Eishockey:Zur Abwechslung herausgefordert

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Die Münchner Matt Smaby (links) und Torhüter David Leggio (rechts) verrichteten gemeinsame Abwehrschwerstarbeit gegen Växjös Angreifer Sam Marklund. (Foto: Gepa/Imago)

Der deutsche Meister München wahrt gegen Växjö seine Chance auf den erstmaligen Einzug ins Achtelfinale der Champions League. Das 1:1 gegen das schwedische Spitzenteam ist hart erarbeitet - das erkennt auch der Gegner an

Von Christian Bernhard, München

Das größte Kompliment gab es, als das Spiel vorbei und das spärlich gefüllte Münchner Olympia-Eisstadion mehr oder weniger ganz leer war. Der Mann, der es verteilte, war Sam Hallam, 37, Eishockey-Trainer. Schwede. Artig, wie es das Protokoll eben vorsieht, lobte der smarte Skandinavier den Gegner. Zwei Sätze blieben allerdings hängen. Erstens: "Wir haben gewusst, welches Forechecking uns erwartet, aber es war so intensiv, dass es schwierig für uns war." Zweitens: "Wir müssen uns steigern, um zu gewinnen." Der Respekt des Trainers des schwedischen Meisters von 2015 galt dem aktuellen deutschen Titelträger EHC Red Bull München, der sich am Dienstag ein 1:1 gegen die Växjö Lakers, Hallams Team, erkämpft hatte. Vor dem Rückspiel am 11. Oktober haben die Münchner damit ihre Chance gewahrt, erstmals ins Achtelfinale der Champions Hockey League (CHL) einzuziehen.

Nicht nur EHC-Trainer Don Jackson war der Meinung, dass die Partie eine der besten war, die in den vergangenen Jahren in München zu sehen waren. Zwei unterschiedliche Philosophien trafen aufeinander: Auf der einen Seite das nordamerikanisch geprägte, auf Körperlichkeit und Intensität angelegte Spiel des EHC - auf der anderen die Eleganz und feine Technik der Skandinavier. Zum ungewöhnlichen Spielbeginn am Dienstagabend um 18 Uhr waren zwar gerade einmal 2090 Zuschauer als Augenzeugen in der Halle. Die aber sahen Eishockey, wie sie es sonst kaum zu sehen bekommen.

Mit schnellen und präzisen ersten Pässen im eigenen Drittel umgingen die Schweden das gefürchtete Münchner Offensiv-Pressing, das dem Meister in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) viele Scheibengewinne einbringt. Durch ihre Ruhe am Puck befreiten sie sich immer wieder aus brenzligen Situationen. Besonders auffällig war die Geduld, mit der die Skandinavier ihr Aufbauspiel aufzogen. War die neutrale Zone vom EHC besetzt, drehten die Gäste eben ab und begannen ihren Spielzug im eigenen Drittel neu. Nur in den seltensten Fällen spielten sie die Scheibe tief ins Münchner Drittel - wie es in der DEL gang und gäbe ist. "Wir hatten nicht so viel Raum, wie man es in der Liga gewohnt ist", sagte Nationalstürmer Yannic Seidenberg. Außerdem sei "alles ein bisschen schneller" als sonst geschehen. "Für uns war es defensiv sehr schwer", fand Dominik Kahun, dem die temporeiche Partie "großen Spaß" gemacht hatte. "Sie haben einen guten Job gemacht, vor allem mit der Scheibe. Wir mussten defensiv viel mehr aufpassen als in der DEL."

Der EHC hielt mit Härte dagegen. Bisweilen übertrieb er es, so wie in Minute sieben, als Mads Christensen nach einem Bandencheck gegen Lakers-Verteidiger Calle Rosen eine Spieldauerdisziplinarstrafe kassierte. Rosen blieb einige Minuten auf dem Eis liegen, konnte dann aber selbst in die Kabine gehen. "Wir wussten, dass wir in deren Gesichtern sein müssen", sagte Jackson und meinte damit: Immer schön eng am Mann sein, den läuferisch top-ausgebildeten Schweden bloß keinen Schritt Vorsprung gewähren. Das gelang den Münchnern insgesamt gut, speziell im Mitteldrittel bestimmten sie die Partie. "Das zweite Drittel war ziemlich dominant von uns", konstatierte Jackson. Auch die Schuss-Statistik am Ende des Spiels sprach mit 40:32 für seine Mannschaft.

Nach einem starken Überzahlspiel des EHC, in dem Goalie Victor Andrén die Skandinavier mit zum Teil sensationellen Paraden vor einem Gegentor bewahrte, fand Jason Jaffray 15 Sekunden vor der zweiten Drittelsirene Jerome Flaake vor dem Tor - und der mit vier DEL-Treffern derzeit gefährlichste EHC-Stürmer machte im fünften CHL-Spiel sein drittes Tor zum 1:1-Ausgleich (40.). Der im Sommer aus Hamburg gekommene Angreifer war der auffälligste Münchner Stürmer. Immer wieder zog er auf direktem Weg zum Tor und stellte die schwedischen Verteidiger vor Probleme. Flaake fand, "dass wir uns ganz gut gehalten haben" - und hatte damit recht.

Vor dem Rückspiel am kommenden Dienstag in Schweden bekommen es die Münchner noch mit zwei Liga-Schwergewichten zu tun. Am Freitag empfängt der EHC die Nürnberg Ice Tigers, am Sonntag wartet Mannheim. Nicht mit dabei sein werden dann Verteidiger Florian Kettemer und Stürmer Frank Mauer. Beide haben sich am vergangenen Wochenende Beinverletzungen zugezogen und kehren nach Klubangaben frühestens nach der Deutschland-Cup-Pause Mitte November zurück. Darüber unterhielten sich Jackson und Hallam nicht, als sie sich nach der Pressekonferenz austauschten. Dabei fielen oft die Wörter "interessant" und "spannend". Es war deutlich zu spüren: Beide hätten nichts dagegen, öfters solche Spiele zu analysieren.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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