Eishockey:Raus mit Applaus

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Der EHC erarbeitet sich mühsam zwei Punkte gegen die Schwenninger Wild Wings. Die Stimmung im Stadion ist trotzdem grandios, und das liegt nicht zuletzt an zwei ehemaligen Münchnern

Von Christian Bernhard, München

Es krachte im Presseraum des Münchner Olympia-Eissportzentrums, mehrmals klatschten kräftige Hände auf die nicht minder kräftigen Schultern von Pat Cortina. So viele Schulterklopfer in so kurzer Zeit hat der kleine, schmucklose Raum wohl noch nie gesehen. Cortina hatte die Pressekonferenz am Dienstagabend mit den Worten "Ich freue mich sehr, hier zu sein" begonnen. Das hätte er sich sparen können. Sein ganzer Körper, sein entspanntes Lächeln, als er als "Gästecoach" vorgestellt wurde, alles an ihm signalisierte: Schön, wieder hier zu sein. Das lag zum einen an dem Punkt, den die Schwenninger Wild Wings, Cortinas Team, nach dem 1:2 nach Verlängerung beim EHC Red Bull München mitnehmen durften. Noch viel mehr aber daran, dass er zurück in seiner Eishockey-Wellness-Oase war.

Oh happy day: Uli Maurer erzielte das 1:1 für Schwenningen. Von den Münchner Fans wurde der ehemalige EHC-Profi trotzdem gefeiert. (Foto: Foto2Press/Imago)

Cortina war erstmals in seiner langen Trainer-Karriere als Gegner nach München gekommen, dementsprechend emotional wurde es für den 52-Jährigen, der den EHC in sieben Spielzeiten trainiert und 2010 in die Deutsche Eishockey Liga (DEL) geführt hat. Schon eine Stunde vor der Partie umarmte er vor der Kabine ehemalige Münchner Weggefährten. Manager Christian Winkler, sein engster Vertrauter, ging Arm in Arm mit ihm über das Eis. Beide strahlten über beide Ohren. Im Spiel sah Cortina dann das, was er seit jeher von seinen Mannschaften erwartet: diszipliniertes und strukturiertes Defensiv-Eishockey. Der EHC biss sich daran auch deshalb die Zähne aus, weil er nach der 1:0-Führung durch einen abgefälschten Schlagschuss von Matt Smaby (27.) zu siegessicher war. "Das war vielleicht nicht das beste Eishockey-Spiel" heute Abend, sagte Cortina - und lächelte versonnen. Genau das bezweckte der ehemalige Bundestrainer nämlich mit seiner Spielweise: Cortina-Eishockey soll den Gegner zermürben, nicht den Event-Zuschauer begeistern. Am Ende der Presserunde winkte Cortina in den Raum - und verließ ihn mit einem lauten "Tschüss". Das Lächeln trug er immer noch in seinem Gesicht.

Geliebter Gegner: Pat Cortina, der den EHC in die DEL führte, kam erstmals als "Gästecoach" nach München. Er wurde warm empfangen. (Foto: Buthmann/imago)

Uli Maurer war in diesem Moment ebenfalls um eine alles andere als alltägliche Erfahrung reicher. Der Angreifer, der den EHC am Ende der vergangenen Meister-Saison nach insgesamt sechs Jahren in Richtung Schwenningen verlassen hatte, wurde bereits vor dem Spiel empfangen, als wäre er noch immer Teil des EHC. "Mit der 77", rief Stadionsprecher Stefan Schneider bei der Mannschaftsvorstellung ins Mikrofon und zog den letzten Vokal in die Länge: "Ulliii . . .". Und die EHC-Kurve antwortete so wie früher lautstark: "Mau-rer!" Im Spiel beschenkte sich der 31-Jährige dann selbst. Als der EHC im Schlussdrittel nicht zwingend auf das 2:0 spielte, hielt Maurer seinen Schläger in einen Schuss von der Blauen Linie (54.) und rettete die Schwenninger damit in die Verlängerung. Böse waren ihm die Münchner Fans deshalb nicht, sie feierten ihn direkt nach der Partie mit Sprechchören und riefen ihn, als die Münchner Spieler ihre Ehrenrunde beendet hatten, noch einmal allein zu sich. "Das ist was ganz Besonderes", sagte Maurer, "diese Ehre hat nicht jeder Spieler."

Maurer, der treue Arbeiter, verkörpert gewissermaßen den alten EHC, den Geist der Prä-Red-Bull-Ära. Die Leistung seiner neuen Mannschaft hatte ihm indes in den ersten zwei Dritteln überhaupt nicht gefallen. Aber "schee is' scho mit dem Tor". Die Nudeln auf seinem Plastikteller wurden kälter und kälter, als Maurer draußen vor der Halle einer Traube von Journalisten noch ausgiebig seinen speziellen Arbeitstag schildern sollte. Dass das nicht in wenigen Worten ging, war klar, der Schwenninger Busfahrer begann irgendwann zu hupen, als Maurer als Letzter noch schnell an Bord sprang. Zurück in den neuen Alltag.

Münchens Trainer Don Jackson hatte, Gentleman der er ist, für beide Protagonisten des Abends warme Worte parat. Nicht aber für seine Mannschaft. "Ich bin ein bisschen sauer", sagte er, "das war heute zu wenig." Jackson war mit dem offensiven Zweikampfverhalten und der Chancenverwertung seines Teams alles andere als zufrieden. Daran änderte auch Deron Quints zweites wichtiges Tor innerhalb von drei Tagen zu Beginn der Verlängerung nichts. Allen Münchnern war klar, dass sie unnötig einen Punkt hatten liegen lassen. "Wir hätten drei Punkte holen können, dann wäre ich zufrieden gewesen", betonte Torhüter Danny aus den Birken. "Ich sage nicht, dass wir nicht gearbeitet haben", erklärte Jackson. "Ich sage, wir haben nicht smart gearbeitet." Das lag womöglich auch daran, dass die Wild Wings definitiv nicht zu den Glamour-Teams der Liga zählen.

Auf weitere Cortina-Eishockey-Erlebnisse sollte sich der EHC schnell einstellen. Die Gegner am kommenden Wochenende heißen Krefeld und Bremerhaven.

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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