Eishockey:Ferner Osten

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In der Molodjoschnaja Chokkeinaja Liga, kurz: MHL, ist für das Nachwuchsteam von Red Bull (hinten) kein Platz mehr. (Foto: Imago)

Red Bull, Eigentümer des EHC München, zieht sein Team aus der russischen Nachwuchsliga zurück. Der Schritt ist eine indirekte Folge auf politische Sanktionen: Die MHL-Manager brachen die Kommunikation ab

Von Christian Bernhard, München

Andreas Eder steht erst am Anfang seiner Karriere als Eishockey-Profi, vor kurzem hat der Tölzer einen Vertrag beim EHC Red Bull München unterschrieben. Dennoch kann der 19-Jährige schon darauf verweisen, am Ende der Welt ein Tor geschossen zu haben. Im September hatte er in Chabarowsk, einer 500 000-Einwohner-Stadt im äußersten Osten Russlands nahe der chinesischen Grenze, getroffen - 8044 Kilometer von zu Hause entfernt. Eders Treffer konnte zwar nicht die 3:5-Niederlage des Red-Bull-Farmteams gegen die Amur Tigers verhindern; er könnte aber als der letzte in die Geschichte eingehen, den ein Team aus dem Haus des österreichischen Getränkeriesen im fernen Osten erzielt hat. Das Abenteuer in der multinationalen MHL, die als beste Juniorenliga in Europa gilt, ist für Red Bull nämlich nach zwei Jahren vorbei.

Ob die 39 Mannschaften starke MHL überhaupt multinational bleibt, ist offen. Dmitri Efimov, Managing Director der MHL, der den Teams aus dem Westen sehr nahe stand, trat Anfang Mai zurück, ließ es sich aber nicht nehmen, in einem offenen Brief darauf hinzuweisen, dass dieser Schritt nicht freiwillig erfolgt sei. Efimov erklärte, dem russischen Eishockey stünden "gravierende Veränderungen" bevor - auch die osteuropäische KHL, der professionelle Überbau zur MHL, leidet an Geldmangel und verliert sukzessive Teilnehmer. Die angespannte politische Situation und die Sanktionen des Westens gegen Russland dürften dabei eine Hauptrolle spielen. Die Kommunikation von Seiten der MHL sei "mehr oder weniger" abgebrochen worden, hieß es in einer Pressemitteilung von Red Bull. Fakt ist: Die MHL stellte die Kommunikation mit Red Bull nach SZ-Informationen komplett ein, reagierte weder auf An- noch auf Nachfragen. Bei Red Bull zog man daraus die Konsequenzen - und seine Mannschaft zurück.

Nun sollen die Nachwuchsspieler, die in der hochmodernen Trainingsakademie in Liefering bei Salzburg stationiert sind, in einer "eigenen internationalen Top-Spieleserie" die nächsten Schritte Richtung Profitum machen. Geplant ist nichts weniger als eine neue Serie mit den besten Eishockeynationen der Welt. Das ehemalige MHL-Team soll dabei gegen Klubteams aus Kanada, USA, Schweden, Finnland, Tschechien und der Schweiz antreten, der Kontakt zu den jeweiligen Teams soll über die Trainer in der Lieferinger Akademie geknüpft werden, die zum Teil aus den genannten Ländern stammen. Anders als in der MHL wird es keine Playoffs geben, stattdessen ist ein Finalturnier geplant, an dem das Red-Bull-Team als Vertreter des Veranstalters fix teilnimmt. Gedacht sind zwischen 40 und 50 Spiele für die Red-Bull-Mannschaft, die dafür nahezu ausschließlich auswärts antreten wird.

Noch gibt es keinen Terminkalender, ab Herbst könnte es aber so aussehen, dass das Team beispielsweise nach Finnland fliegt, dort unter der Woche gegen zwei finnische Mannschaften antritt, um dann direkt nach Schweden weiterzureisen und dort am Wochenende zwei weitere Partien zu bestreiten. Pierre Pagé, in der Saison 2013/14 als Trainer des EHC München gescheitert, spricht von organisatorischen Vorteilen, da der Spielplan "besser als in der MHL" auf das Training sowie auf die schulische Ausbildung der Jugendlichen abgestimmt werden könne. Pagé ist in führender Funktion Teil des ambitionierten Projekts. Der 67-jährige exzentrische Eishockeyfachmann trägt mittlerweile den hochmögenden Titel "Global Sports Director Hockey" bei Red Bull; von der öffentlichen Bildfläche ist er nahezu verschwunden. Die neue Serie könnte sein letzter großer Paukenschlag sein.

Bei der Zusammenstellung des Teams, das aus einem Pool von 25 Spielern hauptsächlich aus dem U18-Bereich bestehen soll und damit im Schnitt jünger wäre als das bisherige MHL-Team, will Red Bull aus seiner Akademie schöpfen. Die Spieler sollen aber weiterhin Teil der bestehenden Jugendmannschaften bleiben, die in verschiedenen österreichischen Nachwuchsligen antreten. Zentraler Aspekt der Spieleserie ist es, die Spieler besser in den Fokus der nordamerikanischen Scouts zu bringen. In Europa ist es schwierig, die Talentspäher von Übersee auf die heimischen Talente aufmerksam zu machen; das soll nun mit Reisen nach Kanada und in die USA verbessert werden. Pagé sagt, "Scouts und Eishockeyexperten werden unsere Spieler genauso wie andere Top-Hockeyprogramme in Nordamerika und Europa bewerten und einschätzen". Red Bull wird damit als Lehrherr für Talente noch attraktiver.

Wie viel sich Red Bull die neue Serie kosten lassen will, ist nicht bekannt. Die Kosten, so ist zu hören, sollen sich im Rahmen des MHL-Aufwands bewegen. Sergei Jakowlew, der in der vergangenen Saison für die Entwicklung der MHL zuständig war, hatte 215 000 Euro als Mindestbudget für eine Saison genannt.

© SZ vom 28.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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