Eishockey:Lektionen in Småland

Lesezeit: 3 min

Zu Fall gebracht: Arvid Lundberg stoppt Jason Jaffray (li., Szene aus dem Hinspiel), Växjö schaltet den EHC in der Champions League aus. (Foto: Mathias Mandl/Gepa/Imago)

Der EHC München scheitert im Sechzehntelfinale der Champions League an Växjö. Die Ursachen dafürliegen auf der Strafbank - und im Hinspiel

Von Christian Bernhard, Växjö

Rikard Grönborg war am Dienstag in einer für seine Verhältnisse komfortablen Reisesituation. 420 Kilometer sind für jemanden, der noch diese Woche in die Schweiz und nach Russland reist, nachdem er gerade erst beim World Cup of Hockey in Toronto/Kanada gewesen war, ein Klacks. Grönborg wollte unbedingt am Dienstag nach Växjö, in den Süden seiner schwedischen Heimat, nach Småland, der Heimat des Michel aus Lönneberga. Der 48-Jährige hätte auch am Mittwoch kommen können, um zu scouten - die Växjö Lakers spielten am Abend schon wieder in der schwedischen Liga zu Hause gegen Karlskrona. Der EHC Red Bull München war aber nur dienstags zu Gast. Und: "Ich mag solche Spiele, in denen zwei unterschiedliche Eishockey-Philosophien aufeinanderprallen", sagte Grönborg, solche Spiele seien gut für die Entwicklung des Sports. Grönborg darf man das abnehmen. Er ist der Nachfolger des legendären Pär Mårts als schwedischer Nationaltrainer.

Aus dem vierten Stock der Vida Arena ("Smålands Eventcenter"), die bei den EHC-Offiziellen großen Eindruck hinterließ, sah Grönborg einen 4:3-Sieg für die Heimmannschaft, der Münchens Aus in der Champions Hockey League (CHL) besiegelte. Der deutsche Meister hatte gegen den schwedischen Titelträger von 2015 wie schon im Hinspiel (1:1) gut mitgehalten und war dem einen Treffer, der ihn in die Verlängerung gebracht hätte, nahe. Fallen wollte er allerdings nicht mehr - und so endete das Münchner CHL-Abenteuer wie schon im Vorjahr im Sechzehntelfinale.

Verloren hatte der EHC die Partie auf der Strafbank. "Es ist einfach zu sagen, dass es an den Strafen lag", erklärte Trainer Don Jackson und holte zu einer - für seine Verhältnisse - großen Schiedsrichterschelte aus. Schon einer der ersten Pfiffe hatte den 60-Jährigen "sehr, sehr sauer" gemacht, und dieses Gefühl ließ ihn das ganze Spiel über nicht mehr los. "Auswärts scheint es jedes Mal so zu laufen", klagte Jackson, der sich bewusst war, dass sein Team eine große Chance verstreichen lassen hatte, einen europäischen Topklub zu eliminieren und erstmals in die Runde der letzten 16 einzuziehen. Der Münchner Frust entlud sich wenige Sekunden vor Spielende, als Jason Jaffray die letzte Strafzeit aufgebrummt bekam und fast die komplette Münchner Bank, inklusive einiger Spieler auf dem Eis, die Schiedsrichterentscheidung höhnisch beklatschte.

Achtmal saßen Münchner auf der Strafbank, nur einmal ein Växjö-Spieler. Diese eine Situation nutzte der EHC im Schlussdrittel prompt zum 3:4-Anschlusstreffer (52.) durch Jerome Flaake. Allerdings hatte Växjö da bereits zweimal im Powerplay getroffen. Besonders der zweite Treffer von Olli Palola zum 2:2 (28.) schmerzte die Münchner, da er in eine Drangphase fiel, die Lakers-Trainer Sam Hallam dazu brachte, bereits in der 25. Minute eine Auszeit zu nehmen, um seine Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. Kurz vor dem Ausgleichstreffer hatte der EHC auf das 3:1 gedrängt, die wuchtigen Münchner Athleten setzten sich so ein, wie es schwedische Mannschaften am wenigsten mögen: Sie gingen den filigranen Schweden auf die Körper. Vor dem Tor der Lakers kam es mehrmals zu kleineren Tumulten.

Im Startdrittel war das dem EHC überhaupt nicht gelungen, immer wieder drangen die Lakers mit Tempo ins Münchner Drittel ein und bescherten Torhüter Danny aus den Birken viel Arbeit. "Wir sind zu spät in die Zweikämpfe gekommen und haben keinen Zug zum Tor hinbekommen", sagte Yannic Seidenberg, der aufgrund des kurzfristigen Ausfalls von Daryl Boyle zum sechsten Verteidiger umfunktioniert wurde. Im Mitteldrittel klappte es plötzlich, Richie Regehr (23.) erzielte nach Maximilian Kastners 1:1 (16.) die Führung. Diese hielt allerdings nicht lange, innerhalb von elf Minuten zog Växjö auf 4:2 davon. Die Vorentscheidung. Im Nachhinein, sagte Seidenberg, "lag es vielleicht auch am Heimspiel, wo wir unsere Chancen nicht genutzt haben." Jackson forderte, sein Team müsse aus diesem Ausscheiden lernen.

Gelegenheit, die Lektion praktisch umzusetzen, hat der EHC in den nächsten zehn Tagen genug. Fünf Mal muss er dann in der Deutschen Eishockey Liga ran, beginnend mit der Partie am Freitag in Iserlohn. Dann werde wieder alles anders sein, sagte Jackson, das Tempo zum Beispiel, und betonte: "Unsere Aufgabe ist es dann, es hochzuhalten." An seiner positiven Herangehensweise an sportliche Aufgaben änderte auch das vorzeitige Aus im Sechzehntelfinale nichts. Während Grönborg 15 Meter entfernt in ein Gespräch mit Hallam vertieft war, sagte Jackson: "Wir können so einen Wettbewerb gewinnen."

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: