Fußball-Bayernliga:Auf die italienische Art

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"Italienische Medien würden uns feiern": Nach dem Tor von Verteidiger Daniel Leugner (2. v.l.) spielte Pullach ganz abgebrüht Catenaccio. Mit Erfolg. (Foto: Johannes Simon)

Der offensivstarke SV Pullach verwirrt den TSV Rain mit kompromissloser Defensivtaktik

Von Matthias Schmid, Pullach

Nach dem Heimspiel gegen den TSV Rain hat Frank Schmöller bedauert, dass er keine italienische Mannschaft betreuen darf. Der ehemalige Bundesligaspieler ist Trainer des SV Pullach und in dieser Eigenschaft hatte er das Gefühl, dass er sich rechtfertigen müsse für den zehnten Sieg im 14. Saisonspiel. Seine Mannschaft gewann das Spitzenspiel gegen den Regionalligaabsteiger durch ein Tor (28.) des Innenverteidigers Daniel Leugner 1:0 (1:0), es war kein schönes Spiel, keines, das ob seiner Rasanz und Raffinesse noch länger in Erinnerung bleiben wird. Aber es war eine Partie, die offenbarte, warum die Pullacher die Tabelle der Bayernliga Süd mit acht Punkten Vorsprung auf den FC Pipinsried anführen: Sie verrichteten ihre Arbeit so sachlich und humorlos wie Steuerbeamte im Finanzministerium. "Wir haben eine taktische Meisterleistung gezeigt, für die uns italienische Medien am nächsten Tag feiern würden", folgerte Schmöller.

Es überraschte in der Tat, wie defensiv der sonst so auf kreative Lösungen bedachte Schmöller seine Spieler gegen Rain anordnete. So häufig hat man die Pullacher noch nie Bälle lang und hoch nach vorne schlagen sehen. Seine Spieler zogen sich bis auf den einzigen Angreifer Menelik Ngu'Ewodo sogar alle in die eigene Hälfte zurück, sie warteten ab, sie lauerten auf Fehler, um kontern zu können. Pullach ist eigentlich dafür bekannt, die gegnerischen Abwehrspieler anzulaufen, sie permanentem Stress auszusetzen und so Chaos herbeizuführen, um mit schnellen, direkten Kombinationen den Torabschluss zu suchen. Und diesmal? "Ich habe selten eine so destruktive Spielweise einer Heimmannschaft gesehen", erklärte Rains Trainer Tobias Luderschmid etwas erbost. Schmöller lächelte sanft. Dann nahm er einen tiefen Zug von seiner Zigarette und entgegnete genüsslich: "Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass wir kein Gegentor kassiert und Rain keine Chancen gestattet haben."

Bisher hatten ja die Zuschauer und auch die Gegner geglaubt, dass Pullach ausschließlich für jogo bonito steht, für das schöne Spiel, für Ästhetik. Doch Schmöller wäre nicht Schmöller, wenn er nicht den Anspruch hätte, seine Mannschaft weiterentwickeln zu wollen. Zwei Jahre erlebte der junge Spieler Frank Schmöller beim Hamburger SV den legendären Trainer Ernst Happel. Die zwei Spielzeiten in den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts waren ausreichend, um sich vom eigenwilligen Österreicher einiges abschauen zu können, das bis heute Bestand hat. Zum Beispiel die Schlitzohrigkeit oder den Hang zum Pragmatismus. Der 50-Jährige sah den Catenaccio, das defensive Spiel, gegen spielstarke Rainer, die in den beiden Spielen zuvor acht Tore erzielt hatten, als legitimes Mittel zum Zweck an. Und der Zweck lautet: Gewinnen. "Wir haben sie zum Stehen gebracht, und es steht nirgendwo im Regelwerk, dass das verboten ist", sagte Schmöller.

In der Hinrunde stehen jetzt noch drei Spiele aus, bisher hat Pullach noch nicht verloren. Doch Schmöller ist zu sehr Realist, um sich Illusionen hinzugeben. Irgendwann werde ein Spiel kommen, merkte er an, "das wir verlieren werden, womit keiner im Vorfeld gerechnet hätte". Seine Spieler wollen es so weit gar nicht kommen lassen. "Wir haben den Willen, jedes Spiel zu gewinnen", betonte Andreas Roth, der die Taktik gegen Rain dann doch ein bisschen zu defensiv fand. Sein Trainer wird diese Ernsthaftigkeit gerne hören, Schmöller hat schon anklingen lassen, dass er im nächsten Spiel wieder deutlich offensiver spielen lassen will. Dabei hat er gerade Gefallen gefunden an der italienischen Trainerschule.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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