Eishockey:Spät geblendet

Lesezeit: 3 min

Drangeblieben: Hier bejubelt die vierte Tölzer Reihe mit Daniel Merl den Ausgleich zum 1:1. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Tölzer Löwen erobern trotz zweimaligen Rückstands mit 4:3 nach Verlängerung den Auftaktsieg im Playoff-Halbfinale. Nun müssen sie ins düstere Sonthofner Stadion.

Von Andreas Liebmann, Bad Tölz

Axel Kammerers Miene wirkte versteinert, ernst. Irgendwie angestrengt. Vielleicht hörte er einfach nur konzentriert zu, wie Sonthofens Coach Heiko Vogler das vorausgegangene erste Halbfinalspiel dieser Playoff-Serie resümierte ("ganz hochwertiges Eishockey"). Jedenfalls sah er nicht aus wie ein Trainer, dessen Team soeben mit 4:3 nach Verlängerung einen höchst spannenden und wichtigen ersten Heimsieg eingefahren hatte. Als er dann selbst sein Statement abgeben sollte und ein Journalist tief vor ihm und dem Podium in die Knie sank, um sein Mikrofon nah an Kammerers Lippen zu strecken, ohne dabei dem Publikum im Weg zu stehen - da platzte es angesichts dieser Verrenkung doch heraus: Kammerers breitestes Grinsen. Die Partie hatte ihn mitgenommen, aber er war bester Laune. "Es war ein spektakuläres Spiel", bilanzierte er, "mehr kannst du eigentlich nicht erwarten."

2655 Zuschauer hatten sich in der Hacker-Pschorr-Arena eingefunden, die meisten sicherlich in der Erwartung, dass die Serie gegen Sonthofen für den Hauptrundenersten ein ähnlich schneller Durchmarsch werden würde wie die Serien gegen Landshut und Hannover zuvor. Weshalb Kammerer schon seit Tagen gewarnt hatte, schließlich hat jener Gegner, den die Tölzer Löwen zu Saisonbeginn zweimal vernichtend geschlagen hatten, nur noch wenig mit den damaligen Bulls zu tun. Seit einem Trainerwechsel waren sie immer stabiler geworden und hatten sich mittels Förderlizenzspielern deutlich verstärkt, in der Abwehr etwa durch Maximilian Kolb und Simon Sezemsky. Kammerer nutzte nun auch diese Pressekonferenz, um zu betonen, dass sein Team auf einen "sehr sehr sehr starken Gegner" getroffen sei. "Sonthofen hat eine Top-Mannschaft, die machen sich bloß immer kleiner, als sie sind."

Wer im Stadion noch Zweifel an dieser Darstellung hatte, den belehrte Charlie Taft eines Besseren: Der ehemalige Klosterseer Stürmer setzte sich durch und erzielte mit einem "Sonntagsschuss" (Kammerer) das frühe 0:1 (3.) . Da hatten noch gar nicht alle Zuschauer ihre Plätze gefunden, auch die Tölzer Spieler wirkten noch etwas unvorbereitet. Und im Tor stand nicht etwa Routinier Markus Janka, der am späten Nachmittag wegen einer fiebrigen Erkältung abgesagt hatte ("eine Oberkörperverletzung", wie Kammerer scherzhaft ergänzte), sondern Anian Geratsdorfer, 24. Trotz dieses schwer zu haltenden 0:1 lobte ihn Kammerer später: "Er ist ins kalte Wasser geworfen worden und hat seinen Mann gestanden. Eine absolute Top-Leistung." Erst allmählich fingen sich die Gastgeber. Ausgerechnet ihre vierte Reihe erzwang den Ausgleich: Dominik Walleitner

behauptete die Scheibe, Maximilian Hörmann traf zum 1:1 (12.). Erneut Hörmann, Stefan Reiter und Jordan Baker kamen zu weiteren Chancen, ERC-Schlussmann Patrick Glatzel aber zeigte seine Klasse. Gegen Drittelende bekam Reiter dann einen Stock ins Gesicht und blutete, Kammerer forderte jedoch vergeblich eine Spieldauerstrafe. "Eigentlich hätten es die Schiedsrichter sehen müssen, und dann ist die Regel klar", argumentierte er.

Auch die folgenden beiden Drittel endeten 1:1. Wieder ging Sonthofen in Führung, Chris Stanley traf den Pfosten, die abprallende Scheibe versenkte Martin Guth (30.). Taft vergab noch eine Doppelchance, die Führung auszubauen. Doch kurz vor der Sirene machte die dritte Tölzer Reihe mit Hannes Huß, Julian Kornelli und Franz Mangold Druck: Mangold traf nach Huß' gewonnenem Zweikampf im eigenen Drittel und einer Mehrfachchance zum 2:2. Und unmittelbar nach der Pause nutzte Stefan Reiter eine Tölzer Überzahl, um den schnell von der Bande hinter dem Tor zurückprallenden Puck krachend ins Kreuzeck zu jagen. "Traumtor", fand Kammerer.

Tölz war nun am Drücker, Glatzel parierte mehrmals, besonders sehenswert gegen den heranrauschenden Baker - doch dann traf Sonthofen durch einen abgefälschten Schuss zum 3:3 (48.). In der Verlängerung dominierten die Gäste. "Ich hatte schon überlegt, eine Auszeit zu nehmen", berichtete Kammerer - doch dann bekam Tölz nach gestopptem Konter einen Penalty zugesprochen (den Glatzel gegen Baker parierte), und schließlich versenkte Klaus Kathan die Scheibe unbedrängt (65.).

"Wir sind keine Übermannschaft", betonte Kammerer später erneut und attestierte seinem Team eine "Riesenleistung", trotz einer phasenweise ungewohnten Fehlerhäufung. "Man muss immer mal wiederholen, dass wir weit über unsere Verhältnisse spielen." Beim Gedanken an das zweite Duell an diesem Donnerstag (20 Uhr) in Sonthofen beschlich ihn eine düstere Vorahnung. "Wart ihr heute geblendet, weil es bei uns so hell ist", fragte er seinen ERC-Kollegen Vogler, und grinste noch etwas breiter, als er den Zuhörern erklärte: "Die haben nämlich das dunkelste Stadion Deutschlands."

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: