FC Pipinsried:"Olli, Flasche!"

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Oliver Wargalla schießt drei Tore beim Pipinsrieder 4:3-Sieg gegen Schwabmünchen. Die Gastgeber drehen die Partie mit drei Toren in sieben Minuten. Gästetrainer Maiolo sagt: "Es war ein sensationelles Bayernliga-Spiel."

Von Gerhard Fischer, Pipinsried

"Olli, Flasche!", rief die Stadionsprecherin zu Oliver Wargalla aufs Spielfeld hinunter. Kurze Stille. "Das war nicht persönlich gemeint", sagte sie dann, als ihr klar wurde, dass "Olli, Flasche!" missverstanden werden könnte. Sie wollte den Angreifer bloß daran erinnern, dass er die Trinkflasche, die er unachtsam aufs Spielfeld gelegt hatte, über die Auslinie werfen sollte. Hätte auch nicht gepasst, ihn, Wargalla, Flasche zu nennen - er hatte zu diesem Zeitpunkt, man schrieb die 70. Spielminute, drei Tore gegen den TSV Schwabmünchen erzielt. Es stand 4:3 für den FC Pipinsried, der ein 1:3 zu seinen Gunsten gedreht hatte. Von der Tribüne hörte man "Olli Wargalla"-Sprechchöre, und einer rief sogar "Olli für Deutschland!"

Es blieb beim 4:3. Es fielen also sieben Tore. Schwabmünchen schoss drei Tore binnen neun Minuten, Pipinsried schoss drei Tore binnen sieben Minuten. Pipinsrieds Keeper Johann Hipper hielt einen Elfmeter. Pipinsried hatte gefühlt 148 Chancen und Schwabmünchen gefühlt 136 Chancen. Und beide Teams gingen ein Tempo, das an die Schnittigkeit eines 100-Meter-Rennens erinnerte. Es war deshalb genau richtig, was Schwabmünchens Trainer Paolo Maiolo auf der Pressekonferenz sagte: "Es war ein sensationelles Bayernliga-Spiel." Pipinsrieds Spielertrainer Fabian Hürzeler schränkte ein: "Es war ein tolles Spiel für die Zuschauer, aber als Trainer will ich so etwas nicht oft erleben." Schade, dass er es so sah.

Gut, dass es Spieler wie Amar Cekir (rechts) gibt, sie machen ein Fußballspiel schön. Er ist einer für die Kür, und einer, der ein Spiel schnell macht, so wie in der zweiten Hälfte. Die Pflicht, also die Tore, übernahmen andere. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Hürzeler hatte übrigens nicht mitgespielt; der Arzt hatte bei ihm eine "Fraktur am Schienbeinkopf" festgestellt. Co-Spielertrainer Muriz Salemovic fehlte ebenso wie Prunkangreifer Pablo Pigl aus beruflichen Gründen. Das hätte hemmen können. Aber Pipinsried entschied sich für die Flucht nach vorne. Steffen Krautschneider, Zugang aus Schweinfurt und intelligenter Vorlagengeber, passte in der zweiten Minute von links zur Mitte, ein junger Mann mit sehr langen Beinen preschte heran und bugsierte den Ball halbhoch ins Netz - und die Stadionsprecherin durfte zum ersten Mal den Namen Oliver Wargalla durch die Arena rufen. Pipinsried spielte selbstsicher weiter, und man spürte die Hoffnung, gar Vorfreude der einheimischen Zuschauer auf weitere Tore ihres FC Pipinsried.

Warum kam es anders? Warum brachen die einen kapital ein (Pipinsried) und kamen die anderen riesengroß heraus (Schwabmünchen)? Warum gelangen den Gästen binnen neun Minuten drei Tore? Warum ist die Banane krumm?

Maik Uhde, der in Pipinsried spielte, als bewerbe er sich für Real Madrid, traf mit einem Flachschuss aus gut 20 Metern (17.) und einem Elfmeter, nachdem Hipper Jeton Abazi gelegt hatte (21.). Thomas Rudolph erzielte mit einem abgefälschten Fernschuss das 1:3 (26.). "Da fehlten uns Einstellung und Zweikampfverhalten", sagte Hürzeler. "Wir konnten keinen zweiten Ball gewinnen und wir bekamen den Ausnahmespieler Uhde nicht in den Griff." Deshalb konnte er das Spiel als Trainer nicht schön finden.

Die Zuschauer, die es am Ende schön fanden, moserten in dieser Phase auch - jeder Pipinsrieder Stockfehler wurde kommentiert, fast immer rief irgendeiner "Jetz sog amoi" (jetzt sag einmal), um Verwunderung, Enttäuschung und Kritik auszudrücken. Manchmal wurde der Spruch auch erweitert auf "Jetz sog amoi - des is doch da Wahnsinn!"

Der Wahnsinn hat bekanntlich zwei Gesichter, ein hässliches und ein schönes. In der zweiten Hälfte zeigte er den Pipinsriedern sein wunderschönes. Hürzeler hatte zur Pause von einer defensiven Dreier- auf eine defensive Viererkette umgestellt, und er hatte Alexander Langen, Timon Kuko und einen neuen Geist eingewechselt. Pipinsried stürmte, angetrieben vom eleganten Amar Cekic, nach vorne, als gäbe es hinter dem Gästetor kostenloses Speiseeis. Erst traf Marcel Ebeling mit einem wuchtigen Schuss nach einer Vorlage von - selbstverständlich - Krautschneider (61.); dann stöpselte Wargalla, der frei im Strafraum stand, den Ball an Torwart Stefan Brunner vorbei; und schließlich war erneut Wargalla mit einem Linksschuss aus der Drehung erfolgreich (68.).

Warum brach Schwabmünchen ein? Warum schoss Pipinsried so schnell drei Tore? Die Gäste haben eine junge Mannschaft, das Durchschnittsalter liegt bei gut 21 Jahren, da wird man schon mal überrumpelt. Und die Gäste haben lausig verteidigt, ebenso wie phasenweise der FC Pipinsried. Wenn es sieben Tore und zahllose Chancen gibt, dann gehören eben auch indisponierte Abwehrreihen zur Erzählung eines sensationellen Fußballspiels.

Und es war noch nicht zu Ende.

"Nach dem 4:3 haben wir uns zurückgezogen, das wollten wir nicht", moserte der gestrenge Hürzeler. Schwabmünchen hätte fast noch ausgeglichen, doch Hipper hielt den mittig und halbhoch getretenen Elfer von Uhde, der eben doch nicht unfehlbar ist (74.). Sein Trainer Paolo Maiolo wünschte dem FC Pipinsried eine halbe Stunde später "viel Glück auf dem Weg zum Aufstieg." Hürzeler ließ das so stehen.

© SZ vom 29.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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