Eishockey:Der Gewissheiten-Räuber

Lesezeit: 3 min

Mit dem zweiten Zu-null-Spiel in einer Woche dominiert Torhüter David Leggio die Playoff-Serie des EHC München gegen die Straubing Tigers. Für den Teamerfolg setzt er sogar die Fäuste ein - wenn es ihm vernünftig erscheint

Von Christian Bernhard, München

Das Spiel hatte noch gar nicht begonnen, da war schon klar, welcher Spieler in der Münchner Olympia-Eishalle die meisten Blicke auf sich ziehen würde. "Hey Ho Leggio", stand angelehnt an den Ramones-Klassiker, mit dem David Leggio in München gefeiert wird, auf einem Plakat, das Fans am Sonntagnachmittag an die Plexiglasscheibe hielten.

Leggio hat die Hauptrunde mit dem niedrigsten Gegentorschnitt aller Torhüter der Deutschen Eishockey Liga (DEL) abgeschlossen. In der Playoff-Viertelfinal-Serie gegen die Straubing Tigers hat der 31-jährige US-Goalie - wie der ganze EHC - aber noch einmal eine Schippe draufgelegt. Erst ein Gegentor kassierte er in den drei Partien gegen die Niederbayern, das 4:0 am Sonntag, durch das die Münchner in der Best-of-seven-Serie mit 3:0 in Führung liegen, war sein zweites Zu-null-Spiel innerhalb einer Woche. "Ich fühle mich gut, wir spielen toll", gab Leggio wenig überraschend zu Protokoll. Auch EHC-Trainer Don Jackson ist zufrieden. Seine Mannschaft, die laut Straubings Martin Hinterstocker ein "unglaublich hohes Tempo" gehe, sei während der Serie "besser und besser" geworden, erklärte er.

Leggios beeindruckendstes Zeichen war aber sein Faustkampf mit Tigers-Torhüter Matt Climie in Spiel zwei in Straubing. Leggio verlor ihn zwar, zeigte der Mannschaft damit aber, dass er bereit ist, alles für den Teamerfolg zu geben. Und er bewies damit seine Cleverness. Leggio berichtete am Sonntag, dass die Faustkampf-Einlage mit Climie, die über die Eishockey-Landesgrenzen hinaus Wirbel gemacht hatte, nicht nur der Situation und den Emotionen in jenen Sekunden geschuldet war, sondern durchdacht. Sein Plan war es, Climie, der sich in den zurückliegenden Wochen zu Straubings wichtigstem Spieler entwickelt hatte, damit aus dem Spiel zu nehmen. Dafür nahm Leggio in Kauf, ebenfalls eine Spieldauerdisziplinarstrafe zu kassieren, da er den EHC mit Danny aus den Birken in der Torhüter-Hinterhand deutlich stärker aufgestellt sah als die Tigers. "Ich dachte, es würde uns helfen, wenn Climie raus wäre", erklärte er.

Sein Plan ging nicht auf, da die Schiedsrichter Leggio und Climie zwar jeweils 16 persönliche Strafminuten aufbrummten, beide aber weiterspielen konnten. Den Sieg aber verbuchte Leggio - so wie in allen drei Partien der Viertelfinalserie. Für Frank Mauer zeigten die Faustkämpfe von Leggio und Steve Pinizzotto (in Spiel eins gegen Sean O'Connor), dass der EHC "eine sehr emotionale Mannschaft" sei. Und überhaupt: Die erhöhte Härte in den Playoffs sei das Salz in der Suppe: "Es ist immer ganz nett, wenn es ein bisschen mehr zur Sache geht", findet er.

Leggio ist damit einer der prägenden Spieler dieser Serie, neben Pinizzotto, der den Straubingern vom ersten Spiel an unter die Haut geht und am Sonntag die ersten zwei Münchner Tore sehenswert vorbereitete. Dadurch ist er zusammen mit Keith Aucoin (je fünf Scorerpunkte) sogar der punktbeste Playoff-Scorer des Jackson-Teams. Es scheint, als würden die Niederbayern den Glauben daran, Leggio nachhaltig knacken zu können, mit jeder gespielten Minute mehr verlieren. Am Sonntag brachten sie die Scheibe selbst in einer 45-sekündigen Fünf-gegen-drei-Überzahl nicht am Münchner Torhüter vorbei.

Der EHC hat den Straubingern in den ersten drei Playoff-Partien aller Gewissheiten beraubt, die sich die Niederbayern mit den vier überraschenden Hauptrunden-Erfolgen gegen die Münchner erarbeitet hatten. Statt Climie ist nun Leggio derjenige, der die Gegner zur Verzweiflung bringt, und selbst die Tatsache, dass die konterstarken Niederbayern nach einer Führung noch schwieriger zu schlagen sind, hat der EHC mit dem Sieg in Spiel zwei außer Kraft gesetzt.

Nun sind die Münchner in der komfortablen Situation, bereits am Dienstag in Straubing den Halbfinaleinzug perfekt machen zu können (19.30 Uhr). Abeltshauser hat die Niederbayern aber noch nicht abgeschrieben. Er könne sich nicht vorstellen, "dass sie aufgeben. Sie werden noch mal alles geben und bis zum Umfallen kämpfen", prophezeit er. Leggio sieht das ähnlich. Der Goalie bewies mit Blick auf Spiel vier, dass er auch auf dem Gebiet der Eishockey-Phrasen nicht zu unterschätzen ist. Nur weil man 3:0 vorne liege, bedeute das nicht, dass die Serie vorbei sei, mahnte er. Der vierte Sieg sei immer der schwerste.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: