Eishockey:Sheriff unter Anklage

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Nach seiner Attacke gegen den Wolfsburger Sebastian Furchner steht Münchens Angreifer Steve Pinizzotto in der Kritik - nicht zum ersten Mal. So laut wie diesmal war sie aber noch nie.

Von Christian Bernhard, München

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Prügelproll, Provokateur - oder einfach nur ein Profi? Steve Pinizzotto kloppt sich mit Straubings Colton Jobke, ...

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... rückt Wolfsburgs Torhüter Felix Brückmann auf die Pelle ...

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(Foto: Tobias Hase/dpa)

... und mischt sich bei der Meisterfeier unter die Fans. Pinizzotto spielt viele Rollen. Privat sei er ein humorvoller Typ, sagen die, die ihn kennen.

Was Skandale angeht, macht Keith Richards so schnell keiner etwas vor. Der Gitarrist der Rolling Stones hat in den vergangenen Jahrzehnten nichts ausgelassen, nicht wenige sehen es als Wunder an, dass der 73-Jährige trotz seines exzessiven Lebensstils noch lebt. Von der glamourösen Welt des Rock 'n' Roll eine Brücke zur Deutschen Eishockey Liga (DEL) zu schlagen, ist nicht einfach. Wenn, dann ist es am ehesten Steve Pinizzotto, Angreifer des EHC Red Bull München, zuzutrauen, dass er sich einst Richards' Skandal-Bilanz annähern könnte. Immerhin verkündete der 33-Jährige kürzlich über die sozialen Netzwerke, dass er sich nach dem Besuch des Stones-Konzerts in München die Biografie von Richards zu Gemüte führen wolle.

Geredet wird über den "Sheriff vom Oberwiesenfeld" dieser Tage aber nicht wegen seiner Lektüre. Ins Gerede kam Pinizzotto, weil er wieder einmal zugeschlagen hat. Im wahrsten Sinn des Wortes. Am vergangenen Sonntag bei den Grizzlys Wolfsburg streckte der Münchner seinen Gegenspieler Sebastian Furchner in der Verlängerung von hinten mit dem Schläger nieder, traktierte ihn dann auf dem Boden weiter und - als Wolfsburg in diese Szene hinein zum 4:3-Sieg getroffen hatte - versetzte ihm schließlich noch einen Faustschlag gegen den Kopf. Anschließend war Pinizzotto von den Unparteiischen kaum zu bändigen. Er reklamierte und provozierte, bis sich die Strafen auf eine Spieldauer summierten. "Gemeingefährlich", fand Wolfsburgs Manager Charly Fliegauf Pinizzottos Ausraster.

Der 56-Jährige, ein DEL-Veteran der ersten Stunde, legte in der Wolfsburger Allgemeinen nach: "In meiner Mannschaft würde solch eine Type nicht spielen, nicht mal wenn er umsonst spielt, nicht mal, wenn er Geld mitbrächte! So einer sollte keine Plattform haben. Das ist respektlos und zeigt, welchen Charakter dieser Spieler hat." Er hoffe, so Fliegauf, dass sowohl die Liga als auch der EHC reagierten. Eine Sperre blieb vorerst aber aus - sowohl die Liga als auch der Verein kündigten zunächst keine weiteren Schritte an.

Es war nicht das erste Mal, dass Pinizzotto auffällig wird. Er ist als tough guy bekannt, einer, der das Spiel sehr körperlich interpretiert und bei Gelegenheit auch zulangt. Mannheims Denis Reul brach er bei seinem Liga-Debüt den Unterkiefer, auch mit den Straubingern Mike Cornell, Colton Jobke und Sean O'Connor lieferte sich der ehemalige NHL-Profi Faustkämpfe. Gegen die Grizzlys Wolfsburg pflegt er offenbar eine besondere Beziehung. Im Playoff-Finale 2016 provozierte Pinizzotto die Wolfsburger Bank nach seinem entscheidenden Treffer, diesmal das Wolfsburger Publikum bei seinem Abgang. München hat die beiden jüngsten Finalserien gegen die Grizzlys gewonnen.

Statt abzuebben, schaukelte sich die Welle der Empörung über Pinizzottos Verhalten, die von Wolfsburg aus südwärts rollte, auf ihrem Weg durch die Republik in den vergangenen Tagen weiter hoch. Auch beim EHC war man über Pinizzottos Verhalten nicht erfreut - öffentlich wollte der Klub seinen Spieler aber nicht an den Pranger stellen. "Diese Dinge werden bei uns intern besprochen", sagte Manager Christian Winkler. Pinizzotto selbst äußerte sich nicht zu dem Vorfall, auch Furchner wollte nichts dazu sagen. Grizzlys-Stürmer Brent Aubin, der in der Saison 2012/13 in München gespielt hat, forderte indes Konsequenzen: "So kann das nicht weitergehen."

Gegen Iserlohn und Berlin sind erstmals Konrad Abeltshauser und Jerome Flaake dabei

Fliegauf wollte vor dem dritten DEL-Wochenende nicht weiter nachlegen. Er habe alles dazu gesagt. Was er dann doch noch sagte: Er habe nichts gegen hartes Spiel. "Aber so etwas hat im Eishockey nichts verloren." Die Wolfsburger verzichteten auf eine offizielle Anzeige der Szene bei der Liga. Anscheinend erhofften sie sich wenig davon. Die Liga selbst zog den Stürmer nicht aus dem Verkehr. Pinizzotto wird erst einmal nicht gesperrt, er steht dem EHC am Freitag in Iserlohn (19.30 Uhr) und im Heimspiel gegen die Eisbären Berlin am Sonntag (14 Uhr) zur Verfügung. Mit dabei sind dann auch erstmals in dieser DEL-Saison die bislang verletzten Konrad Abeltshauser und Jerome Flaake.

Völlig ungeschoren scheint Pinizzotto freilich nicht davonzukommen. "Wir sind eingeschaltet", sagte Jörg von Ameln, Spielbetriebs-Leiter der DEL. Von Ameln ließ durchklingen, dass die Liga die Möglichkeit einer unkonventionellen Vorgehensweise prüfe, um im Wiederholungsfall aktiv werden zu können. Pinizzotto kann derweil weiter an seiner Bilanz arbeiten. In der Statistik belegt er mit 24 Strafminuten in drei Spielen Rang drei - den Saisonauftakt verpasste er wegen einer Sperre für eine Tätlichkeit aus dem Finale 2017 gegen Wolfsburg. Die in dieser Rubrik Führenden Milan Jurcina (Nürnberg) und Berlins Sean Backman (Berlin/jeweils 27) sind gewissermaßen in Schlagdistanz.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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