Fußball-Bayernliga:Ratlos bis zum Schluss

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Matchwinner: Menelik Ngu'Ewodo (rechts gegen Philip Grahammer). (Foto: Claus Schunk)

Pullach bezwingt Pipinsried 1:0. Auch nach Spielende weiß keine der beiden Spitzenmannschaften der Vorsaison mit Bestimmtheit, ob der vermeintliche Ausgleichstreffer der Gäste nicht doch regulär war

Von Alexander Mühlbach, Pullach

Für ein paar Sekunden herrschte Verwirrung auf dem Platz. Die Fußballer des FC Pipinsried rannten aufeinander zu und jubelten. Eine völlig normale Reaktion, glaubten sie doch, dass ihr Abwehrspieler Martin Finkenzeller in der 60. Minute nach einer Ecke gegen den SV Pullach den Ball über die Linie gedrückt hatte. Der Linienrichter zeigte auch Tor an. Aber der Schiedsrichter pfiff nicht. Er hatte den Ball nicht mit vollem Durchmesser hinter der Torlinie gesehen, so wie es das Fußballregelwerk vorschreibt. Also überstimmte er seinen Linienrichter einfach.

"Letzte Woche in Heimstetten hatten wir das Glück auf unserer Seite - diese Woche eben nicht", sagte der Pipinsrieder Trainer Bernd Weiß zur Schlüsselszene des Spiels, von der sich seine Mannschaft nicht mehr erholte und letztlich 0:1 verlor. Dem Unparteiischen wollte kaum einer auf dem Platz einen Vorwurf machen. Man hätte wohl die Torlinientechnik aus der Bundesliga gebraucht, um die Situation richtig aufzulösen. Denn nach Finkenzellers Kopfball glitt die Kugel zwar unter den Armen des Pullacher Schlussmanns Michael Hofmann hindurch. Letzterer reagierte aber so geistesgegenwärtig, dass er den Ball gerade noch so auf der Linie vom Weiterrollen abhielt. Oder doch erst hinter der Linie? Die Pipinsrieder jubelten auch 20 Sekunden nach dem vermeintlichen Treffer, bekamen erst nach einer Weile mit, dass der Schiedsrichter gar nicht gepfiffen hatte. Was auch daran lag, dass Pullachs Trainer Frank Schmöller seine Spieler so laut mit: "Spielt weiter" anschrie, dass man es wohl noch im Dachauer Hinterland hörte.

Schmöller, als emotionaler Trainer bekannt, legte in diesem Spiel noch eine Schippe drauf, er haderte in jeder Spielszene entweder mit seinen Spielern oder mit dem Schiedsrichter. Auch das war ein Zeichen dafür, um wie viel es in diesem Duell zwischen dem Tabellensiebten und -dreizehnten ging. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die beiden Bayernligisten unmittelbare Gegner im Aufstiegskampf waren. Anfang April stand Pullach noch auf dem zweiten, Pipinsried auf dem dritten Platz, bis die Münchner Vorstädter wegen ihres zu kleinen Stadions auf den möglichen Aufstieg verzichteten und Pipinsried nach drei Niederlagen in den letzten vier Saisonspielen in der Relegation ausschied und die Mannschaft zerbrach.

Auch ohne Aufstiegsfeier startete der SV Pullach dann irgendwie verkatert in die Saison, so dass bislang nur Platz sieben heraussprang - was völlig unter den eigenen Ambitionen liegt. Selbst im vereinseigenen Stadionheft stand vor der Partie geschrieben, man sei genauso schlecht in die Saison gestartet wie Pipinsried. Was an sich völlig übertrieben war. Hatten die Pipinsrieder doch mit nur einem Sieg aus den ersten Partien einen so katastrophalen Saisoneinstieg hingelegt, dass der Spielertrainer Ömer Kanca seinen Posten räumen musste (und nach Pullach wechselte) und FC-Präsident Konrad Höß damit drohte, die Mannschaft vom Spielbetrieb abzumelden. Der neue Trainer Bernd Weiß bescheinigte seiner abstiegsgefährdeten Mannschaft unterdessen "mangelnde Form und mangelnde Fitness." Und er warnte: "Es wird grausam. Grausam schwer, dass wir die Klasse halten."

Doch nun spielte der FC Pipinsried gegen den Siebten der Bayernliga keineswegs wie ein möglicher Absteiger. Beflügelt von drei Siegen aus den jüngsten drei Partien begann die Elf in Gelb die Partie druckvoll, stand hoch und zwang den SV Pullach immer wieder zu Fehlern in dessen eigener Hälfte. Doch die klaren, zwingenden Torchancen fehlten. In der Folge kam Pullach immer besser ins Spiel, tauchte aber selten mit dem Ball vor dem gegnerischen Tor auf, weil es an Ideen im Spielaufbau mangelte. Eher war das Spiel geprägt von Zweikämpfen im Mittelfeld. Fast so, als wäre jeder Zweikampf der letzte. Das bekam vor allem der Pipinsrieder Robert Hügel kurz vor der Halbzeit zu spüren, als er im Kopfballduell mit einem Gegenspieler zusammenrauschte, sich eine große Platzwunde holte und ins Krankenhaus musste - was für den FC Pipinsried fatale Konsequenzen hatte.

Denn der Verlust von Hügel riss eine Lücke in das Abwehrgefüge, die Pullach in der 50. Minute mit einem Pass aus der Tiefe auf Menelik Ngu'Ewodo zum 1:0 ausnutzte. "Wir haben einfach ein Überangebot an offensiven Spielern", erklärte Weiß die Defensivschwäche, die ihm schon seit Wochen Sorgen bereitet. Nach dem Spiel war das aber gar nicht das Thema. Es wurde weiter darüber diskutiert, ob der Ball nun auf oder hinter der Linie gewesen war. Die Ratlosigkeit hielt an.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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