Fußball-Bayernliga:"Jammern auf sehr hohem Niveau"

Lesezeit: 3 min

Chaka Ngu'Ewodo (re.) traf gegen Hankofen-Hailing per Seitfallzieher. Das 2:0 war der fünfte Treffer des 20-Jährigen in den vergangenen vier Spielen. (Foto: Claus Schunk)

Pullachs 13. Spiel in Serie ohne Niederlage folgt die Grundsatzkritik von Trainer Frank Schmöller

Von Matthias Schmid, Pullach

Chaka Ngu'Ewodo blickte in den Pullacher Himmel. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen, irgendwie entrückt, so, als würde dort oben sein Treffer noch einmal in Wiederholung zu sehen sein. Es wäre ein schöner Anblick für den Stürmer des Bayernligisten SV Pullach gewesen. Sein 2:0 am Samstagnachmittag gegen die SpVgg Hankofen-Hailing war ein wunderbares Tor gewesen, eines, für das sich allein schon der Weg an die Gistlstraße gelohnt hatte. "Ich wusste zunächst gar nicht, was ich anschließend machen sollte", bekannte Ngu'Ewodo. Er staunte selbst am meisten über sein Kunstwerk, das Raffinesse, Technik und Akrobatik miteinander vereinte. Der 20-Jährige hatte die Flanke von Andreas Roth im Strafraum mit der Brust perfekt gestoppt, sodass er den Ball direkt mit rechts aus der Luft per Seitfallzieher ins Tor schießen konnte (38.). Ngu'Ewodo hat das, was die Sportpsychologen gerne einen Lauf nennen, alles geschieht natürlich, mühelos, instinktiv. "Es läuft", sagte der Torschütze. Und er meinte nicht nur sich, nicht seine fünf Tore in den vergangenen vier Spielen, sondern die gesamte Mannschaft.

Der 2:1 (2:0)-Sieg gegen Hankofen-Hailing - Richard Heckel hatte das 1:0 erzielt (30.) - war schon das 13. Spiel nacheinander ohne Niederlage für Pullach. Drei Monate liegt die letzte zurück, das 1:5 in Unterföhring scheint wie aus einem anderen Jahrhundert zu stammen. Die Mannschaft spielt ansehnlichen Fußball, sie kombiniert aus der Abwehr heraus, schnell, direkt, über die Flügel. "Wir haben uns entwickelt", sagt Trainer Frank Schmöller.

Und doch findet der ehemalige Profi, der für den Hamburger SV und Unterhaching stürmte, immer irgendetwas, über das er sich so herrlich aufregen kann. Am Samstag war es die Körpersprache seiner Spieler. "Lasch" und "ohne Spannung" nannte er diese. "Sie haben in der zweiten Hälfte gedacht, dass sie wie der FC Bayern spielen und den Gegner vorführen können", kritisierte Schmöller. Er lachte dabei ein verächtliches Lächeln: "Das können wir nicht."

In der Tat fehlte nach der Pause, in der die meisten der Zuschauer nur noch über die Höhe des Ergebnisses diskutierten, diese lästige Penetranz der ersten Hälfte, als die Pullacher dem Gegner kaum Zeit zum Atmen gönnten, ihn immerzu attackierten. "Wir haben vergessen, Fußball zu spielen", sagte Ngu'Ewodo. Die Pässe waren schludrig, das Zweikampfverhalten devot. "Vor allem von den erfahrenen Spielern kam viel zu wenig", monierte Schmöller. Gerade sie hatten in der Pause zuvor lautstark das Wort ergriffen und getönt, dass sie kein Gegentor bekommen wollten. Doch ihr Auftritt in der zweiten Hälfte erinnerte Schmöller eher an "Franz-Beckenbauer-Gedächtnisfußball" als an seriösen Fußball. Auch selbstbewusste und spielerisch veranlagte Pullacher sind nicht so gut, dass sie eine Mannschaft, die gegen den Abstieg spielt, ohne Wucht und Aggressivität so einfach besiegen könnten. Schmöller hatte gehofft, dass seine Spieler gelernt hätten aus dem 2:2 gegen Bogen, als seine Mannschaft vor zwei Wochen die 2:1-Führung noch verspielt hatte, weil sie anfing, den Gegner nicht mehr ernst genug zu nehmen. "Wir dürfen nicht nach 45 Minuten schon selbstzufrieden sein", warnte Schmöller nachdrücklich. Erschrocken über seine eigene Wortwahl blickte der 49-Jährige dann plötzlich milde drein wie ein Lehrer, der merkt, dass er doch etwas zu streng umgeht mit seinen Eleven, die ihm ja sonst so viel Vergnügen bereiten. "Das ist alles Jammern auf sehr hohem Niveau", betonte Schmöller dann: "Andere Mannschaften wären froh, wenn sie unsere Probleme hätten."

Gefährdet war der zehnte Saisonsieg, mit dem Pullach den dritten Tabellenplatz festigte, freilich in keiner Phase. Der eingewechselte Maximilian Schuster hatte sogar in der 84. Minute die Riesenchance zum 3:0, als er den Querpass von Ngu'Ewodo aus zehn Metern über das leere Tor schoss, weil er aus unerfindlichen Gründen ins Straucheln kam. Dass Hankofens Stürmer Christian Spengler vier Minuten später das 1:2 gelang, ärgerte Pullachs Torhüter Michael Hofmann am meisten, der gerne auch das zweite Spiel nacheinander ohne Gegentor geblieben wäre. Leidenschaftlich mit Schmöller diskutierend verließ er den Platz. Wie sein Trainer versteht es der frühere Erstliga-Torhüter von 1860 München, auch mit 43 Jahren noch so schön granteln zu können. Ngu'Ewodo schlenderte lächelnd an ihnen vorbei.

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: