Eishockey:Früchte des Sommers

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Menschen, Tiere, Sensationen: Torwart David Leggio (mit Pferdegesicht), offiziell "Mann des Abends", und Siegtorschütze Andreas Eder (mit Mikro). (Foto: Imago/GEPA Pictures)

Premiere: Andreas Eder trifft gegen Berlin zum 3:2 für den EHC München

Von Christian Bernhard, München

Es soll ja Menschen geben, die Pferde schon kotzen gesehen haben. Nun: Am Mittwochabend gab es in München Menschen, die ein Pferd tanzen sahen. Ein Pferd auf Schlittschuhen. Gut, es war kein echtes Pferd, das da übers Eis des Münchner Olympia-Eisstadions glitt; es war David Leggio, Torhüter des EHC Red Bull München, der nach Spielschluss eine Pferdemaske auf dem Kopf trug. Die EHC-Profis küren damit seit kurzem nach Siegen ihren Spieler des Spiels, in Krefeld hatte sie Jason Jaffray nach seinen zwei Treffern in der Kabine getragen.

Leggio hatte sich das zweite Pferdegesicht speziell in der letzten Minute der Partie gegen die Eisbären Berlin verdient. Alleine in den letzten 37 Sekunden bewahrte er den EHC mehrmals vor dem Ausgleich und rettete so den knappen 3:2-Sieg. Spektakulär war seine Stock-Parade zwölf Sekunden vor dem Schluss gegen Darin Olver. "Wie er den hält, herzlichen Glückwunsch", sagte Berlins Kapitän André Rankel mit bitterer Miene. Olver, dem das ganze Tor offen stand, fiel nach seinem Fehlschuss vor Verzweiflung auf die Knie, später saß er ohne Helm auf der Bank, ins Leere starrend, ein Blick des Jammers. Vermutlich hätte er sich eine Eselsmaske übergezogen, wenn er denn eine gehabt hätte. Andreas Eder, Münchens 3:2-Schütze, sprach von einem "unglaublichen save" Leggios.

Eder hatte zwar keine Maske auf, trotzdem war er an diesem Abend der glücklichste Münchner. In seinem 30. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) war ihm sein erster Treffer gelungen. "Dass der dann auch noch das Siegtor in so einem wichtigen Spiel ist, ist der Wahnsinn", frohlockte der 20-Jährige. Trainer Don Jackson schickte Eder häufig mit der vierten Angriffsreihe aufs Eis, vertraute ihm gegen seinen ehemaligen Klub aber auch Einsätze an der Seite von Münchens Topscorer Keith Aucoin und Jason Jaffray an. "Andreas hat gute Sachen gemacht", sagte Jackson, "er war zuletzt sehr beständig."

Der erste volle Trainingssommer mit der Mannschaft habe Eder sehr gut getan, betonte Münchens Meistermacher. Besonders zufrieden ist Jackson mit Eders körperlicher Entwicklung. "Er wird jedes Jahr größer und stärker", das habe sein Selbstvertrauen in sein physisches Spiel wachsen lassen. Eder nutzt im Moment die Chance, die sich ihm durch die Verletzungen von Steve Pinizzotto oder Frank Mauer geboten hat.

Den Grundstein dafür hatte er schon im Mai gelegt. Nur zwei Wochen nach dem Titelgewinn des EHC (zu dem er in den Playoffs keinen Beitrag leisten durfte, weil er zum SC Riessersee in die DEL2 abkommandiert war) stieg er im Salzburger Ausbildungszentrum wieder ins Training ein. Dort trainierte der Miesbacher, der in der Talentschmiede des EC Bad Tölz geformt wurde, bis Ende Juli sechsmal wöchentlich, bis die etablierten Spieler nach München zurückkehrten und alle gemeinsam wieder aufs Eis gingen. "Irgendwann", sagte Eder nun, "zahlt sich die ganze Arbeit im Sommer eben aus." Dann schnappte er sich den Puck, mit dem er sein erstes Tor erzielt hatte: Er soll zu Hause, direkt über seinem Bett, einen Ehrenplatz bekommen.

Vier Minuten und 19 Sekunden reichten dem EHC am Mittwoch, um gegen die Eisbären bereits zum zweiten Mal in dieser Saison aus einem 0:2-Rückstand einen Sieg zu machen. Der ehemalige Berliner Mads Christensen schloss nach feinem Zuspiel von Keith Aucoin einen schnellen Angriff zum 1:2 ab (30.), dann stocherte Brooks Macek die Scheibe aus kürzester Distanz über die Linie (34.), ehe Kapitän Michael Wolf nur 55 Sekunden später nicht vom Puck zu trennen war und auch noch das Auge für den frei stehenden Eder hatte, der Eisbären-Torhüter Petri Vehanen mit einer Direktabnahme bezwang (34.). Alle drei Tore entstanden dort, wo Jackson seine Angreifer in den letzten Spielen vermisst hatte: im Slot, direkt vor dem gegnerischen Tor. Deshalb lobte er stellvertretend den nimmermüden Wühler Jaffray: Jackson hatte die Reaktion gesehen, die er sich gewünscht hatte.

Vor der Deutschland-Cup-Pause stehen für den EHC noch die Pflichtspiele Nummer zwölf und 13 im Oktober an. Am Freitag reist der Meister nach Augsburg, ehe es am Sonntag zum Spitzenspiel und zum Wiedersehen mit dem letztjährigen Finalgegner Wolfsburg kommt. Jackson wird sich auch bis dahin nicht weiter mit dieser Pferdemaske beschäftigen. "Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was es damit auf sich hat", sagte er. Ihm dürfte es reichen, wenn er sie am Wochenende noch zwei Mal zu sehen bekommt.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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