Fußball-Bayernliga:Per E-Mail nach Unterföhring

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Er strahlt Ruhe aus: In Kiril Akalski hat der FC Unterföhring einen herausragenden Torwart bekommen. (Foto: Johannes Simon)

In Bulgarien war Kiril Akalski Profi. Nun spielt der 29-Jährige in der fünften deutschen Klasse

Von Matthias Schmid, Unterföhring

Die ungewöhnliche Geschichte von Kiril Akalski hat sich natürlich auch unter den Sympathisanten des FC Unterföhring herumgesprochen. Doch die meisten wissen nichts Genaues. Sie haben nur Teile seiner Biografie aufgeschnappt. "Er hat schon Europa League gespielt", erzählt ein Zuschauer zum Beispiel am vergangenen Wochenende am Rande des Bayernliga-Heimspiels gegen den TSV Landsberg (2:1). "Ja, wo denn?", fragt ein anderer überrascht zurück. Die Antwort: "Irgendwo in Rumänien."

Kiril Akalski ist Bulgare und lief im Herbst 2010 tatsächlich für Lewski Sofia in der Gruppenphase der Europa League gegen den OSC Lille (2:2) auf. "Das war eine tolle Erfahrung für mich", sagt Akalski. Aber die Partie liegt für ihn schon so lange zurück, dass es ihm vorkommt, als sei sie "aus einem anderen Leben". Der 29-Jährige spricht noch kein flüssiges Deutsch, aber er kennt schon viele Vokabeln. Im Juni ist er nach Bayern übergesiedelt.

Seine Geschichte steht stellvertretend für viele junge, gut ausgebildete Menschen, die am Arbeitsmarkt in Bulgarien verzweifeln. Er verließ seine Heimat, weil er dort als Profifußballer kein Geld mehr verdienen konnte. "Wir haben nur noch dreimal im Jahr unseren Lohn bekommen", erzählt Akalski von seinem letzten Engagement beim Erstligisten PFC Haskovo. Die ständige Frage plagte ihn, "wie ich so über die Runden kommen soll".

Seine Auswanderung war aber keine Flucht ohne Zuflucht, er zog in Oberpframmern (Landkreis Ebersberg) bei der Familie seiner Schwester ein, die seit 20 Jahren hier lebt und in München studiert hat. Maria Akalski half ihm, sich zurechtzufinden, begleitete ihn zu Behörden und füllte für ihn die schwer verständlichen Formulare aus. Seiner Schwester hat er es auch zu verdanken, dass er beim FC Unterföhring untergekommen ist. "In meiner naiven Art", wie sie selbst findet, mailte sie einige höherklassige Vereine in der Region an. Kontakte hatte sie keine. Ihre unkonventionelle Herangehensweise brachte aber den erwünschten Erfolg: Unterföhring lud ihn zum Probetraining ein, da hatte die Saison bereits begonnen. "Schon nach wenigen Minuten war mir klar, dass wir in Kiril einen herausragenden Torwart haben, wie es ihn sonst in der Bayernliga nicht gibt", schwärmt Cheftrainer Andreas Pummer.

In mehr als hundert Spielen stand Akalski in der ersten und zweiten bulgarischen Liga in der Startelf, er kann elegant mit dem Ball umgehen, ist auf der Linie reaktionsschnell und bringt in Eins-gegen-eins-Situationen die Stürmer zur Verzweiflung, weil er so lange stehen bleibt wie Manuel Neuer. "Und mit seiner Ostblockmentalität", wie Pummer sagt, "strahlt er sehr viel Ruhe aus und gibt so unseren Abwehrspielern enorme Sicherheit." Sie sind alle froh, dass er bei ihnen kickt. "Er ist ein wirklich cooler Typ, mit dem man viel Spaß haben kann", sagt Kapitän Andreas Faber.

Seit dem vierten Spieltag ist Akalski Stammspieler und hat großen Anteil daran, dass seine Mannschaft seit acht Partien ungeschlagen ist und nun sogar die Tabelle anführt. "Wir haben genügend Qualität, um auch am Saisonende auf einem der ersten beiden Plätze zu stehen", glaubt Akalski. Er fühlt sich sehr wohl im Verein und kann sich vorstellen, länger hier zu bleiben. "Das sind tolle Jungs, die sehr hilfsbereit sind und füreinander einstehen." Sportlich unterfordert fühlt er sich nicht. Die Bayernliga bewege sich auf dem Niveau der zweiten bulgarischen Liga, betont Akalski: "In meiner Heimat können sie von den Bedingungen und der Organisation hier nur träumen." Er würde aber sehr gerne noch einige Jahre nicht nur für, sondern auch vom Fußball leben. "Ich bin im besten Torwartalter", weiß der 29-Jährige. "Als Sportler will man sich immer verbessern und so hoch wie möglich spielen."

Er hofft deshalb, dass er mit dem FC Unterföhring in die Regionalliga aufsteigt. Zurzeit ist Akalski ein Profifußballer außer Dienst, er muss nebenbei arbeiten. Er fährt Bluttransporte vom Arzt zum Labor. Den Job hat ihm der Verein verschafft. "Das ist toll", sagt Akalski. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, aber das würde Akalski nie öffentlich artikulieren. Er ist zu höflich, um zu erwähnen, dass ihn diese Aufgabe nicht ausfüllt. In seiner Heimatstadt Plowdiw, der zweitgrößten Stadt Bulgariens, hat er in diesem Jahr an der Universität sein Sportpädagogik-Studium abgeschlossen. Er würde später gerne als Trainer arbeiten. Vorerst will er sein Deutsch verbessern und so viel Geld verdienen, dass er sich eine eigene Wohnung leisten kann. Er verdanke seiner Schwester viel, sagt Kiril Akalski: "Aber ich will nicht auf ihre Kosten leben."

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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