Eishockey:Die vergessene Spezialität

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Bislang besaß der EHC München das effektivste Unterzahlspiel der Liga. Nach dem 3:7 in Düsseldorf ist er die Führung in dieser Statistik los: Gleich fünfmal ließ sich die Abwehr vom gegnerischen Powerplay auseinandernehmen

Von Christian Bernhard, München

Die Personalie Richie Regehr eignet sich vorzüglich, die zurückliegenden Tage des EHC München nachzuzeichnen. Am Sonntag fehlte der 32-Jährige krankheitsbedingt, erstmals in dieser Saison. Ohne ihn (und Topscorer Garrett Roe, der ebenfalls zum ersten Mal zusehen musste) tat sich der EHC bei Meister Ingolstadt lange schwer, Offensiv-Akzente zu setzen. Erst im letzten Drittel machte er Druck, doch das Aufbäumen kam zu spät, die 2:3-Niederlage war nicht mehr zu verhindern.

Am Dienstagabend war Regehr wieder dabei, allerdings war seine Partie in Düsseldorf nach etwas mehr als 25 Minuten zu Ende. Der punktbeste Verteidiger der Liga (35 Scorerpunkte) hatte für einen Check gegen Düsseldorfs Topscorer Ken Andre Olimb eine Spieldauerdisziplinarstrafe erhalten, da er nach Auffassung der Schiedsrichter gegen Kopf und Nacken des Norwegers gegangen war - eine fragwürdige Entscheidung. "Keiner von uns" habe diese Entscheidung nachvollziehen können, schimpfte EHC-Angreifer Toni Ritter.

München führte zu diesem Zeitpunkt souverän 2:0, kurz zuvor hatte die Latte den dritten EHC-Treffer verhindert. Regehrs Strafe aber änderte von einem Moment auf den anderen alles: Düsseldorf nutzte die fünfminütige Überzahl gnadenlos aus, machte in nur 190 Sekunden aus dem 0:2 ein 3:2 und gewann am Ende 7:3. "Da haben wir gesehen, wie gut sie Powerplay spielen können", sagte EHC-Kapitän Michael Wolf. "Die fünfminütige Unterzahl hat uns gekillt", betonte Matt Smaby, der wieder auf dem Eis stand, nachdem er in Ingolstadt im ersten Drittel nach einem Check ausgeschieden war. "Unser Unterzahlspiel ist auseinandergefallen."

Bisher hatte sich EHC-Trainer Don Jackson auf das Unterzahlverhalten seiner Mannschaft fast immer verlassen können - "heute nicht". Wie sehr die Spezialkräfte das Ergebnis beeinflussten, zeigt die Plus-Minus-Statistik der Münchner. Trotz der sieben Gegentore hatten nur drei EHC-Profis einen negativen Wert, standen also bei mehr Gegentoren als eigenen Treffern auf dem Eis - sieben hingegen hatten positive Werte, Jeremy Dehner kam sogar auf +2. "Bei fünf gegen fünf haben wir ein ordentliches Spiel gemacht", betonte Jackson. Alle drei EHC-Treffer fielen in numerischer Parität. David Meckler (12., nach schöner Vorarbeit von Barta) und Mads Christensen (22., nach sehenswertem Zusammenspiel mit Francois Methot) hatten die Münchner 2:0 in Führung gebracht, Jon DiSalvatore zum 3:3 ausgeglichen (32.).

Eine ganze Zeit lang sieht der EHC München in Düsseldorf wie der sichere Sieger aus - bis Richie Regehr eine umstrittene Spieldauerstrafe kassiert. (Foto: imago/GEPA pictures)

Die Fünf-gegen-fünf-Situationen hielten sich aber in Grenzen. Im Schlussdrittel ging Daryl Boyle Daniel Fischbuch an, was Folgen haben wird: Boyle erhielt ebenfalls eine Spieldauerstrafe und wird für fünf Spiele gesperrt, während Regehrs Verfahren vom DEL-Disziplinarausschuss eingestellt wurde. Die DEG erhöhte um zwei weitere Powerplay-Treffer zum 7:3-Endstand.

"Nach dem fünften Gegentreffer haben wir die Selbstbeherrschung verloren", konstatierte Jackson, der ein großer Fan von Zahlen und Statistiken ist und den Abend auch deshalb schnell abhaken wird. Verantwortlich dafür ist die Zahl 2,4. Um so viel verschlechterte sich die zuvor beste Unterzahl-Quote der Liga durch das eine Spiel, von 88,6 Prozent ging es runter auf 86,2. Tabellenführer Mannheim hat nun auch in dieser Statistik die Nase vorn.

Leid tun konnte einem beim EHC lediglich Torhüter Florian Hardy, der momentan keine glückliche Phase durchläuft. In Mannheim hatte er vor zwei Wochen drei Gegentreffer in den ersten elf Minuten kassiert, worauf er Platz für Niklas Treutle machen musste, der auch die vergangenen Partien bestritt. In Düsseldorf bekam Hardy wieder eine Chance - und musste sieben Gegentreffer aus dem eigenen Netz holen. Doch an ihm lag es nicht, es war schlicht kein Tag der Defensivabteilungen. Das dürfte auch Fußball-Weltmeister Benedikt Höwedes auf der Tribüne als Verteidiger so empfunden haben. Noch nie hatte der EHC in dieser Saison sieben Gegentore in einem Spiel kassiert, zweimal in Serie ohne Punkt war der EHC zuletzt vor knapp fünf Wochen geblieben - auch damals war Düsseldorf beteiligt. "Solche Spiele", sagte Smaby, "machen dich krank, wenn du zu lange darüber nachdenkst."

Apropos Überzahl: Am Freitag gastiert Wolfsburg in München (19.30 Uhr, Olympia-Eishalle). Die Niedersachsen haben zuletzt zwar vier von sechs Spielen verloren und sind auf Tabellenplatz acht abgerutscht, sie verfügen aber über das torgefährlichste Powerplay der Liga. 53 Mal ließen sie es in Überzahl bereits klingen, das dürfte dem EHC nach dem Düsseldorf-Spiel als Warnung reichen.

© SZ vom 29.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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