Eishockey München:Die Kugel rollt

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Meist im Zentrum des Getümmels: Hier bedrängt Münchens Trevor Parkes den ehemaligen EHC-Torwart Niklas Treutle. (Foto: Thomas Hahn / Zink / imago)

"Man muss auch die Emotionen hochhalten": Vor knapp zwei Wochen war der EHC München drauf und dran, seine Tabellenführung abzugeben. Ein paar Derbys später hat er sie gehörig ausgebaut - trotz akuter Personalnot.

Von Christian Bernhard, München

Die Zone direkt vor dem Tor ist im Eishockey jene, die angreifenden Stürmern verlässlich blaue Flecken beschert. Wer sich im Slot - so wird dieses Areal in der Eishockeysprache genannt - aufhält, der wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von den gegnerischen Verteidigern recht unsanft bearbeitet. Der Slot ist so hart umkämpft, weil dort die Chance am höchsten ist, einen Schuss abzufälschen, einen Abpraller zu bekommen oder dem gegnerischen Torhüter die Sicht zu nehmen. Man muss es mögen, sich in dieser umkämpften Zone aufzuhalten.

Trevor Parkes mag es. Der Stürmer des EHC Red Bull München bringt mit seinen 1,90 Metern und 98 Kilogramm ideale Voraussetzungen mit, um in dieser rauen Gegend zu bestehen - und auch zum Sichtverstellen sind diese Maße recht dienlich. Am Samstag parkte Parkes seinen imposanten Körper mehrmals vor dem Tor der Nürnberg Ice Tigers, bei denen die Münchner zu Gast waren. So auch in Minute 24, als er die Scheibe regelrecht über die Torlinie arbeitete. Der Schoner von Nürnbergs Torhüter Niklas Treutle bekam einiges ab, als Parkes vehement dagegen drückte. Die Schiedsrichter sahen sich die Szene am Monitor an - und bestätigten den Treffer zum 2:0 für den EHC nach langem Studium des Videobeweises. Im Schlussdrittel legte Parkes das 3:0 nach (44.). Er erzielte es wenig überraschend: aus kurzer Distanz.

Am Ende gewann der EHC sein Jubiläumsspiel souverän mit 5:1. Jubiläum deshalb, da es das 500. Hauptrundenspiel seit dem Aufstieg in die Deutsche Eishockey Liga (DEL) im Jahr 2010 war. Verteidiger Bobby Sanguinetti (4.) sowie der ehemalige Nürnberger Yasin Ehliz (49.) und Kapitän Patrick Hager (59.) erzielten die weiteren Münchner Tore. "Das war heute ein unglaublich starkes Auswärtsspiel von uns", schwärmte Hager. "Hinten haben wir sehr kontrolliert gespielt und wenig zugelassen und vorne waren wir immer gefährlich." EHC-Trainer Don Jackson freute sich darüber, dass sein Team 60 Minuten lang konstant gespielt habe.

"Wir haben die Last auf drei Reihen verteilt, das bedeutet für jeden sehr viel Eiszeit."

Konstant sind mittlerweile auch wieder die Münchner Siegesfeiern nach den Spielen. "Wir wollen die Kugel am Rollen halten", hatte Verteidiger Konrad Abeltshauser vor dem Derby betont. Das gelang, die EHC-Kugel rollt wieder: Der Erfolg in Nürnberg war der fünfte in Serie, vier davon gab es in bayerischen Derbys. Die Derby-Emotionen haben den EHC aus seinem kleinen Loch geholt, in das er Anfang des Monats gefallen war. Vier seiner ersten fünf Dezember-Spiele hatte der EHC verloren, als er vor knapp zwei Wochen zu den zweitplatzierten Straubing Tigers reiste. Dort lag er bis 14 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit mit 0:2 zurück, die Straubinger waren damit virtueller Tabellenführer. Es blieb allerdings bei der Virtualität, denn die Münchner siegten noch mit 3:2 nach Verlängerung - und starteten damit wieder durch. Jetzt, nur knapp zwei Wochen später, haben sie wieder elf Punkte Vorsprung auf die zweitplatzierten Tigers.

Besonders beeindruckend ist das, wenn man sich die personelle Situation der Münchner vor Augen hält. Obwohl in Nürnberg Mark Voakes und Maximilian Daubner in den Kader zurückkehrten, fehlten Trainer Jackson immer noch acht Spieler, die zuletzt als Stürmer eingesetzt wurden. Wichtige Stützen wie Derek Roy und Frank Mauer sind noch verletzt, John Jason Peterka und Justin Schütz führen das Münchner Kontingent bei der U-20-Weltmeisterschaft in Tschechien an. "Wir wissen, dass wir viel Qualität im Kader haben. Wir wissen aber auch, dass uns die Ausfälle natürlich weh tun", sagte Kapitän Hager. "Wir haben die Last momentan auf drei Reihen verteilt, das bedeutet für jeden sehr viel Eiszeit." Jackson betont immer wieder, wie wichtig es sei, die Eiszeit relativ gleichmäßig auf viele Angriffsreihen zu verteilen. Im Moment muss er von seinem Grundcredo allerdings notgedrungen abweichen. Gegen Ingolstadt kamen am zweiten Weihnachtsfeiertag gleich sechs Münchner Angreifer auf mehr als 20 Minuten Eiszeit, Chris Bourque stand knapp 24 Minuten auf dem Eis. Normalerweise knackt kaum ein EHC-Stürmer die 20-Minuten-Marke.

Für den Tabellenführer, der gegen Ingolstadt auf neun Stürmer verzichten musste, scheint aber selbst das momentan kein Problem zu sein. "Die Qualität ist immer noch hoch genug, um die Punkte zu holen, wenn du hart arbeitest und diszipliniert spielst", betonte Hager. "Und das haben wir speziell in den letzten Spielen sehr gut gemacht." Sanguinetti sagte, die starken Leistungen trotz der knappen Belegschaft würden "unseren Charakter" zeigen. "Egal wer im Lineup ist, wir spielen unser System und machen es dem Gegner schwer." Abeltshauser erklärte, dass es in solchen Phasen nicht nur auf das Spielerische ankommt. "Man muss auch die Emotionen hochhalten."

Zumindest auf der Torhüter-Position ist Besserung in Sicht. Kevin Reich, der zuletzt bereits als zweiter Torwart auf der Bank saß, soll "sehr bald" wieder wirklich einsatzfähig sein, hatte Jackson nach dem Ingolstadt-Spiel erfreut verkündet. Trotz ihrer Siegesserie sind die Münchner, die das Kalenderjahr an diesem Montag mit einem Heimspiel gegen die Krefeld Pinguine (19.30 Uhr) beschließen, über jeden Rückkehrer froh.

© SZ vom 30.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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