Eishockey:Die NHL lässt grüßen

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Erst Mannheim ist zu groß für die Tölzer Junglöwen: Trotz der 1:5-Niederlage im DNL-Finale freuen sich die Jugend-Spieler des Drittligisten über eine "überragende Saison".

Von Max Ferstl, Bad Tölz

Der Jubel: eine perfekte Choreografie. Die Nachwuchsspieler der Adler Mannheim bilden eine symmetrische, wogende Traube um den Pokal, rote Meister-Kappen auf den Köpfen. Am Rand staunen die Mannheimer Schüler im schwarzen Klubanzug, weißes Hemd, rote Krawatte, Anstecker mit Vereinswappen. Auf der Tribüne kreischen Frauen wie Groupies bei einem Konzert von Robbie Williams. Wahrscheinlich die Mütter der Spieler, die soeben die Deutsche Nachwuchsmeisterschaft im Eishockey gewonnen haben.

Unterdessen schlurfen die Tölzer Junglöwen eine Runde durch das Tölzer Eisstadion. Sie haben das Endspiel 1:5 verloren. Das Publikum lässt warmen Applaus herabregnen. Die Spieler tragen keine Trikots mit ihrem Namen wie die Mannheimer. Vermutlich, weil die nachfolgende Spielergeneration sie auch anziehen muss. Sie haben auch keine speziellen "Deutscher Meister 2017"-Kappen für den Siegfall vorbereitet. "Ich will nicht sagen, dass das arrogant ist", sagt Verteidiger Marinus Reiter, "aber es geht schon in die Richtung." Unterschiede zeigen sich oft in den Details.

"Wir leisten hier insgesamt vernünftige, gute Arbeit", findet Nachwuchs-Cheftrainer Rick Boehm (links, mit Schüler-Coach Sebastian Fottner). (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Mannheimer besitzen das Selbstverständnis des Seriensiegers in der Deutschen Nachwuchs Liga (DNL). Der Erfolg in Tölz war der sechste hintereinander, der 14. insgesamt. Die Mannheimer lassen sich ihr Nachwuchsprogramm einiges kosten. Zwei Millionen Euro, allein für die DNL-Mannschaft, schätzt Rick Boehm: "Die haben alle Möglichkeiten. Sie können Spieler von auswärts holen, haben ein Internat und arbeiten natürlich gut."

Boehm ist Cheftrainer der Tölzer Nachwuchsteams. In Bad Tölz haben sie kein Internat, die meisten Spieler kommen aus der Umgebung. Boehms Möglichkeiten sind in vielerlei Hinsicht begrenzt. Doch die Tölzer beherrschen es, aus wenig viel zu machen. "Wir leisten hier insgesamt in allen Nachwuchsabteilungen vernünftige, gute Arbeit", findet Boehm: "Nicht spektakulär, dafür fehlt uns die Manpower." Das klingt bescheiden, ist aber vor allem: eine Untertreibung. Bei den Senioren spielen die Tölzer Löwen nur in der dritten Liga, der Oberliga, doch der Nachwuchs behauptet sich seit Jahren gegen die großen, finanziell potenten DEL-Klubs. In dieser Saison haben sie im Viertelfinale die Eisbären Juniors Berlin besiegt und sich wie im Vorjahr für das Endturnier der besten vier Mannschaften qualifiziert, das sie in diesem Jahr auch ausrichteten. Am Samstag rangen die Junglöwen den Favoriten aus Köln nieder, 3:2 nach Verlängerung. Den Finalgegner, die Jungadler, konnten sie in dieser Saison schon zwei Mal bezwingen. Doch am Sonntag, vor mehr als 1200 Menschen in der Arena, wirkten sie plötzlich gehemmt von der Größe des Augenblicks. Mannheim schoss im ersten Drittel drei Tore, im zweiten schnell zwei weitere. Als die Tölzer schließlich zu ihrem Spiel fanden, war der Rückstand zu groß. "Vielleicht haben wir zu viel Respekt gehabt", glaubt Marinus Reiter. Sind halt doch die Jungadler. "Trotzdem war es eine überragende Saison. Das hat uns keiner zugetraut."

Reiter, 19, ist ein schönes Beispiel für die erfolgreiche Tölzer Nachwuchsarbeit. Geboren in Bad Tölz, alle Jugendmannschaften durchlaufen, in dieser Saison zum Stammspieler in der Oberliga gereift. "Wir bieten vielen eine Perspektive", sagt Boehm. Natürlich nicht allen. Das Tölzer Nachwuchssystem produziert regelmäßig Spieler, die nach Höherem streben. In der DEL tummeln sich viele, die hier einst mit dem Eishockey anfingen. Yasin Ehliz (Nürnberg) zum Beispiel, Maximilian Kammerer (Düsseldorf) oder Konrad Abeltshauser (München), der kürzlich als Verteidiger des Jahres ausgezeichnet wurde.

Marinus Reiter, 19, ist Stammspieler bei den Tölzer Löwen in der Oberliga. Trotz des 1:5 im DNL-Finale "war es eine überragende Saison", sagt er. "Das hat uns keiner zugetraut." (Foto: Harry Wolfsbauer)

Spieler dieser Klasse wird man in Tölz nicht halten können, Boehm weiß das. Auch dann nicht, wenn die erste Mannschaft in diesem Jahr in die DEL2 aufsteigen sollte. Für den Nachwuchs wäre das nicht mal ein Vorteil: "Der Sprung wäre für viele zu groß", glaubt Boehm: "Die meisten brauchen ein paar Jahre in der Oberliga." Und selbst dieser Sprung hat es in sich.

"Körperlich ist der Unterschied immens", sagt Reiter. Ihm half in der Anfangszeit vor allem der erfahrene Josef Frank, einer von zahleichen Rückkehrern im Team. Wer weggeht, wird nicht vergessen und übernimmt dennoch eine wichtige Rolle: die des Vorbilds. Reiter erzählt von Korbinian Holzer, der in der NHL für Anaheim verteidigt. Der "Korbi", sagt Reiter, habe in der Sommerpause mittrainiert. Vor dem Turnier schickte er eine Grußbotschaft. "Heimatliebe", sagt Reiter.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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