Fußball-Bayernliga:Aufregung im Halbdunkel

Lesezeit: 2 min

BCF Wolfratshausen gewinnt wildes Duell gegen Unterhaching 4:3

Von Andreas Liebmann, Wolfratshausen

Wenn Reiner Leitl nach der Pause aus der Kabine kommt, wirkt der Trainer des BCF Wolfratshausen meist verändert. Er trägt dann eine Lesebrille. Weil eine solche bei der Beobachtung von Fußballspielen eher hinderlich ist, hat er sie mitten auf die Stirn geschoben, so als säßen dort oben zwei weitere Traineraugen.

Er trug sie noch, als Christopher Korkor am Mittwochabend an der Seitenlinie einen Gegenspieler verlud, nach innen flankte, wo der eben eingewechselte Aris Akgün den Ball abtropfen ließ und Vincenzo Potenza aus dem Rückraum zur 2:1-Führung (47.) gegen die SpVgg Unterhaching II abzog. Und auch, als wenig später Akgün einen Ball eroberte und Korkor zum 3:1 Richtung Tor schickte. Zwanzig Minuten später, die Brille war verschwunden, zuckte Leitl dann mit den Schultern, die Hände in den Hosentaschen. Potenza hatte aus großer Distanz draufgehalten, aus dem Stand, der Ball senkte sich in hohem Bogen direkt unter die Latte zum 4:2 ins Netz, ein ziemlich unglaublicher Treffer. Es lief. Und Leitl kommentierte lässig: "Das kann man schon mal so machen." Bis zum 4:3-Endstand gab es so viel zu sehen, Positives wie Negatives, dass Leitl ein zweites Paar Augen durchaus hätte gebrauchen können.

Es war ein wildes Bayernliga-Spiel im Halbdunkel des Wolfratshauser Kunstrasenplatzes. Schon in der vierten Minute hatte Verteidiger Onur Misirlioglu zum 1:0 getroffen, dabei hatte Unterhaching, wie schon in den Vorwochen, mehrere Akteure aus dem Drittligakader aufgeboten. Danilo Dittrich spielte, Stefan Haas, vorne wirbelten Jimmy Marton und Florian Bichler. Marius Duhnke kam gar von der Bank.

Doch wichtiger wurde Wolfratshausens Einwechselspieler Akgün, der erst seit drei Wochen für den BCF spielt. Ein wuchtiger, muskulöser Mann, der nach der 46. Minute (Bichler hatte nach 17 Minuten ausgeglichen) an fast jeder Offensivaktion beteiligt war. Die Gastgeber hatten sich enorm viel vorgenommen, man sah das nach dem 3:1, als sich um Korkor an der Bank eine Jubeltraube bildete, als hätten sie soeben die Meisterschaft gewonnen. Sebastian Pummer kurbelte fortan im Mittelfeld ein aggressives Pressing an, mit Sprints, die man von dem Techniker in dieser Häufigkeit eher selten sieht - worauf die Hachinger, die mit ihrem ständig neu gemischten Team nur Stückwerk zuwege brachten, in der Abwehr immer mehr schwammen. Doch mitten in dieser Phase verlor der BCF an der Mittellinie den Ball, was Tobias Killer zum Anschlusstreffer nutzte (63.). Und nach Potenzas spektakulärem 4:2 (71.) stellte Eric Lickert nur drei Minuten später erneut den Anschluss her.

Zwei Tore und ein Platzverweis: Wolfratshausens Vincenzo Potenza macht auf sich aufmerksam. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Wolfratshauser wirkten nervös, sie machten sich das Siegen schwer. Potenza holte sich kurz vor Schluss Gelb wegen Meckerns ab, und weil sie sich vom Schiedsrichter ohnehin benachteiligt fühlten, applaudierte er - was Gelb-Rot bedeutete. BCF-Sportchef Klaus Brand machte nach Abpfiff klar, worum es seinem Team gegangen war: "Jetzt haben wir fünf Mannschaften überholt", rechnete er. "Psychologisch sehr wichtig."

© SZ vom 17.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: