Eishockey:Saurer Riese

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Nach der dritten Niederlage in Serie reißt der Geduldsfaden von EHC-Trainer Don Jackson, der keine Ausreden akzeptiert und sich in einer Wutrede Luft macht. Die Verletztenmisere hält dagegen auch vor dem Spiel in Iserlohn an

Von Christian Bernhard, München

Don Jackson ist, anders als es seine beeindruckende Statur vielleicht vermuten lässt, die Freundlichkeit in Person. Höflich, zuvorkommend, respektvoll: Selten traf die Bezeichnung "gutmütiger Riese" so gut zu wie auf den 1,91 Meter großen und wuchtigen Mann aus Minnesota, der als Verteidiger zusammen mit Eishockey-Legende Wayne Gretzky den Stanley Cup gewann, mit den Eisbären Berlin als Cheftrainer fünfmal deutscher Meister wurde und seit dieser Saison den EHC München trainiert. Teil seines zutiefst freundlichen Wesens ist es auch, dass er auf den Spieltags-Pressekonferenzen Deutsch spricht, obwohl sein Deutsch nicht wirklich gut ist.

Am Sonntagabend war es allerdings vorbei mit dem Deutschreden. Jackson sprach Englisch und kündigte auch gleich an, wieso: "I am so pissed off", sagte er, was man nicht wörtlich übersetzen muss. Er war sauer. Stinksauer. Und da spricht es sich eben leichter in der Muttersprache. Sein EHC hatte 2:3 gegen die Düsseldorfer EG verloren, es war die dritte Niederlage in Serie in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). Das führte dazu, dass Jackson erstmals in dieser Saison seine Fassung verlor, was sich bei ihm indes immer noch um einiges stilvoller abspielte als bei so manchem EHC-Trainer in der Vergangenheit.

Jacksons Lieblingsbegriff des Abends war "inakzeptabel", er verwendete ihn im Bezug auf die Niederlagenserie, den "defensiven Zusammenbruch" seiner Mannschaft und die "Fehler gegen Ende des Spiels". Die vielen Ausfälle, am Sonntag waren es deren neun gewesen, ließ Jackson nicht als Ausrede gelten. "Das ist keine Entschuldigung", betonte er. Jackson hatte seine Spieler ins Visier genommen, aus dieser Nummer gab es kein Entkommen.

Erste Anflüge von Unzufriedenheit waren am Donnerstag zu erkennen gewesen, nach der 1:2-Niederlage in Hamburg hatte Jackson, ohne Namen zu nennen, "ein, zwei Spielern" Leistungen unter ihrem Niveau beschieden. Am Sonntag explodierte des Trainers angestauter Frust dann förmlich. Am Ende des Gesprächs entschuldigte Jackson sogar bei den Journalisten für seine schlechte Laune.

Bei seinen Spielern konnte er sie nicht loswerden, denn die hörten am Sonntag nichts mehr von ihm. Er hatte nicht nach der Partie mit ihnen gesprochen und wollte es auch nach der Pressekonferenz nicht tun. Erst am Tag darauf, "wenn ich etwas Intelligentes zu sagen habe", kündigte der EHC-Coach an. Eine analytische Ansprache war mit seinem aufgeheizten Gemütszustand nicht mehr vereinbar. Schon an den Stimmlagen jener Spieler, die sich zur Partie äußerten, war zu erkennen, dass sie wohl schon ahnten, dass ihnen kein angenehmer Montag bevorstehen würde.

Dieses Mal auf Englisch: Beim Schimpfen bleibt der amerikanische EHC-Coach Don Jackson lieber bei seiner Muttersprache. (Foto: imago/Buthmann)

Passend zum gebrauchten EHC-Sonntag trudelte am Montag die Meldung vom nächsten verletzten Spieler ein: Evan Brophey zog sich gegen die DEG eine Oberkörperverletzung zu und fällt nach Vereinsangaben mindestens für die kommenden zwei Partien aus. Genaueres wollte der Klub nicht mitteilen.

47 Schüsse - mehr als doppelt so viele wie die Düsseldorfer (21) - hatten die EHC-Spieler am Sonntag auf das Gästetor abgegeben, mehr als die Treffer von Mads Christensen zum zwischenzeitlichen 1:1 (19.) und von Daryl Boyle, drei Sekunden vor Spielende, sprangen dabei aber nicht heraus. Immer wieder stand ihnen eine Wand namens Tyler Baskorowany im Weg. Der 24-jährige Kanadier, der zu Saisonbeginn noch keinen Vertrag hatte und nur aufgrund der Verletzung von Bobby Goepfert nach Düsseldorf geholt worden war, unterstrich eindrucksvoll, warum er die beste Fangquote aller DEL-Torhüter vorzuweisen hat. Dank seiner Galavorstellung in München beträgt sie nun stolze 93,3 Prozent. Die erste Negativserie der Saison verändert auch die Perspektive des EHC, der zwar Tabellenzweiter bleibt, aber mittlerweile zehn Punkte Rückstand auf Tabellenführer Mannheim hat. Der war vor zehn Tagen noch als EHC-Verfolger zum Spitzenspiel nach München gekommen. Der Blick ist nun erst einmal nach hinten gerichtet, Meister Ingolstadt und Vorjahres-Hauptrundensieger Hamburg liegen punktgleich auf Rang drei und sind bis auf sechs Zähler an die Münchner herangerückt.

Um sich der Verfolger zu erwehren und wieder Selbstvertrauen zu tanken, braucht das Jackson-Team am Dienstag einen Sieg bei den Iserlohn Roosters (19.30 Uhr). Gegen die Sauerländer, die den EHC vergangene Saison schon in den Pre-Playoffs ausgeschaltet hatten, verloren die Münchner das erste Saisonduell knapp (1:2 nach Verlängerung), ehe sie die zweite Partie klar mit 8:1 für sich entschieden. So einfach dürfte es am Dienstag nicht werden, die Roosters haben die letzten vier Heimspiele gewonnen und dabei nur fünf Gegentore kassiert.

EHC-Verteidiger Benedikt Brückner erwartet "wieder eine enge Partie" und hat ein kluges Konzept vor Augen: "Wir müssen wieder kämpfen, uns Chancen herausspielen, die Tore vorne dann machen und hinten verhindern." Klingt verblüffend einfach. Klingt nach dem gutmütigen Riesen aus Minnesota.

© SZ vom 23.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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