Eishockey:Freiflug nach Arizona

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Der EHC München überrascht zum ersten Training nicht nur durch den Einsatz einer Drohne: Torwart Niklas Treutle darf gehen, er hat ein Angebot von einem NHL-Klub erhalten

Von Christian Bernhard, München

Die Frage nach der Drohne zauberte Emanuel Hugl ein entspanntes Lächeln ins Gesicht. Nein, die habe nichts mit dem Trainingsbetrieb zu tun, sagte der Pressesprecher des EHC München in der Lounge der Münchner Olympia-Eishalle. Kurz zuvor war das weiße, mit blinkenden roten Lämpchen bestückte Flugobjekt noch tief über das Eis geflogen, während einige der EHC-Profis in den letzten Zügen des Trainings waren. Der Verein lote aus, ob und was mit so einer Drohne alles möglich sei, sagte Hugl; EHC-Eigentümer Red Bull hat es bekanntlich gerne spektakulär.

Niklas Treutle, bisher Torhüter des EHC Red Bull München. (Foto: Imago)

Bis dahin war Hugls Tag nicht so entspannt gewesen. Erst hatte EHC-Trainer Don Jackson den Zeitplan des ersten öffentlichen Trainingstages der Mannschaft in München durch eine kurzfristige Verlegung der Einheit etwas durcheinander gebracht, dann hatte es Probleme mit dem Drahtlosnetzwerk in der Eishalle gegeben und schließlich - und das war die größte Unvorhergesehenheit des Tages - musste Hugl das Podium der Pressekonferenz um einen Platz erweitern. Neben den angekündigten Jackson und Kapitän Michael Wolf saß nämlich auch Torhüter Niklas Treutle vor der Presse. Der Grund dafür hatte es in sich: Der 24-Jährige, der in der vergangenen Saison der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) statistisch einer der besten Torhüter war, spielt in der kommenden Saison für die Organisation der Arizona Coyotes. Sein Vertrag mit dem EHC wurde in beiderseitigem Einvernehmen aufgelöst, da "wir keinem deutschen Spieler Steine in den Weg legen, wenn er die Chance hat, in eine Organisation der NHL zu wechseln", sagte Jackson. Treutle erklärte, er sei stolz und dankbar, dass ihm der EHC trotz des späten Zeitpunkts diese Chance ermögliche.

Wie EHC-Trainer Don Jackson seine Spieler taktisch auf die neue Saison vorbereitet, wird Torhüter Niklas Treutle nun nicht mehr mitbekommen. (Foto: Gepa)

Statt zwei starke deutsche Torhüter, wie es beim EHC geplant war, haben die Münchner jetzt nur noch Danny aus den Birken, den sie im Frühjahr von DEL-Konkurrent Köln losgeeist hatten. Der Verein, so Jackson, "werde jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, um den Verlust von Niklas mindestens gleichwertig zu ersetzen." Gleichzeitig verwies Jackson in einem Nebensatz aber auch darauf, dass Aus den Birken letztes Jahr in Köln fast die gesamt Eiszeit im Tor erhalten habe - womöglich ein Indiz dafür, dass der EHC erst einmal keine Eile hat, einen weiteren Goalie zu verpflichten. Wo noch etwas passieren wird, ist in der Abwehr. Bisher wurde erst der 37-jährige Finne Toni Söderholm als gestandener Verteidiger dazugeholt. Jackson erklärte, auf der Suche nach einem "ausländischen, links schießenden Verteidiger" zu sein, "der auch Offensivakzente setzen kann". Zudem scheint die nahe EHC-Zukunft von Tim Bender unsicher zu sein. Auf die Frage, was an den Gerüchten einer Ausleihe Benders nach Schwenningen dran sei, wo nun Münchens ehemaliger Co-Trainer Helmut de Raaf das Cheftrainer-Amt inne hat, antwortete Jackson lediglich, dass Bender "im Moment" ein EHC-Spieler sei. De Raaf, der mit Bender schon bei den Jungadlern Mannheim zusammengearbeitet hat, pries den 20-Jährigen erst diese Woche öffentlich als jungen Spieler "mit außerordentlichen Fähigkeiten". Am Mittwoch stand Bender noch auf Münchner Eis und freute sich mit seinen Teamkollegen in den blauen Trikots, dass jene in weiß als Verlierer der Trainingsspielchen Liegestütze machen mussten. In der Kaderliste, die der EHC am Mittwoch in der Treutle-Mitteilung verschickte, fehlte er allerdings.

Am Mittwoch gab der EHC auch die Verpflichtung von John Rogl, 19, und Tobias Eder, 17, bekannt. Eder, dessen Bruder Andreas schon im Sommer vom EHC verpflichtet wurde, erhält eine Förderlizenz für seinen Heimatverein EC Bad Tölz. Verteidiger Rogl kommt vom EV Landshut, wird mit einer Förderlizenz für den Zweitligisten SC Riessersee ausgestattet und hat bei Jackson bereits einen "sehr guten ersten Eindruck" hinterlassen. Im Fokus steht bei den EHC-Akteuren aber jetzt schon, das Ende der vergangenen Saison vergessen zu machen. "Wir haben einiges zu beweisen", sagte Jackson und spannte damit direkt den Bogen zum enttäuschenden Viertelfinal-Aus, als der EHC als Vorrundenzweiter sang- und klanglos mit 0:4 an Wolfsburg gescheitert war. Dass dieser Stachel immer noch tief sitzt, spürte man sowohl bei Jackson als auch bei Wolf. "Der erste Eindruck ist sehr gut, die Mannschaft ist fit", sagte Wolf. "Jetzt müssen wir das, was wir können, aufs Eis bringen - und zwar bis zum Schluss." Jackson gab zu, dass er nach dem bitteren Ausscheiden länger als normal gebraucht habe, um sich auf die neue Saison zu freuen. Jetzt aber, betonte er, wolle er loslegen.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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