Eishockey:Meistertrainer für Kommunikation

Lesezeit: 3 min

Vor dem DEL-Auftakt bei den Hamburg Freezers hat sich der Kader des EHC München mal wieder rundum verändert. Als entscheidend könnte sich jedoch die Personalie Don Jackson entpuppen

Von Christian Bernhard und Johannes Schnitzler, München

Auf dem Tisch neben Don Jackson steht ein Korb mit Äpfeln und Birnen. Die Äpfel sind rot und rund, die Birnen grün und prall. Beide, die Äpfel und die Birnen, sehen unverschämt gesund aus. Don Jackson hat die Wahl. Er isst - einen Apfel.

Wer sich den Kader des EHC München für die kommende Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ansieht, vergleicht ihn unweigerlich mit dem Jahrgang davor. Der galt als teuerster der Liga - und scheiterte krachend in der Qualifikationsrunde zu den Playoffs. Trainer Pierre Pagé, der mit großem Gestus nicht viel weniger als die Neuerfindung der Sportart Eishockey angekündigt hatte, räumte danach mehr oder weniger freiwillig seinen Posten und zeichnet nun als Global Sports Director Hockey für EHC-Eigentümer Red Bull verantwortlich - ein Titel, so lamettamäßig glitzernd wie die Uniform eines südamerikanischen Potentaten.

Pagés Nachfolger Don Jackson, 58, sitzt an diesem Donnerstag an einem Bistrotisch in der Kabine des EHC. Der Klub hat seine Türen für die Medien geöffnet, Trainer und Spieler stehen eine halbe Stunde lang für Interviews bereit. Open Locker Room nennt sich das Tohuwabohu. Jackson sitzt auf einem Hocker, trägt Trainingsklamotten und isst einen Apfel. Wie er in fünf Worten die Vorbereitung beschreiben würde? "Harte Arbeit. Ein Prozess des Zueinanderfindens. Der Versuch, als Team zu spielen", sagt Jackson und lächelt: "Das waren jetzt mehr als fünf Wörter, oder?" Der EHC hat in der Vorbereitung nur drei Spiele bestritten, so wenige wie kein anderes DEL-Team. Reicht das? "Wir sind seit sechs Wochen zusammen. Wir sind bereit."

Klare Ansagen: Don Jackson, 58, spricht viel mit seinen Spielern. Und bleibt dabei im Ton immer verbindlich. (Foto: Andreas Pranter/Gepa/oh)

Unter Pagé hatte der EHC so früh mit der Vorbereitung begonnen wie kein anderer DEL-Klub. "Vom 27. Juli bis 4. August waren wir das beste Team, das ich in 14 Jahren in Europa je hatte", konnte der Kanadier damals referieren. Aber der Titel wird nicht im August vergeben, sondern im April. Da war die Saison für den EHC allerdings längst beendet. 14 Spieler verließen München, elf neue kamen. Und es scheint so, als habe der US-Amerikaner Jackson seine Auswahl genauso klar und unprätentiös getroffen wie bei seiner Kleidung, seinen Worten oder bei seinem Obst.

Jackson holte vor allem Spieler, die er aus früherer Zusammenarbeit kannte, Profis wie Richie Regehr oder Mads Christensen, mit denen er in Berlin in sechs Jahren fünf Meistertitel gewann, dazu gestandene Profis wie die Nationalspieler Florian Kettemer (Mannheim) und Daryl Boyle (Augsburg), die sowohl die Defensive stabilisieren als auch offensiv Akzente setzen können. Einzige Unbekannte im neuen Mannschaftsgefüge ist Torhüter Florian Hardy, französischer Nationalkeeper und Nachfolger von Publikumsliebling Jochen Reimer, der vor Pagé nach Nürnberg floh.

Die Versuchung, den alten Kader mit dem neuen zu vergleichen (der laut dem Branchenblatt Eishockey News mit einem Budget von zwölf Millionen Euro wieder der teuerste der Liga sein soll) und daraus auf die Meisterschaftschancen zu schließen, ist groß. Jackson sagt auch: "Wir wollen Meister werden." Aber er erliegt nicht der Versuchung. Er sagt: "Wir wollen bis zu den Playoffs oben stehen. Und dann müssen wir sehen, dass wir unser Level hoch halten. Oder noch erhöhen." Vielleicht muss man auch gar nicht erst Äpfel mit Birnen vergleichen. Den Unterschied, den Eindruck erweckt dieser Kabinenbesuch, macht ohnehin der Trainer. Das Schlüsselwort lautet: Kommunikation.

Jackson spricht viel mit seinen Spielern und er will, dass sie auch miteinander viel sprechen. Deshalb hat er die weitläufige Kabine ein bisschen verkleinern lassen - alle mussten buchstäblich zusammenrücken. Jackson strahle eine "spezielle Autorität" aus, sagt Nationalstürmer Uli Maurer, er habe das "richtige Fingerspitzengefühl". Ob das Team vor dem Auftakt am Freitag (19.30 Uhr) bei den Hamburg Freezers entspannter sei als im Vorjahr? Man solle nicht alles auf den Trainer schieben, was zuletzt schief gelaufen sei, antwortet ein anderer Spieler: "Aber definitiv ja."

Was er vom ersten Spiel in Hamburg erwartet, wird Daryl Boyle, einer der Neuen, noch gefragt: "Einen langen Flug", sagt der Verteidiger. Abfahrt vom Olympia-Eisstadion zum Flughafen ist um 8.15 Uhr. Der Dresscode an der Kabinenwand schreibt Hemd und Jackett vor.

© SZ vom 12.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: