Fußball:Erschreckender Empfang

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Flüchtlinge bei der FT Starnberg leiden unter Rassismus

Von Andreas Liebmann, Starnberg

Bekim Huseini ist ein emotionaler Mensch. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, wenn er auf die Erlebnisse vom vergangenen Wochenende angesprochen wird. Dass er Angst habe um seine Fußballer, erzählt der Trainer des Kreisligisten FT Starnberg, dass er sie leider nicht genug beschützen könne; dass es für ihn viel schlimmer sei als zehn Niederlagen am Stück, wenn er sehen müsse, wie seine Spieler in der Halbzeitpause mit Tränen in den Augen in der Kabine säßen. "Sie fragen mich, was sie denn dafür können, dass sie schwarz sind."

Roland Sprinkart ist ein besonnener Mann, "die Ruhe selbst", wie er sagt. Der Vereinsvorsitzende arbeitet im Vorstand einer Bank. Er hatte noch am Montag jeden Kommentar zu den Ereignissen vom Wochenende verweigert, um Verständnis gebeten, dass er sich erst mit seinen Starnberger Vorstandskollegen beraten wolle - auch um zu verhindern, dass er aus der Emotion heraus etwas Falsches sage. "Ich weiß ja, wie sensibel das Thema ist", sagt er. Das Thema Rassismus.

Und doch war es ausgerechnet Sprinkart, dem am Sonntag der Kragen geplatzt ist, der sich vor Ayinger Zuschauern aufbaute und sie anbrüllte, endlich den Mund zu halten, worauf es zu einem Handgemenge kam. Er wundert sich selbst darüber. Am Dienstag hat er dann einen Brief verfasst an den Bayerischen Fußball-Verband (BFV), frei von Emotionen. Es ist nichts anderes als ein Hilferuf. "Wir sind mit unserem Latein am Ende", räumt Sprinkart ein.

Seit einiger Zeit arbeitet die FT Starnberg eng mit Stadt und Landkreis zusammen, sie nimmt zahlreiche Migranten auf, die die Behörden ihnen schicken; Kinder, Jugendliche, Erwachsene, aus Nigeria, Sierra Leone, Afghanistan. Der Starnberger Traditionsverein ist finanziell nicht auf Rosen gebettet, vor allem deshalb ist der ehemalige Bayernligist in den vergangenen 25 Jahren von der damals dritten bis in die achte Liga abgerutscht. Dennoch hat er seine neuen Mitglieder von allen Beiträgen freigestellt, übernimmt alle Fahrtkosten, beschafft ihnen Ausrüstung, versucht Jobs zu vermitteln. "Wir als Verein sehen das als unseren Auftrag", erläutert Sprinkart. "Wir versuchen die Leute zu integrieren." Trainer Huseini spricht stolz von seiner "Multikulti-Truppe", er sagt: "Wir wollen ihnen ein bisschen Perspektive bieten und ihnen helfen, dass sie die Leiden vergessen können, die sie erlebt haben."

Mit der Handvoll Spieler, die sie in der ersten Mannschaft einsetzen, gestaltet sich das viel schwieriger, als die Starnberger geahnt hätten. Denn die Neuen werden in der Liga auf erschreckende Art willkommen geheißen. Zum Beispiel, indem Gegenspieler sie "schwarze Sau" rufen, wie dem Brief zufolge vor vier Wochen in Murnau. Oder durch Zwischenrufe wie den eines Zuschauers bei den FF Geretsried, der in eine Verletzungspause hinein gebrüllt haben soll: "Dann lasst den Schwarzen halt sterben!" Und nun in Aying, als der Senegalese Usman Balde von einem Gegenspieler "Bimbo" gerufen wurde und einige Zuschauer Sprinkart mit Rufen wie "Scheiß-Neger" zur Weißglut trieben. Sprinkart will nicht gegen diese Leute vorgehen, er hält das für "den falschen Weg", er will lieber sensibilisieren. Auch seien es ja "immer nur einige wenige", die auffielen. Nur waren es der wenigen zuletzt viel zu viele.

So recht wissen die Starnberger selbst nicht, was zu tun ist. Sie suchen keine Schuldigen, nicht bei Schiedsrichtern, die ja nur ahnden könnten, was sie exakt mitbekämen, und auch nicht beim Verband. Klar ist nur, dass dessen Anti-Rassismus-Kampagnen mit Transparenten und Stadionappellen nicht genügen. "Was, wenn es nicht bei verbalen Attacken bleibt?", fragt Sprinkart. Huseini würde sich wünschen, dass die gastgebenden Vereine handeln: "So lange ich Trainer bin, würde jemand, der bei uns so etwas ruft, Stadionverbot bekommen."

Für Sprinkart ist trotzdem klar: "Wir werden den Weg der Integration weitergehen." Auch Huseini ist das wichtig. Er kam vor 23 Jahren selbst als Kriegsflüchtling aus dem Kosovo. Die Arbeitsstelle, die ihm sein damaliger Klub vermittelte, hat er seit 20 Jahren. "Ich habe dem Fußball alles zu verdanken", sagt er, "das will ich weitergeben." Nur habe er es damals leichter gehabt. Dann erzählt Huseini, dass sich einige der Neuen bereits als Co-Trainer der Jugend engagierten. Aus Dankbarkeit. "Wir sind stolz auf die Jungs."

© SZ vom 15.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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