Fußball-Bayernliga:Fremde im Tiki-Taka-Land

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Zirkusfußball: Jona Lehr (li., im Zweikampf mit Florian Hofmann) und seine Wolfratshauser Kollegen vergaben gegen Kirchanschöring zu viele Chancen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Nach dem 1:1 gegen Kirchanschöring kommt es in Wolfratshausen zu skurrilen Szenen

Von Matthias Schmid, Wolfratshausen

Wer am Samstagnachmittag erst nach dem Schlusspfiff im Isar-Loisach-Stadion erschienen war, hätte glauben können, dass etwas Dramatisches, ja sogar Schlimmes vorgefallen sein musste. Einzelne Wolfratshauser Spieler lagen bäuchlings auf dem Rasen, alle Viere von sich gestreckt. Andere wiederum saßen auf der Bank mit hängenden Schultern, den Blick gesenkt. Einer von ihnen war Kapitän Marco Höferth. Bei ihm dauerte es einige Minuten, bis er sich wieder in den aufrechten Stand aufrappeln konnte, er drückte dabei so fest an seiner Plastikflasche, als sei sie allein für das Leid dieser Welt verantwortlich.

Dabei hatten Höferth und all die anderen im Trikot des BCF gerade nur ein Fußballspiel in der Bayernliga beendet. Sie hatten die Partie gegen den SV Kirchanschöring nicht einmal verloren - und doch waren sie alle nach dem 1:1 (1:1) gegen den Aufsteiger niedergeschlagen oder wütend. Oder beides. "Gegen welche Gegner wollen wir denn noch gewinnen", schimpfte der Abwehrspieler Höferth und schüttelte verständnislos sein Haupt, immer wieder. Fassungslos wie ein Grabredner fügte er hinzu: "Wir müssen endlich mal als Mannschaft zusammenstehen und unsere Chancen reinmachen." Man hätte angesichts seiner aufgeregten Worte und Gesten glauben können, dass Wolfratshausen mit nur einem Punkt abgeschlagen auf dem letzten Platz der Tabelle liegt.

Diese bleierne Schwere legte sich später auch noch über das Klubheim, in dem der gerne zum Granteln neigende BCF-Trainer Reiner Leitl seine Eindrücke zum gerade Erlebten schilderte. "Ich bin richtig sauer auf meine Mannschaft", kritisierte er. "Ich hasse diesen Zirkusfußball wie die Pest. Sie haben wohl zu viel Tiki-Taka geschaut." Am liebsten würde er seine Spieler deshalb in der nächsten Trainingseinheit in den Wald schicken, fügte er hinzu, "damit sie mal ihren Kopf freikriegen." Es fehlte nur noch, dass er ankündigte, sie zur Strafe zum Holzhacken oder Pilzesammeln vorzuladen. Manfred Fleischer war das alles aber schon genug der Theatralik, also griff der Abteilungsleiter während der Pressekonferenz zum Mikrofon. "Wir haben 21 Punkte geholt, zehn auswärts und elf zu Hause und liegen im Mittelfeld", sagte er im ruhigen Tonfall. "Wir haben also keine Heimkrise." Applaus von den Zuhörern, die zuvor noch bei Leitls Schimpftiraden laut geklatscht hatten. "Der Trainer und die Mannschaft machen gute Arbeit", schloss Fleischer seine prägnante Rede.

So bemerkenswert wie die Nachspielzeit im Klubhaus endete, so bemerkenswert hatte auch die Partie begonnen. Die BCF-Spieler spielten druckvoll, sie spielten mutig und vor allem: Sie erspielten sich eine Reihe von Torchancen. "Wir hätten 3:0 führen müssen", hatte Höferth richtig erkannt. Allein in der neunten Minute hatte Wolfratshausen durch Werner Schuhmann, Christian Duswald und Michael Rödl drei gute Möglichkeiten. Michael Marinkovic blieb es dann vorbehalten, sich für das 1:0 feiern lassen zu dürfen (20.). Nach einem feinen Dribbling veredelte er sein Solo, indem er aus spitzem Winkel den Ball über den Gäste-Torwart elegant hinweg chippte - "Weltklasse", rief ihm Verteidiger Onur Misirlioglu zu. Doch nach 39 Minuten stand es 1:1, "weil wir so ein dummes Tor nach einer Ecke bekommen", wie es Höferth ausdrückte.

Nach dem Seitenwechsel waren die Gäste dem Siegtreffer näher. Auch weil Marinkovic sich nach einem Foul postwendend zu einem Schubser hinreißen ließ und dafür die rote Karte sah (70.). Diese Szene hatte Leitl aber nicht geärgert, sondern dass seine Mannschaft nach einer halben Stunde etwas Wesentliches vergessen hatte: "Meine Spieler müssen endlich lernen, einfach zu spielen."

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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