Eishockey:Kampfansage an die Liga

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Sechsunddreißig, aber nicht satt: EHC-Torschütze Toni Söderholm bejubelt seinen Treffer zum 3:1. (Foto: Imago)

Der EHC München zeigt beim 4:2 gegen Meister Mannheim eine beeindruckende Präsenz, übertreibt es aber bisweilen mit der Härte: Zugang Steve Pinizzotto bricht Nationalspieler Denis Reul den Unterkiefer

Von Christian Bernhard, München

Über den Münchner Olympiapark war bereits die Dunkelheit hereingebrochen, der Mannheimer Mannschaftsbus stand zur Abfahrt bereit, als auf der gegenüberliegenden Seite Frank Mauer vor die Olympia-Eishalle trat. Eine größere Menschen-Gruppe erwartete ihn dort und konnte in aller Ruhe mit ihm plaudern: Mauer musste ja nicht mehr zum Mannheimer Bus. Nach knapp 20 Jahren hatte er soeben sein erstes Eishockey-Wochenende zu Ende gebracht, ohne Teil der Mannheimer Adler zu sein. Eine knappe Stunde zuvor hatte der Nationalspieler mit seinen neuen Teamkollegen vom EHC München einen 4:2-Erfolg über Mannheim bejubelt und damit die "hochkarätige" Auftakt-Standortbestimmung der neuen Saison in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) erfolgreich abgeschlossen. Der EHC weiß nach dem ersten DEL-Wochenende, wo er steht: Vier Punkte gegen die zwei Titel-Konkurrenten Köln (2:3 nach Penaltyschießen am Freitag) und Meister Mannheim können sich sehen lassen. Noch wichtiger als die vier Zähler war möglicherweise aber die Erkenntnis, dass er in dieser Saison auch die Mittel zu haben scheint, körperlich dagegenzuhalten - was in den vergangenen zwei Spielzeiten öfter ein Manko gewesen war. Stellvertretend dafür stand die Szene aus Minute 13 im Spiel gegen Mannheim, als sich Steve Pinizzotto und Mannheims Denis Reul einen Schwergewichtskampf lieferten, der es in sich hatte. Pinizzotto, 1,85 Meter groß, 98 Kilogramm schwer, hatte Reul, 1,93 Meter, 107 Kilo, regelwidrig mit dem Kopf gegen die Bande gecheckt, worauf der Adler-Verteidiger die Handschuhe fallen ließ und den Faustkampf einleitete. Pinizzotto brachte einige Kinnhaken ins Ziel, Reul verließ das Eis auf den Beinen, aber heftig im Gesicht blutend. Für beide war die Partie beendet: Pinizzotto erhielt insgesamt 36 Strafminuten, Reul wird länger zuschauen müssen. Der Nationalspieler zog sich eine zweifache Unterkieferfraktur zu und wurde operiert. Nach Klubangaben wird er bis zu acht Wochen lang ausfallen.

"Wir haben mit Pini (Pinizzotto, d. Red.) gezeigt, dass wir aggressiv sind und uns nichts gefallen lassen", meinte Münchens Torhüter Danny aus den Birken hinterher. Allerdings dürfte die Einlage ein Nachspiel für Pinizzotto haben. Adler-Manager Teal Fowler wies nach dem Spiel darauf hin, dass sich Reul die Verletzung schon bei Pinizzottos Check, nicht erst beim Kampf zugezogen habe und forderte: "Die Liga muss sich das anschauen." EHC-Trainer Don Jackson wollte Pinizzotto keinen Vorwurf machen. Mehr als zwei Minuten lang versuchte Jackson, ein ehemaliger Verteidiger an der Seite von Superstars wie Wayne Gretzky und Mark Messier, zu erklären, dass Pinizzotto nur seinen Check zu Ende fahren wollte und dabei nicht mutwillig Reuls Kopf ins Auge gefasst hatte. Jackson sprach von einem "Lernprozess", den jeder Liga-Neuling aus Nordamerika zu durchlaufen habe, da die Regeln in Übersee nicht dieselben seien, und fügte an, dass auch Reul bereits in ähnliche Situationen verstrickt gewesen und "kein Engel" sei. Jackson ist sich aber bewusst, dass Pinizzotto wohl kaum ungestraft davonkommen wird. "Wir haben ihn wohl für eine Weile verloren", prophezeite er.

"Das war schon . . .", Pause, "ja, beeindruckend", meinte Münchens Kapitän Wolf, der mit seinen zwei Toren gegen den Meister großen Anteil am ersten EHC-Liga-Sieg der Saison hatte, nach einer Partie, die nicht nur Adler-Trainer Greg Ireland als "sehr emotional und sehr intensiv" erlebt hatte. Man habe gesehen, "was am Schluss rauskommt, wenn zwei große Jungs Lust haben zu fighten", sagte Wolf. Die neue Münchner Intensität wurde aber nicht nur in dieser Situation deutlich. Die EHC-Profis gingen keinem Zweikampf aus dem Weg, von denen es in der Playoff-ähnlichen Partie einige gab. Wolf hat "vielleicht ein bisschen mehr Präsenz" im Team ausgemacht: "Wir halten komplett dagegen, keiner zieht zurück." Auch der nur 1,73 Meter große Keith Aucoin, der seine Spielmacherqualitäten mehrmals andeutete, war sich nicht zu schade, seinen Körper einzusetzen und sich zu wehren. "Aucoin ist nicht so groß, aber er ist gewillt, körperbetont zu spielen", sagte Jackson, der mit all seinen Spielern zufrieden war. Was Einsatz und Wille betrifft, "könnte ich heute jeden Spieler hervorheben", erklärte er.

Toni Söderholm, der nach zwei Pfostentreffern das zwischenzeitliche 3:1 erzielt hatte, glaubt jedenfalls, dass der Erfolg gegen den Meister "mehr als ein Sieg" war. Vielleicht war er ein Zeichen an die Liga: Mit diesem EHC ist nicht zu spaßen.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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