Eishockey-Oberliga:Schmetterling im Rotlicht

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Fünf Spiele, fünf Niederlagen: Für den Tölzer Torhüter Markus Janka, 2014 deutscher Meister mit dem ERC Ingolstadt, noch kein Grund zur Panik

Von Maximilian Ferstl, Bad Tölz

Man kann eine Geschichte über den Eishockeytorwart Markus Janka mit einem Tor beginnen. Einem Tor, das seine Mannschaft, die Tölzer Löwen, schießt. In der Oberliga laufen die letzten Minuten des Derbys gegen Klostersee, es spielt der Tabellenletzte gegen den Vorletzten. Tölz liegt 0:1 zurück und erzwingt, trotz Unterzahl, ein Bully im gegnerischen Drittel. Der Puck landet bei Marek Curilla, der kurvt um das EHC-Tor,und schickt die Scheibe in den Winkel. Alle jubeln, Curilla, die Mitspieler, die gut 900 Fans im Stadion. Nur Markus Janka jubelt nicht. Er schiebt sich die Torwartmaske in den Nacken, nimmt einen Schluck aus der Flasche, säubert das Eis mit dem Schläger. Dann richtet er den Blick nach vorne. Das Spiel geht weiter.

Später sitzt Markus Janka auf einem Stuhl im Massageraum der Hacker-Pschorr-Arena. Er malt mit dem Arm einen Berg-und-Tal-Verlauf in die Luft und erklärt: "Ich bin kein Fan von Achterbahn-Fahrten. Ein Torwart muss ruhig bleiben." Es geht darum, sich nicht zu sehr mitreißen lassen, nicht von Toren, nicht von Gegentoren: "Nie zu hoch, nie zu tief." Das scheint auch in der Niederlage zu gelten. Tölz hat trotz Curillas Tor verloren. Das 1:2 gegen Klostersee ist die fünfte Niederlage im fünften Spiel. Zwei Punkte. Tabellenletzter. Die Tölzer Zuschauer gehen verstimmt nach Hause, sie maulen über ein "Drecksspiel".

Markus Janka steht wenige Minuten nach Spielende schon wieder ganz aufgeräumt da, in Badelatschen, die Kapuze seines Pullovers über den Kopf gezogen. Es braucht mehr als fünf Niederlagen, um Janka die Ruhe zu nehmen. Der 35-Jährige hat 180 Mal in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) gespielt und 2014 mit Ingolstadt die Meisterschaft gewonnen. Im Sommer wechselte er, trotz höherklassiger Optionen, von Schwenningen aus der DEL in die Oberliga Süd. Nach Bad Tölz, weil er nah an seiner Heimat Geretsried sein wollte, bei seiner Frau und den zwei Kindern. Das eigene Haus wurde im Frühjahr fertig, Janka stieg in den Familienbetrieb ein.

Markus Janka präsentiert im Jahr 2014 im Trikot des ERC Ingolstadt den DEL-Meisterpokal. (Foto: Eibner/Imago)

Fünfzehn Jahre lang war er hauptberuflich Torhüter, fing Pucks, warf sich in Schüsse. "Man kann seine Mannschaft nur im Spiel halten, mehr nicht", sagt Janka. Ein Torhüter stellt sich zwischen den Stürmer und sein Ziel. An guten Tagen umgibt ihn eine fast magische Aura, er scheint dann 1000 Hände zu haben, die Fans sprechen ehrfürchtig vom "Hexer". An schlechten Tagen ist er der "Fliegenfänger". Janka war in seiner Karriere beides, "der Grat zwischen Held und Depp ist sehr, sehr schmal", sagt er. Vielleicht sucht er deshalb den Mittelweg. Nie zu hoch, nie zu tief.

