Eishockey:Das große Einmal-Eins-immer-Eins

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Je näher die DEL-Playoffs rücken, desto näher kommt Titelverteidiger München seiner Bestform. Schon jetzt hat der EHC mehr Punkte und Tore auf seinem Konto als in den beiden Meisterjahren.

Von Christian Bernhard, München

Für arbeitssuchende Mathematiker könnte sich dieser Tage ein Anruf bei der Deutschen Eishockey Liga (DEL) lohnen. Dort stehen gute Kopfrechner derzeit besonders hoch im Kurs. Acht Spieltage vor Ende der Hauptrunde sind zwei Drittel der Liga in Zahlenspiele verstrickt, die von Spieltag zu Spieltag mit neuen Variablen versetzt werden. Das beste Beispiel sind die Schwenninger Wild Wings, die bis vor kurzem noch Tabellenfünfter waren und beste Karten im Poker um die direkte Playoff-Qualifikation hatten. Nur zwei Niederlagen später sind die Schwarzwälder allerdings auf Rang neun abgerutscht und müssen nun sogar um die Pre-Playoffs bangen. Die Liga rechnet heftig vor sich hin - zwischen Platz vier (Wolfsburg) und Rang zwölf (Augsburg) liegen gerade mal zehn Punkte. "Jedes Spiel ist wie ein Playoff-Spiel", sagte Ingolstadts Trainer Doug Shedden, der mit seinem ERC Teil des wilden Rennens ist.

Der EHC Red Bull München kann entspannt auf die Rechenschiebereien der Konkurrenz schauen. Durch den 5:4-Heimsieg gegen Düsseldorf buchte der Titelverteidiger am vergangenen Freitag als erstes DEL-Team vorzeitig das Ticket für das Viertelfinale. Münchens Ambition ist freilich eine andere, es soll am Hauptrunden-Ende schon Platz eins sein - so wie in den vergangenen beiden Spielzeiten.

Die ständigen Führungswechsel an der Tabellenspitze zwischen München, Nürnberg und den Eisbären Berlin "haben uns Spaß gemacht", sagte Nationalspieler Dominik Kahun. "Aber jetzt, wo es dem Ende entgegen geht, wollen wir natürlich da oben bleiben." Der Angreifer hatte den EHC am Sonntag mit einem Tor und einer Vorlage zum 5:2-Sieg in Straubing geführt, der Meister hat als Tabellenführer weiter fünf Punkte Vorsprung auf Nürnberg. "Heute hat vieles geklappt", sagte Kahun.

Das Heute kann dabei eigentlich gestrichen werden. Durch den 32. Saisonsieg haben die Münchner acht Spieltage vor Ende der Hauptrunde 94 Punkte, einen mehr als zum selben Punkt der vergangenen Saison und jetzt schon so viele wie am Ende der Hauptrunde 2015/16. Die 161 geschossenen Tore (im Schnitt 3,7 pro Partie) sind zu diesem Zeitpunkt ebenfalls neuer Bestwert. Seit Dezember hat der EHC 14 seiner 16 Spiele gewonnen, nur einmal blieb er ohne Punkte. Der ehemalige DEL-Torhüter und jetzige TV-Experte Patrick Ehelechner findet die Statistik "beängstigend für die Konkurrenz", der EHC könne "immer noch eine Dose on top drauflegen". Eine Einschätzung, die der Münchner Klub-Eigentümer mit Sicherheit teilt.

Diesen Eindruck vermitteln auch die Spieler. Verteidiger Yannic Seidenberg sagte nach dem Sieg in Straubing, es gelte jetzt "langsam, unsere beste Leistung abzurufen". Als ob der Meister in den vergangenen Wochen mit angezogener Handbremse unterwegs gewesen wäre. In Straubing feilte Trainer Don Jackson schon an seinen Playoff-Plänen. Ende des zweiten Drittels beorderte er Steve Pinizzotto, der nach seiner Verletzungspause zuletzt in der vierten Angriffsreihe eingesetzt wurde, wieder an die Seite von DEL-Topscorer Keith Aucoin und Top-Torjäger Brooks Macek. Das Trio war in den Playoffs 2017 ein stabiler Faktor. Jacksons Botschaft: Es ist Zeit, die bewährten Formationen wiederzubeleben.

Auf Rekordkurs: Brooks Macek (links, gegen Straubings Colton Jobke) erzielte am Sonntag seine Treffer Nummer 22 und 23. Mehr Tore hat der Nationalspieler zu diesem Zeitpunkt einer Saison noch nie geschossen. (Foto: Markus Fischer/Gepa/imago)

Gelegenheit dazu gibt es bis zur Olympia-Pause noch reichlich. Bereits an diesem Dienstag (19.30 Uhr) bestreitet der EHC bei den Augsburger Panthern sein erstes von noch fünf Spielen bis zum 1. Februar. Die mit dem besten Überzahlspiel der Liga gesegneten Schwaben schenkten den Krefeld Pinguinen am Sonntag auch ohne die verletzten Leistungsträger Trevor Parkes und Michael Davies sieben Treffer ein. Der Dreier war im Kampf um die Playoff-Plätze bitter nötig, als Tabellen-Zwölfter haben die Panther vier Punkte Rückstand auf Rang zehn.

"Es geht jetzt um die Wurst", betonte AEV-Trainer Mike Stewart nach dem höchsten Saisonsieg seiner Mannschaft. Ausgerechnet jetzt muss er in Michael Davies (Saisonende nach Knieverletzung) und Trevor Parkes (fällt wegen einer Handverletzung bis nach der Olympiapause aus) auf zwei Stammspieler verzichten. Auch der Einsatz von Jaroslav Hafenrichter und Drew LeBlanc ist fraglich. "Wir werden uns den Transfermarkt ein bisschen genauer anschauen", sagte Stewart.

Solche Klagen sind den Münchnern ebenfalls fremd. Bis auf den Dänen Markus Lauridsen, der das Spiel gegen Düsseldorf auf Krücken verfolgte, kann Don Jackson seinen kompletten Luxuskader aufs Eis schicken. Eine Zahl vielleicht noch: Neun der letzten zehn Duelle gegen Augsburg gewannen die Münchner.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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