Frauen-Football:Süd-Süd-Gipfel

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Lange bleibt das Stadtderby offen, doch am Ende siegen die Cowboys Ladies mit 26:12 gegen die Rangers, die Tabellen-Letzter bleiben. Die beste Szene der Siegerinnen verblüfft sogar den Audioguide.

Von Felix Haselsteiner, München

Sonntagvormittage im Stadtteil Gern sind, wie auch im Rest Münchens, eigentlich ruhige Stunden. Der ein oder andere Einkäufer ist unterwegs, um Frühstück zu holen, ein Pärchen ist auf dem Weg in die Kleingarten-anlage, eine ältere Frau parkt ihr Auto auf dem öffentlichen Parkplatz um, weil sie kurz im vorübergehenden Halteverbot gestanden hatte. Soweit, so normal.

Wäre da nicht eine Gruppe recht martialisch angezogener, überwiegend kräftig gebauter und behelmter Frauen, die sich vor dem Dantestadion versammelt haben, um sich erst einmal kräftig anzubrüllen: "What time is it?" - "Game time!", rufen sie, dann noch mal: "What time is it?" - "Game time!" Beim dritten "What time is it?" möchte man ihnen fast entgegenbrüllen: "Sonntagvormittag, also etwas mehr Ruhe bitte!" Aber die München Rangers Ladies sind natürlich schneller, wacher, bereiter und auf gar keinen Fall zu bremsen. Es ist ja schließlich: Game Time!

Das Stadtderby zwischen den beiden Münchner Frauenteams im American Football, den München Rangers Ladies und den Munich Cowboys Ladies, ist so etwas wie der Süd-Süd-Gipfel - nur dass der Gipfel leider ein ganzes Stück entfernt ist: Die beiden Münchner Vertretungen liegen in der Tabelle nach zwei Spieltagen in der Gruppe Süd der Ladies-Football-Liga hinter den Stuttgart Scorpion Sisters und den Cologne Falconets zurück, und speziell die Lage bei den München Rangers Ladies ist eher angespannt. Eine Bilanz von 0:4 Punkten zum Saisonstart erzeugt doch einen gewissen zusätzlichen Druck vor diesem Vergleich mit den Lokalrivalinnen.

Auf der Tribüne des Dantestadions spürt man den Druck ebenfalls. Dort sitzt eine kleine Gruppe am Münchner Frauen-Football Interessierter, das Dach über ihnen hält den leichten Regen fern. Der Druck kommt vor allem aus den Boxen der Soundanlage, aus denen Jon Bon Jovi gerade seine sonntägliche Frohbotschaft plärrt: "We'll give it a shot" - eine Zeile aus seinem Hauptwerk "Livin' on a prayer".

Die Rangers legen gleich gut los, sie blocken einen Punt, wie der Kommentator erklärt, der die vielleicht nicht ganz so Fachkundigen unter den Zuschauern kompetent wie ein Audioguide im Kunstmuseum via Lautsprecheranlage durch das Spielgeschehen führt - sofern er nicht gerade von lauten E-Gitarren-Klängen unterbrochen wird. Der geblockte Punt jedenfalls führt zum ersten Touchdown des Spiels, 6:0 für die orange gekleideten Rangers, deren Defensive im ersten Viertel so sicher steht wie Omas Kleinwagen drüben auf dem Parkplatz.

Im zweiten Viertel jedoch können die Cowboys zurückkommen, sie gehen mit 8:6 in Führung, dann aber packen die Rangers noch einmal ein Trickplay - laut Audioguide einen sogenannten Reverse - aus, ein weiterer Touchdown ist die Folge. 12:8 für Orange ist der Halbzeitstand, Bon Jovi singt "Wo-ahh, we're half way there", weil, so ehrlich muss man sein: Ein footballerischer Leckerbissen ist das Stadtderby nicht. Die überwiegende Mehrheit der Pässe endet kullernd auf dem Rasen. Und nichts kullert mit weniger Anmut als das unrunde Football-Ei. Wo ein Fußball leicht über den Rasen dahin rollt, ein Basketball elastisch auftitscht oder ein Tennisball sich rasant durch die Luft dreht, wirft sich ein Football immer wieder mühselig von Seite zu Seite, ganz so, als würde er seinen Sonntagvormittag auch lieber bei einem Frühstück in der Kleingartenanlage verbringen.

Doch damit zurück ins Stadion, denn die zweite Halbzeit wird tatsächlich spannend: Die Rangers-Defensive fällt in einen gefährlichen Sekundenschlaf, die Cowboys Ladies können durchlaufen, es steht jetzt 14:12. Nahezu unerträglich wird die Spannung dann allerdings, als der Audioguide die Eintrittskartennummer verliest, deren Besitzer die zwei Karten für ein Konzert von David Hasselhoff gewinnt. Panischer Blick auf das eigene Ticket, dann: Erleichterung. "The Hoff" bleibt einem erspart. Die Cowboys Ladies ziehen im dritten Viertel davon, 20:12 steht es, das Spiel wird mit einem 26:12 enden. Die Rangers bleiben Tabellenletzter.

Den orange Gekleideten gelingt in der zweiten Halbzeit fast überhaupt nichts mehr. Sie können sich im Anschluss allenfalls damit trösten, dass jene Szene, die doch ein wenig herausstach aus dem Rest dieses Erstliga-Duells, vom Gegner kam: Im vierten Viertel kullert das Ei nach einem eher misslungenen Kick mal wieder traurig vor sich hin, eine Spielerin der Cowboys nimmt es gedankenschnell auf, sie läuft los, hat erstaunlich viel Raum vor sich - doch plötzlich beginnt ihre eigene Mannschaft laut zu rufen und zu gestikulieren. Selbst der Audioguide gerät kurz aus der Fassung, so etwas sieht selbst er wohl nicht allzu häufig: Sie war in die falsche Richtung gelaufen.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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