Eishockey:Wildwest ohne Schießeinlagen

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Hauptdarsteller unter sich: Daryl Boyle (re.) trifft vorne, Danny aus den Birken hält hinten - bis zum letzten Penalty. (Foto: Imago/Eibner)

Weil die Offensive des EHC München erneut wenig zustande bringt, wird auch die Partie in Hamburg erst durch Penaltys entschieden. Dabei verliert das Team von Don Jackson seine Tabellenführung

Von Christian Bernhard, München

Danny aus den Birken hat am Dienstag wieder jede Menge Gelegenheit zum Lesen bekommen. Nicht im klassischen Sinne mit einem Buch in der Hand, sondern auf dem Eis. Mit Torwartkelle und Fanghandschuh. Der Goalie des EHC München sagt, das Torhüter-Dasein habe "viel mit Lesen und Geduld zu tun". Nirgendwo trifft das mehr zu als beim Penaltyschießen. Und in diesem Bereich konnte sich aus den Birken in den vergangenen Tagen intensiv weiterbilden. Nachdem er am Sonntag beim Münchner 2:1-Sieg alle drei Penaltyschützen der Iserlohn Roosters gestoppt hatte, stand er am Dienstagabend erneut als einziger seiner Mannschaft auf dem Eis, blickte Richtung Mittelkreis und wartete darauf, dass sich ein Gegner alleine in Richtung Münchner Tor aufmachte.

Diesmal in Hamburg - aber ohne das bessere Ende für sich zu haben. Aus den Birken wehrte zwar zwei Penaltys der Hamburg Freezers ab, doch Nationalspieler Thomas Oppenheimer überwand ihn gleich zweimal und besiegelte so die erste Münchner Auswärtsniederlage seit dem 10. Januar. Damit musste der EHC, der nun elf seiner letzten zwölf Spiele in Hamburg verloren hat, die Tabellenführung in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) nach zwei Spieltagen wieder an die Eisbären Berlin abgeben, die gegen den Tabellenletzten Krefeld zwar in die Verlängerung mussten, dort aber das bessere Ende für sich hatten.

Penaltyschießen ist für die Eishockeyspieler das, was für Revolverhelden im Wilden Westen das Duell war. High noon. Mann gegen Mann. Ein Sieger, ein Verlierer. Es gehe darum, "wer zuerst zuckt", erklärt aus den Birken. Beim Thema Penaltyschießen gehen die Meinungen der Beteiligten oft auseinander. Einige Trainer und Spieler bezeichnen es als Glücksspiel, andere, wie Jari Pasanen, sehen es anders. "Viele sagen, es ist Glück und Pech. Ich sage, es ist Können", betont der Iserlohner Chefcoach. Die Münchner haben in dieser Disziplin jedenfalls Luft nach oben. Im achten Penaltyschießen der Saison verließen sie das Eis zum fünften Mal als Verlierer.

"Schade", fand EHC-Trainer Don Jackson nach dem 1:2, bei dem die Münchner dank Daryl Boyles Überzahltreffer in Führung gegangen waren (34.). Trotz der Niederlage war er mit einem Aspekt zufrieden: Defensiv habe sein Team sehr gut gespielt, fand Jackson - und die Statistik gab ihm recht. In den drei Spielen seit der Ligapause haben die Münchner nur zwei Gegentore bekommen, mehr als zwei Gegentore in einer Partie gab es vor mehr als einem Monat beim 6:4-Erfolg in Augsburg.

Wie schon gegen Iserlohn haperte es in Hamburg in der Offensive. Daniel Sparre vertrat den erkrankten Mads Christensen in der Top-Angriffsreihe neben Dominik Kahun und Kapitän Michael Wolf, der als einziger Münchner im Penaltyschießen erfolgreich war. Bis auf einige starke Minuten im Mitteldrittel erarbeitete sich der EHC kaum nennenswerte Tormöglichkeiten. Im Schlussdrittel gab er gar nur zwei Torschüsse ab. "Wir haben zu wenig Torchancen kreiert", sagte Uli Maurer, Yannic Seidenberg meinte lapidar: "Das war nicht unser bestes Spiel." Trotzdem können die Münchner schon die Viertelfinal-Planungen starten. Sollte Mannheim in Ingolstadt nicht gewinnen (das Spiel war bei Redaktionsschluss nicht beendet), hat der EHC bereits fünf Spieltage vor Ende der Hauptrunde einen Viertelfinalplatz sicher.

Das vorletzte Hauptrunden-Wochenende führt den EHC an diesem Freitag (19.30 Uhr) zu den Schwenninger Wild Wings. Obwohl die Schwenninger als Vorletzte praktisch seit Wochen nur noch um die Ehre spielen, haben sie zuletzt einigen Playoff-Anwärtern ein Bein gestellt. Fünfmal gewannen sie in den vergangenen acht Partien, unter anderem gegen Iserlohn und Meister Mannheim. Auch der EHC musste sich dem Team des ehemaligen Münchner Co-Trainers Helmut de Raaf in dieser Saison bereits zweimal beugen, zuletzt Ende Dezember beim 2:4 in Schwenningen. "Wir sind schon einmal in Schwenningen ausgerutscht, das darf uns nicht noch einmal passieren", unterstreicht Maurer. Aus den Birken wird die Gegner dann aller Voraussicht nach nur von der Bank aus lesen können. Nach Jacksons Torhüter-Rotationsprinzip ist bei den Wild Wings wieder David Leggio dran.

© SZ vom 25.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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