Fußball-Bayernliga:Stiers betende Hände

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Einmal ließ der BCF Landsbergs Torschützen Daniel Jais (li.) unbewacht, doch meist waren die Wolfratshauser, wie hier Lars Nummer, eng dran am Gegner. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit viel Zittern gelingt dem BCF Wolfratshausen im Abstiegskampf ein Sieg gegen den dezimierten TSV Landsberg. Die Freude darüber wird allerdings getrübt: Mittelfeldspieler Marco Gröschel erleidet einen Kreuzbandriss

Von Lukas Wohner, Wolfratshausen

Seine Finger brachten die Wolfratshauser fast um den Verstand. Fünf waren es, die Schiedsrichter Philipp Götz nach oben reckte, das bedeutete fünf Minuten, in denen der BCF bangen musste: Würde der Bayernliga-Letzte seine 2:1-Führung noch hergeben oder sich doch endlich einmal belohnen? Gegner Landsberg spielte zu diesem Zeitpunkt zwar bereits seit gut 20 Minuten in Unterzahl, aber die Gastgeber haben in dieser Saison schon ganz andere Chancen ausgelassen.

Es reichte. Nach vier Niederlagen in Serie gelang dem BCF Wolfratshausen gegen die ebenfalls abstiegsbedrohten Gäste vom TSV Landsberg ein 2:1 (1:0)-Erfolg. Trainer Marco Stier stellte begeistert fest, seine Jungs seien ins Spiel gegangen, "als wenn's ein Pokalspiel wäre".

Anfangs hatten im Isar-Loisach-Stadion eher die Gäste gewirbelt, sie setzten die überhastet wirkenden Farcheter unter Druck, nach zehn Minuten hielt BCF-Keeper Kevin Pradl einen Kopfball von Daniel Jais. Von da an drehten die Wolfratshauser auf, standen kompakter, pressten und zeigten, dass sie sehr genau wussten, worum es ging. Zumal Trainer Stier sie an der Seitenlinie immer wieder lautstark daran erinnerte: "Hochfahren jetzt!", brüllte er, oder: "Was ist mit den Fans?" Ein sehenswerter Torschuss in der 21. Spielminute von Gregoire Diep wurde von seinen Kollegen auf der Bank als "krank!" bewundert. "Jungs, einer ist fällig!", riefen sie - es müsse doch endlich mal klappen. Doch es klappte lange nicht. Stier faltete die Hände vorm Gesicht und flehte mit Blick gen Himmel: "Bitte bitte bitte!"

Es lief die 40. Minute, als Stier zum ersten Mal eine kurze Pause einlegte und sich setzte. Der 32-Jährige wollte den Sieg unbedingt, er brannte. Lange war er selbst ein vielversprechendes Talent, spielte mit Bastian Schweinsteiger in der Jugendnationalmannschaft. Beim FC Bayern konnte er sich in der zweiten Mannschaft verletzungsbedingt nie durchsetzen. Jetzt will er sich als Coach beweisen, ausgerechnet beim krisengeschüttelten BCF, der nach Differenzen um Abwehrspieler Onur Misirlioglu bekanntlich den damaligen, bis dahin sieglosen Trainer Patrik Peltram, große Teile der sportlichen Leitung und mehrere Leistungsträger verloren hatte.

Nach zehn Spieltagen übernahm Stier das Projekt, das er "Mammutaufgabe" nannte. Er will den Ligaverbleib mindestens über die Relegation schaffen, vielleicht sogar direkt. Doch allzu oft fehlten die Tore. Diesmal war es Jona Lehr, Wolfratshausens bester Schütze, der sein Team eine Minute vor dem Halbzeitpfiff in Führung brachte, freistehend, nachdem der Ball im zweiten Anlauf bei ihm landete.

In der hitzigen zweiten Hälfte verpasste es der BCF, das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Der TSV machte nur mit einem guten Freistoß (50., Pradl lenkte ihn über die Latte) und einem Tunnel von Andreas Fülla gegen Michael Ott (lautes "Ohhhh!" auf den Zuschauerbänken) auf sich aufmerksam. Dass Landsberg auf das 2:0 in der 60. Spielminute durch Emin Kaya, der nach einem Pfostenschuss durch Jona Lehr richtig stand, prompt antworten konnte, lag daran, dass Jais beim 2:1 (62.) viel zu frei stand. Es wurde dann nicklig: Der bis dahin stark spielende Sechser Marco Gröschel blieb in der 70. Minute schreiend am Boden liegen und musste im Krankenwagen abtransportiert werden. Der erste böse Verdacht bestätigte sich tags darauf. Unter der Überschrift: "Oh shit" verkündete der BCF via Facebook die Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbandes, Teilruptur des Außenmeniskus sowie des Innenbandes.

Es blieb hitzig. Landsbergs Bank reklamierte immer wieder vermeintliche Fehlentscheidungen und legte sich mit Zuschauern an, TSV-Spieler Fülla stieg, bereits verwarnt, Michael Rödl auf den Fuß und sah Gelb-Rot. Ott, Gregoire Diep und Lehr scheiterten teils aus wenigen Metern an TSV-Keeper Tobias Heiland. Dann erhob Schiedsrichter Götz seine fünf Finger. Dass er trotz Protestgebrülls sogar sieben Minuten nachspielen ließ, interessierte erst nach Abpfiff keinen mehr.

Der BCF, immerhin, ist nun nur noch Vorletzter.

© SZ vom 24.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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