Fußball 3. Liga:Auslegeware im Schaufenster

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Fünf Punkte Abstand zu den Abstiegsplätzen und einige Talente auf Lager: Vor dem Rückrundenauftakt gegen Kiel gibt Hachings Zwischenbilanz Mut

Von Christoph Leischwitz, Unterhaching

Die Abwehrkette der Gäste besteht aus, Manfred Schwabl würde sagen, "gstandenen Mannsbildern". Sie ist im Schnitt fast 26 Jahre alt und hat auch schon höherklassige Erfahrung gesammelt. Holstein Kiel hat bislang nur 13 Gegentore hinnehmen müssen, weniger als halb so viele wie die SpVgg Unterhaching, obendrein ist Kiel seit sechs Spielen gänzlich ohne Gegentor. Die SpVgg Unterhaching hat in Andreas Voglsammer ihren erfahrensten Stürmer, er ist 22. Der U20-Junioren-Nationalspieler Pascal Köpke ist wieder verletzt, so könnten am Samstag (14 Uhr, Sportpark) zum Auftakt der Rückrunde weiterhin im Hachinger Angriff spielen: Kenny Redondo, 20, Dominik Widemann, 18, Simon Ollert, 17. Kiel und Unterhaching könnten - nicht nur geografisch - nicht weiter auseinander liegen.

Eigentlich schlagen sich die jungen Spieler recht gut in einer Liga, die eher vom Kampf als von filigranen Ballstafetten geprägt ist. Die SpVgg schießt ordentlich Tore und hat es so geschafft, zu Beginn der Rückrunde fünf Punkte vor den Abstiegsplätzen zu stehen. Der Klassenerhalt ist das einzige Ziel. Doch Trainer Christian Ziege hat auch gar keine Wahl. Viele erfahrene Spieler hat er nicht. Was unter anderem auch daran liegt, dass in Jonas Hummels' Knie am ersten Spieltag in Kiel das Kreuzband riss. Gleichzeitig gibt es einige Spieler, die wenige bis keine Chancen bekommen, wie zum Beispiel Marius Duhnke oder Jimmy Marton. Aktuell besteht der Kader aus 28 gesunden Spielern. Da kann zwangsläufig nicht jeder mit seiner Rolle zufrieden sein.

Doch vielversprechende Talente müssen ins Schaufenster gestellt werden - Transfererlöse werden auch in der laufenden Saison darüber entscheiden, ob die SpVgg ein Profiverein bleibt. Und Ziege scheint neben Talent auf eine Sache besonderen Wert zu legen: Kondition. Daraus können Spieler auch dann Selbstvertrauen ziehen, wenn sie viele Fehler gemacht haben und die Mannschaft zurückliegt. "Kondition ist brutal wichtig in dieser Liga", sagt der Trainer. Zu Beginn der Spielzeit sei er mit dem einen oder anderen Laktattest-Ergebnis nicht so zufrieden gewesen. Man habe daran gearbeitet, auf Strecken, wo es "viel rauf und runter" gehe. Denn: "Wir müssen neunzig plus x Minuten marschieren und die Zähne zusammenbeißen können", so Ziege. Damit können in der dritten Liga Defizite im taktischen Bereich - und noch mehr - kompensiert werden. Die Hachinger Mannschaft gilt im Schnitt als klein, wenn nicht sogar schmächtig. Einer, bei dem die Kondition ein großer Pluspunkt ist, ist zum Beispiel Rechtsverteidiger Markus Schwabl. Er wird von den Fans oft für seine Leistungen kritisiert. Doch er ist auch ein Spieler, der etwa in der hitzigen Partie gegen Dynamo Dresden in der Nachspielzeit den Ball über 70 Meter am Fuß führt und am Schluss im gegnerischen Strafraum mit einem Übersteiger zwei gegnerische Verteidiger aussteigen lässt. Das Tor traf der Rückkehrer vom TSV 1860 München dann zwar nicht. Doch dafür sind andere zuständig.

Der hält was aus: Markus Schwabl, konditionsstarker und oft kritisierter Außenverteidiger der SpVgg. (Foto: Claus Schunk)

Am vergangenen Wochenende, beim 4:2-Heimsieg gegen Rot-Weiß Erfurt, durfte der 18-jährige Dominik Widemann zum ersten Mal von Beginn an spielen und erzielte zwei Tore. "Dominik ist schnell und ein guter Konterspieler. Aber er hat etwas, das selten ist: Er hat zugleich eine gute Ausdauer", sagt Ziege. Widemann sei damit im Sprint- wie im Ausdauerbereich überdurchschnittlich entwickelt. Er habe außerdem einen Torriecher, und er sei zugleich ein Typ, der "auf dem Teppich bleibt", wie Ziege sagt. "Ich bin dem Verein sehr dankbar", sagt der Angreifer voller Ehrfurcht. Widemann ist immer noch sichtlich beeindruckt von der Geschwindigkeit, mit der er in einen Profikader aufgerückt ist. Sein Ziel sei es, mittelfristig mit der Hachinger U19 in die Bundesliga aufzusteigen.

Eines seiner beiden Tore am vergangenen Wochenende hatte Simon Ollert aufgelegt. Der 17-jährige wurde gerade mit einem Profivertrag ausgestattet, was Aufsehen erregte, denn Ollert spielt mit zwei Hörgeräten und ist fast komplett taub, er ist momentan der einzige Fußballprofi in Deutschland mit diesem Handicap. Weil er die Befehle des Trainers meist nicht hört, spielt er oft unorthodox und könne gerade deshalb erfahrene Spieler überraschen. Widemann und Ollert könnten gegen die Kieler Abwehr erneut eine Chance bekommen, zumindest Kurzeinsätze sind möglich. Sicher ist nur, dass beide bald verkauft werden. Entweder an andere Vereine. Oder auf der Mitgliederversammlung am kommenden Montag. Als die Zukunft des Vereins.

© SZ vom 06.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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