Euroleague:Doppelter Genickbruch

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Müde Krieger: Was die Münchner Vladimir Lucic und Greg Monroe (von links) im Spiel gegen Vitoria sehen, gefällt ihnen gar nicht. Nun geht es zum Titelfavoriten nach Barcelona. (Foto: Oryk Haist/imago)

Die Bayern-Basketballer lassen bei der 70:81-Heimniederlage gegen Vitoria weiter Kraft. Keine gute Nachricht vor dem Freitagsgastspiel in Barcelona.

Von Ralf Tögel, München

Vladimir Lucic trottete mit gesenktem Haupt in die VIP-Lounge. Es zählt zu den Aufgaben von Profisportlern, dass sie sich sehen lassen bei Fans und Sponsoren, Autogramme schreiben, Small Talk halten. Kundenpflege also. Auf dem Weg dorthin wollte der Serbe aber nichts sagen. Gerade hatten die Basketballer des Tabellenvorletzten FC Bayern in der Euroleague die nächste Heimniederlage kassiert, 71:80 gegen Baskonia Vitoria-Gasteiz, einen Gegner, der an diesem Mittwoch allenfalls Mittelmaß darstellte. Lucic hatte einen schwarzen Tag erwischt, vier Pünktchen bei acht Versuchen sind ein Wert, der nicht zum Können des 30-Jährigen passt. Es gibt kuschligere Momente, sich mitzuteilen.

Dabei ist Lucic ein Spieler, der den Unterschied machen kann, das hat er schon oft bewiesen Dann jubeln sie ihm im Audi Dome zu, dann macht der Beruf Spaß. Gegen den spanischen Gast blieb das Amüsement im überschaubaren Bereich, was sich auf die 4345 Zuschauer übertrug. Lucic mühte sich knapp 30 Minuten lang, dem Spiel konnte er aber keine Impulse geben.

Man muss dem Serben zugestehen, dass er sich seit Wochen mit allerlei Blessuren herumschlägt, die nur oberflächlich auskuriert werden können, mehr Zeit bleibt bei dem gerafften Spielplan nicht. Was nicht nur auf Lucic zutrifft. Nihad Djedovic, ein Kollege mit ähnlich großer Bedeutung für den deutschen Meister, fehlte wegen einer Sprunggelenkverletzung. Kürzlich gab auch der Deutsch-Bosnier zu, dass er ob der andauernden Beschwerden reichlich genervt ist, an eine kontinuierlich abzurufende Bestform sei nicht zu denken. Scharfschütze Petteri Koponen musste ebenfalls passen, der Oberschenkel.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kollegen nicht in der Lage sind, in die Bresche zu springen. Josh Huestis etwa, der US-Amerikaner mit NBA-Prädikat, wird der damit verbundenen Erwartung selten gerecht. Auch die Spielmacher-Position bleibt eine Schwachstelle. Zwar zählte Maodo Lo zu den Lichtblicken im Team und war mit 16 Punkten zweitbester Werfer, was sich aber meist aus Einzelaktionen speiste. Dem Spiel konnte er ebenso wenig Struktur geben wie T.J. Bray. Der war ein halbes Jahr verletzt, sollte aber zeitnah zur Form der Vorsaison aufschließen, denn weder Zan Sisko noch Diego Flaccadori zeigten Euroleague-Format. Verlässlichster Punktesammler war erneut Center Greg Monroe, der 18 Zähler beitrug, das Spiel der Münchner aber auch hemmte. Denn die Kollegen verließen sich zu sehr auf die Künste des NBA-Spielers, viel mehr als ihn unter dem Korb zu suchen, fiel ihnen nicht ein. In der Abwehr wirkte der 2,11-Meter-Hüne gegen die flinken Spanier oft hölzern und langsam. Freilich darf man nicht vergessen, dass es sich in der Euroleague um Europas Elite handelt, Vitoria bestraft Fehler konsequenter als Crailsheim. Es ist aber die Spielwiese, die der FCB zu seiner liebsten erklärt hat. Jammern gilt nicht.

In Barcelona ist außer dem Wiedersehen mit Ex-Trainer Pesic wenig Nettes zu erwarten

Trainer Oliver Kostic flüchtete sich folglich in ein paar Allgemeinplätze. Er war mit "Einsatz und Kampf" zufrieden, Grundlagen, die man bei einem Profi voraussetzen darf. Dann zählte er die Defizite im Spiel seines Teams auf - und diese Liste geriet ungleich länger. Schwaches Umschaltspiel nach Ballverlusten, schlechtes Reboundspiel und viel zu viele Fehler. Immer wieder wurden Bälle ins Nichts gepasst, freie Würfe vergeben, Bälle in die Arme des Gegners gespielt. Kapitän Danilo Barthel drückte es so aus: "Wenn wir schlechte Phasen haben, reagieren wir manchmal zu kopflos, das beeinflusst die Abwehrarbeit. Und ist dann der doppelte Genickbruch." Bleibt die Frage, wie die Bayern ihren Hals aus der Schlinge ziehen wollen, angesichts der Tatsache, dass es im internationalen Wettbewerb um nichts mehr geht. Die anstrengenden Reisen und Spiele bleiben, wie jenes am Freitagabend beim FC Barcelona, einem der Titelfavoriten. Außer dem Wiedersehen mit Ex-Trainer Svetislav Pesic ist nicht viel Nettes zu erwarten.

Vielleicht sollten es die Münchner als Üben auf allerhöchstem Niveau sehen, nützliche Basisarbeit an der Wettkampfhärte, wenngleich Barthel diesen Gedanken vehement zur Seite schiebt: "Man hat doch gesehen, dass wir gekämpft haben, wir wollten Gas geben, so denken wir nicht." Kostic jedenfalls freut sich auf das Treffen mit Pesic, der ihm als Assistenten die "besten Trainerjahre meiner bisherigen Karriere" beschert habe. Kostic weiß natürlich unabhängig von den Ergebnissen, "wie viel uns die Euroleague bringt, wir wollen das Beste aus diesem Wettbewerb mitnehmen". Hoffnung sollte ihm geben, dass die Bayern trotz aller Mankos gegen Vitoria bis weit ins letzte Viertel die Chance zum Sieg hatten. Es gab auch lichte Momente im Spiel der Bayern.

Das dürfte die dringlichste Aufgabe von Kostic sein vor dem Besuch bei Barca: die Spieler wieder aufzurichten.

© SZ vom 06.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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