf die jüngste 2:4-Niederlage gegen Ichenhausen, als die Gegentore plötzlich doch wieder viel zu leicht gefallen seien.

Im Winter hat der BCF personell nachgelegt. Er hat den 36-jährigen ehemaligen FC-Bayern- und Haching-Spieler Barbaros Barut bekommen, der die letzten zehn Jahre seiner Profizeit in der Türkei verbrachte; und vom Karlsruher SC II Kai Kleinert, 23, beides Mittelfeldspieler. Rein zahlenmäßig konnte so kompensiert werden, dass sich Bönig aus disziplinarischen Gründen von Wilson Onyemaeke trennte und der erhoffte Leistungsträger Marco Gröschel mit Kreuzbandriss ausfiel. Bönig bedankt sich bei der Vereinsführung, dass sie die Transfers ermöglicht habe, schon in der Vorbereitung habe man gesehen, wie wertvoll die beiden seien. Barut allerdings fehlte gegen Ichenhausen. Auch "für die offene, ehrliche und vertrauensvolle Kommunikation" bedankt sich Bönig. Denn der BCF sei über jeden seiner Verhandlungsschritte mit dem VfR Garching im Bilde gewesen.

Die Wolfratshauser zeigen Verständnis für die Entscheidung. "Mir war von Anfang an klar, dass er nicht lange bei uns bleiben wird", sagt der Sportliche Leiter Onur Misirlioglu, "seine Vita ist dafür zu stark." Bönigs Bruder ist Co-Trainer bei Union Berlin, auch der Vater war Trainer, er selbst hat eine A-Lizenz. "Es ist gut möglich, dass einige Spieler traurig sind, die gerne länger mit ihm gearbeitet hätten", sagt Misirlioglu. Weitere Auswirkungen sehe er nicht. "Ich gehe schwer davon aus, dass Philipp seine Arbeit tadellos zu Ende bringen wird." Der Nachfolger solle dann möglichst ein Bekannter aus der Umgebung sein.

Bönig hat sich kürzlich nachts noch mal das komplette Video von der Niederlage in Ichenhausen angesehen. An diesem Samstag (14 Uhr) empfängt der BCF Cosmos Aystetten. Zur selben Zeit gastiert der Regionalliga-14. Garching beim Tabellenletzten Pipinsried. Das ist der Unterschied zum Vorjahr: Bönig hat gar keine Zeit, irgendwo hilflos zuzusehen.

© SZ vom 28.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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