Eishockey:Fünf vorne, fünf hinten

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Der EHC München entwickelt neue Qualitäten: Zur Offensivwucht der Mannschaft gesellt sich eine verlässliche Defensivarbeit. Langsam scheinen die Spieler zu verinnerlichen, was Trainer Don Jackson ihnen beibringen will

Von Christian Bernhard, München

Der EHC München ist in dieser Saison nicht nur für regelmäßige Siege gut, er scheint sich auch zu einem Meister der Verwandlung zu entwickeln. Nachdem er zu Saisonbeginn einige Gegner in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit seiner Offensivwucht überrollt hatte, zermürbt er sie nun. Aus einer Offensivmaschine ist ein Vorzeigemodell in Sachen Defensivarbeit geworden. In den letzten drei Spielen kassierten die Münchner in der regulären Spielzeit jeweils nur einen Treffer, mit nur 31 Gegentoren stellen sie zusammen mit Tabellenführer Mannheim die beste Abwehr der Liga. "Wir bereiten uns darauf vor, jedes Spiel 1:0 zu gewinnen", beschreibt Trainer Don Jackson die aktuelle EHC-Mentalität.

Das umfangreiche Videostudium, auf das Jackson großen Wert legt - immer und immer wieder geht er mit seinen Spielern die Defensivspielzüge am Video durch -, scheint sich auszuzahlen. Daraus eine Systemumstellung abzuleiten, wäre allerdings falsch. Der EHC spielt immer noch so, wie in den ersten Wochen der Saison: dominant, lauffreudig, das Spiel in das gegnerische Drittel verlagernd. Verändert, und zwar positiv, haben sich die Defensiv-Automatismen. "Wir sind sehr kompakt", sagt Kapitän Michael Wolf. "Wir sind immer mit fünf Mann vorne und mit fünf hinten." Einsatz und Wille stimmen beim Tabellenzweiten, Defensivlücken kommen nur selten vor, da das Team läuferisch sehr engagiert zu Werke geht. "Die Mannschaft kämpft zurzeit sehr hart", sagt Torhüter Niklas Treutle, das gelte folglich für jeden Einzelnen. Der Faktor Zeit hat bei dieser Entwicklung natürlich auch eine Rolle gespielt. Die mit elf neuen Spielern in die Saison gestartete Mannschaft brauchte "eine gewisse Zeit, um zu verinnerlichen, was der Trainer will", sagt Wolf.

Mitentscheidend für das starke Defensivverhalten ist aber auch die Offensive. "Wir verbringen nicht viel Zeit in unserer eigenen Zone und lassen uns nicht einschnüren", erklärt Wolf. Meister Ingolstadt kam am Sonntag beim 4:1-Sieg des EHC im ersten und letzten Drittel zusammen nur auf neun Torschüsse. Das Geschehen spielt sich meist im gegnerischen Drittel ab, wodurch immer wieder gegnerische Scheibenverluste provoziert werden. "Wenn uns das gelingt, sind wir offensiv gut", sagt Jackson. "Unsere Offensive lebt nicht nur von unseren Offensivaktionen, sondern auch von unserer Abwehr", betont der EHC-Trainer. "Die beste Defensive ist gleichzeitig eine gute Offensive."

Gut gemacht: Richie Regehr beglückwünscht seinen Teamkollegen Florian Kettemer (rechts) zu seinem Treffer zum 3:1 für den EHC. (Foto: Imago)

Die auf Dominanz und viel Scheibenbesitz ausgelegte Spielweise der Münchner hat einen weiteren positiven Nebeneffekt. Ist der Druck konstant hoch, können sich die Gegner oft nur mit Fouls behelfen, Meister Ingolstadt kassierte am Sonntag sieben Zwei-Minuten-Strafen. 82 Mal war der EHC dadurch in dieser Spielzeit schon in Überzahl, so oft wie kein anderes Team in der Liga. "Viele Strafen kommen zustande, wenn man offensiv gut agiert, die Scheibe rausspielt und viel läuft", betont Wolf. Durch die Regeländerungen sind die Offensivdrittel größer, die EHC-Gegner müssen folglich mehr Raum abdecken und laufen sich so zusätzlich müde. Das Ergebnis: Die Münchner sind gegen Spielende meist frischer. "Am Schluss hatten wir ein bisschen mehr Power", konstatierte Wolf auch nach dem Derbysieg gegen Ingolstadt.

Wenn dann auch noch die Torhüter ihre Sache gut machen, wie es derzeit beim EHC der Fall ist, wird es für die Gegner besonders schwierig. Jackson setzte gegen Ingolstadt auf Niklas Treutle, der noch am Freitag für den SC Riessersee in der DEL2 aufgelaufen und dort beim 2:0 gegen Ravensburg ohne Gegentor geblieben war. "Niklas hat toll gespielt", sagte Jackson, "er hat uns im zweiten Drittel im Spiel gehalten."

Ob Treutle auch am Dienstagabend in Schwenningen (19.30 Uhr) im Tor stehen wird, ließ Jackson offen. Gegen die Wild Wings, die am Montag den Ex-Münchner Nick Palmieri verpflichteten, hatten die Münchner das erste Heimspiel der Saison 7:0 gewonnen, von einem erneuten Schützenfest geht aber niemand aus. Zum einen aus Respekt vor dem Gegner und dessen Heimstärke. Und zum anderen: Momentan reichen auch wenige EHC-Tore, um die Spiele zu gewinnen.

© SZ vom 28.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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