Jacques Plante, eine kanadische Torhüter-Legende aus den 60er Jahren, wurde einmal gefragt, ob sein Beruf stressig sei. Plante antwortete mit einer Gegenfrage: "Kennen Sie viele Jobs, bei denen jedes Mal, wenn du einen Fehler machst, ein rotes Licht über deinem Kopf angeht und 15 000 Menschen anfangen zu pfeifen?" Der Stress ist derselbe geblieben, ansonsten aber hat sich das Torwartspiel seit damals grundlegend geändert. Die Zeiten, als Torhüter etwa ein paar Pfunde mehr auf den Rippen hatten, sind vorbei. "Torhüter gehören heute zu den fittesten Spielern", sagt Janka, der ohne seine dick gepolsterte Ausrüstung recht schmal daherkommt.

Ein Zeichen, wie sehr sich die Branche gewandelt hat: "Man muss sich nur die alten Bilder anschauen." An der Wand hängt in einem hölzernen Rahmen ein Bild der Tölzer Mannschaft aus den späten Achtzigern. Schnauz-Bärte, Vokuhila-Frisuren. Janka deutet auf die Beinschoner der Torhüter: "Viel kleiner als heute." Sie reichten kaum über die Knie und waren mit Rosshaar gefüllt, das sich mit Eiswasser vollsog. Auch Janka trug kleine Schoner, als er 1997 den Sprung in die erste Mannschaft des TuS Geretsried schaffte. Er vertraute auf seine Reflexe. Schwenningen wurde auf ihn aufmerksam, im Jahr 2000 holten die Wild Wings Janka in die höchste Spielklasse. Schnell merkte er: "Wenn Profis schießen, bekomme ich Probleme." Er zog größere Beinschoner an. Janka, mit 1,77 Meter nicht der Größte, schlüpfte in einen Brustschutz, der ihn besonders breit wirken ließ.

Mit den Tölzer Löwen ist Markus Janka aktuell Tabellenletzter der Oberliga Süd. (Foto: Harry Wolfsbauer)

In Nordamerika war in den 90er Jahren für Torhüter eine neue Ära angebrochen: Der Kanadier Patrick Roy ließ sich, anstatt aufrecht zu stehen, bei Schüssen auf die Knie fallen und streckte die Beine Richtung Torpfosten. 60 bis 70 Prozent der Tore fielen durch Flachschüsse. Roys Idee: "Man verhindert vermutlich viele, indem man ganz einfach auf die Knie geht." Die Bewegungen erinnern an einen Schmetterling. Der Butterfly-Stil war zwar nicht neu, wurde aber durch Roy zum Standard.

"Auf dieser Philosophie baut das moderne Torwartspiel auf", sagt Janka. "Viele lagen plötzlich nur noch auf den Knien. Manche haben es überspielt." Er selbst begann, sich eine "Mischform" anzueignen und sich einen Namen zu machen. 2002 durfte er als Ersatz-Torhüter mit zur Weltmeisterschaft, eine Rolle, die sich durch seine DEL-Karriere zog. Schwenningen, Kassel, Krefeld, Straubing, Ingolstadt - Janka galt als der beste zweite Torhüter der Liga. "Edel-Back-up" nannte ihn einmal Jürgen Pfundtner, der damalige Sportliche Leiter der Straubing Tigers. Janka empfand seine Rolle anders. Er spielte immer, bis zu 25 Mal pro Saison: "Wenn man im Jahr mehr als 20 Spiele macht, ist man kein Ersatz."

Wer Janka trifft, versteht, warum Trainer ihn schätzen: geduldig, ruhig, nett. Vielleicht zu nett? "Ach, es gibt viele nette Torhüter, die bei ihren Klubs Nummer eins sind. Ich habe ja öfters hingeschnuppert." Doch jedes Mal verlängerten die Konkurrenten ihre Verträge. Janka, der keine Achterbahn-Fahrten mag, nahm es gelassen hin: "Je älter ich wurde, desto entspannter wurde ich." Nie zu hoch, nie zu tief.

Den Gipfel erreichte Janka spät, als er mit 34 Jahren deutscher Meister wurde. In Tölz erlebt er mit seinem Team im Moment eine Talsohle. Die erhoffte Aufbruchstimmung ist schnell Frust gewichen. Janka nimmt es gewohnt gelassen: "Das dreht sich bald. Es fehlt noch das clevere Köpfchen, die Ruhe vor dem Tor." Immerhin: Die Ruhe im Tor hat Tölz bereits gefunden.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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