Fußball-Bayernliga:Zur Druckreife genötigt

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Hand aufs Herz: Nach dem Ausgleich durch Mustafa Kantar (in der Mauer 2. v. li.) befreit sich der BCF Wolfratshausen von seinem enormen Druck. (Foto: Toni Heigl)

Dachau 65 macht beim 1:3 gegen Wolfratshausen zu wenig aus seiner anfänglichen Überlegenheit. Der Tabellenletzte beginnt wie gelähmt, doch mit dem Schwung des Ausgleichs dreht er auf - und profitiert von der Rückkehr seines lange vermissten Torjägers Marinkovic

Von Christian Bernhard, Dachau

Ein Blick auf Michael Marinkovic reichte aus, um festzustellen, dass der 25-Jährige am Samstag noch einiges vorhatte, als er sich auf seinen Bayernliga-Kurzeinsatz vorbereitete. Schon das Aufwärmprogramm hatte der Mittelfeldspielers des BCF Wolfratshausen sehr akribisch abgespult. Wie groß seine Entschlossenheit aber wirklich war, wurde dann deutlich, als er Sekunden vor seiner Einwechslung auf die Tartanbahn sank, die den Fußballplatz des TSV 1865 Dachau umrundet: Er machte mehrere Liegestützen, dann sprintete er aufs Feld.

Die 17 Minuten, die Marinkovic noch hatte, nutzte er perfekt: Er sorgte mit einem Tor und einer Vorlage dafür, dass der BCF am 21. Spieltag der Bayernliga Süd nach drei Niederlagen in Serie mit 3:1 beim TSV 1865 Dachau gewann. Durch den Dreier sind die Wolfratshauser zwar weiterhin Tabellenletzter (18 Punkte), der Rückstand auf Platz 14 beträgt aber nur noch drei Zähler. Dachau belegt mit 35 Zählern weiterhin Rang vier. Marinkovic habe die Partie "definitiv" entschieden, erklärte Stier, seine Vorlage zum 2:1 von Jona Lehr (76.), bei der er mit viel Tempo über die rechte Seite gekommen war und den Ball dann perfekt in den Rücken der TSV-Abwehr gesteckt hatte, habe Profiniveau gehabt. In der Nachspielzeit machte Marinkovic mit seinem ersten Saisontreffer alles klar.

Die Dachauer waren direkt nach dem Abpfiff wütend in der Kabine verschwunden, sie mussten ihre Köpfe erst einmal abkühlen. Spielertrainer Fabian Lamotte war einer der ersten, der aus den Katakomben herauskam und nach der dritten Heimpleite in Serie erklärte, er könne nicht nach jedem Heimspiel laut werden, sonst nutze sich das ab. Dachaus Gemütslage war so wie das Wetter: ungemütlich. 40 Minuten lang hatte der TSV die Partie völlig im Griff gehabt, trotz des sehr tiefen Rasens erspielten sich die Dachauer mehrere gute Chancen und zeigten auf, warum Wolfratshausen die anfälligste Defensive der Liga hat. Nach dem frühen Führungstreffer von Amar Cekic, der in Minute sechs nach Zuspiel von Christian Doll unbedrängt mittig in den Strafraum ziehen und vollenden konnte, bot sich Dominik Schäffer 15 Minuten später die Kopie dieser Möglichkeit: Anders als Cekic schoss er Wolfratshausens Torhüter Kevin Pradl aber an.

"Vogelwild" seien die ersten 30 Minuten seiner Mannschaft gewesen, räumte Stier ein, der in jener Phase ob der vielen Fehler seines Teams immer wieder wie ein Rumpelstilzchen an der Seitenlinie herumhüpfte. "Wir waren wie gelähmt", erklärte er, "ich glaube, der Druck war etwas zu groß für die Jungs". Den hatte der 32-Jährige selbst mit aufgebaut. Gegen Dachau zähle für ihn nur ein Sieg, hatte er vor der Partie betont und seine Spieler öffentlich angezählt. Die Rechnung ging auf. "Ich wollte sehen, wer mit dem Druck umgehen kann", erklärte er, schließlich werde sein Team im weiteren Verlauf der Saison noch viel davon haben. BCF-Kapitän Kevin Pradl trug diese Maßnahme voll mit. Der Trainer habe in den vorangegangenen Wochen stets versucht, den Druck von der Mannschaft zu nehmen, "jetzt war es Zeit, mal auf den Tisch zu hauen", fand der Torhüter. "Die Jungs müssen damit umgehen können, wir sind hier nicht in der Kreisklasse."

Lamotte fand die erste Hälfte seiner Mannschaft zu recht "lange Zeit gut, wir haben viele gute Situationen kreiert". Einen Vorwurf musste er ihr aber machen: "Es muss mindestens 2:0 stehen." Stattdessen ging es mit einem 1:1 in die Pause, da der aufgerückte Verteidiger Mustafa Kantar den Ball nach einem abgefälschten Freistoß aus kurzer Distanz per Kopf ins TSV-Tor bugsiert hatte (43.). Der Ausgleich gab den Gästen einen Schub, den sie mit in die zweite Hälfte nahmen. Die Partie wurde offener, Gilbert Diep (68.) und Lamotte (70.) ließen gute Chancen ungenutzt. Dann kam Marinkovic. Mit dem Schlusspfiff sah dann noch der eingewechselte Dachauer Sebastian Brey nach einem harten Einsteigen gegen Lehr die rote Karte.

Mit der zweiten TSV-Hälfte war Lamotte überhaupt nicht zufrieden. "Wie schon so oft" habe seine Mannschaft "zu wenig Bereitschaft, zu wenig Gegenwehr und zu wenig Emotionalität" gezeigt, kritisierte er. Mittlerweile hat der 33-Jährige darin einen beängstigenden Trend ausgemacht, sein Eindruck ist, dass die Gegner in den vergangenen Spielen davon "immer mehr als wir" hatten. Seine Analyse deckte sich mit jener von Stier. Der BCF sei nach dem 1:1 "wacher und aggressiver" gewesen, sagte er, "wir wollten den Sieg auf jeden Fall mehr". Und in Marinkovic, der nach langer Verletzung erst vor einer Woche zurückgekehrt war, hatte er nun jemanden, der dieses Vorhaben in die Tat umsetzte.

© SZ vom 21.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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