Fußball-Bayernliga:Transfer­markt­führer holt Torjäger

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Ausgeknipst: Nach sechs gemeinsamen Jahren ist für den routinierten Orhan Akkurt beim SV Heimstetten erst einmal Schluss. (Foto: Claus Schunk)

Orhan Akkurt schließt sich dem SV Türkgücü-Ataspor an. Seine Trainer in Heimstetten hatten ohne ihn geplant.

Von Christoph Leischwitz

Wahnsinn", sagt Orhan Akkurt: "Puh! Sehr anstrengend." Sein Telefon stand spätestens am Montag nicht mehr still. Da war bekannt geworden, dass der Angreifer den Fußball-Regionalligisten SV Heimstetten verlassen hat, wenige Tage vor Schließung des Transferfensters. Treffsichere Stürmer werden natürlich immer und in allen Spielklassen gesucht, doch die Münchner Region scheint derzeit besonders abgegrast zu sein. Kein Wunder, dass nach dieser überraschenden Entwicklung andere Klubs mit Angeboten daherkamen wie eine Horde hektischer Aktienbroker. Zumal Akkurt mit 211 Bayernliga-Toren einer der besten Stürmer im gehobenen Amateurfußball in und um München ist, vielleicht sogar der beste.

Was die Anrufer am Montag nicht wussten: Akkurt hatte schon am Sonntagnachmittag bei seinem neuen Verein unterschrieben. Der SV Türkgücü-Ataspor München hat sich spätestens seit seinem Aufstieg in die Bayernliga zu einer Art Transfermarktführer entwickelt. Der gut gesponserte Klub scheint ohne große Mühe alle Angebote der Konkurrenz ausgehebelt zu haben. Es ging aber nicht darum, die Konkurrenz zu schwächen, Türkgücü sah kurzfristig selbst Bedarf. Martin Holek ist gerade von einem Probetraining in Schottland zurückgekehrt, womöglich unterschreibt er dort bald bei einem Zweitligisten. "Tja, und dann kam der Orhan auf den Markt", sagt SV-Kaderplaner Robert Hettich.

"Ich wollte einfach Teil dieses Projekts sein", sagt Akkurt selbst. Er wird erst einmal nur bis zum Saisonende bleiben. Sein Ziel ist es, den Fast-Meister, der zwölf Punkte Vorsprung auf den aufstiegswilligen Verfolger TSV Kottern aufweist, zur ganz, ganz sicheren Meisterschaft zu schießen. Im Sommer wird Reiner Maurer dann den Cheftrainer-Posten übernehmen, Andreas Pummer wird sein Aussistent. Und Akkurt ist klar: Jedes Tor wird auch eine Empfehlung für eine Vertragsverlängerung sein. "Es liegt klar an mir selbst und an meiner Leistung", sagt er.

Doch wieso kann ein begehrter Stürmer eigentlich seinen Vertrag auflösen? "Für mich kam das alles sehr überraschend", erklärt Akkurt. Am vergangenen Freitag hatte er bemerkt, dass Heimstettens Manager Michael Matejka etwas "auf dem Herzen habe". Die beiden kennen sich lange, Akkurt hat mit Unterbrechungen sechs Jahre seiner Karriere für den SV gespielt. Er hakte nach. Also sagte ihm Matejka, dass er, Akkurt, in der Planung des Trainers keine Rolle mehr spiele. Das Trainerteam um Christoph Schmitt habe bis zuletzt nicht mit ihm darüber geredet, sagt Akkurt, was Schmitt damit erklärt, dass "Michael Matejka darum gebeten hatte, es selbst zu machen". Schmitt legt Wert auf die Feststellung, die Entscheidung mit dem gesamten Trainerteam getroffen zu haben. Matejka wiederum hatte in den vergangenen Monaten mit einer Verletzung zu kämpfen, außerdem hatte Akkurt laut Schmitt zu Beginn der Wintervorbereitung gefehlt.

Es gibt offenbar mehrere Gründe, warum der Torjäger in den Planungen nicht mehr berücksichtigt wurde - zwischenmenschliche wie sportliche. Differenzen waren schon im vergangenen Sommer nicht zu übersehen und -hören gewesen, nachdem Akkurt wegen eines Familienurlaubs eine Woche lang gefehlt hatte. Schmitt hatte mehrmals den Fitnesszustand des Routiniers infrage gestellt. Auch, dass Akkurt im Sommer 34 wird, spielte für die mittelfristige Planung eine Rolle. Doch selbst Schmitt sagt: In Sachen Qualität beim Torabschluss werde man ohne Zweifel keinen adäquaten Ersatz finden.

Man kann sich denken, wer alles angerufen hat. Der Trainer des Regionalligisten VfR Garching gehörte zum Beispiel dazu. Daniel Weber schien einerseits nicht allzu viel Hoffnung zu haben, den Angreifer bekommen zu können, zweitens sei er in Gesprächen mit einem anderen Offensivspieler schon recht weit. Garching befindet sich wie Heimstetten im Abstiegskampf.

Die Suche nach einem klassischen Strafraumstürmer bleibt schwierig bis unmöglich. Es ist zu hören, dass der ehemalige 1860-Angreifer Mohamad Awata wieder verfügbar wäre. Im vergangenen Sommer war er von München nach Jordanien gewechselt. Die Führenden der Torjägerliste aus den Landesligen sind langfristig an ihre Vereine gebunden. Ein Ende des chronischen Stürmermangels ist nicht in Sicht.

Jahrelang hatte sich Akkurt gewünscht, gegen Ende seiner Karriere, der er übrigens noch zwei bis drei Jahre einräumt, noch einmal in der Regionalliga zu spielen. Jetzt ist schon nach neun Toren in der Winterpause Schluss, zumindest vorerst. Dabei wird er immer noch auf die exakt gleichen Tore schießen wie davor: Türkgücü trägt in der laufenden Saison seine Heimspiele im Heimstettener Sportpark aus. Manager Michael Matejka sieht auch bei den Gästen auf der Anlage regelmäßig zu.

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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