EHC Red Bull München:Flucht ins Paradies

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Neues Team, neues Trikot: Yasin Ehliz, hier bei der WM in Dänemark im Einsatz, spielt am Donnerstag in Schwenningen erstmals für München. (Foto: Tomi Hänninen/imago)

"Keiner hat mit mir auch nur ein Wort geredet": Nach dem gescheiterten NHL-Abenteuer gibt Nationalspieler Yasin Ehliz sein Debüt für den deutschen Meister.

Von Christian Bernhard, München

Der EHC Red Bull München hat in den vergangenen Tagen viele Inhalte mit Nordamerika-Bezug veröffentlicht. Eine Delegation des deutschen Eishockeymeisters besuchte Dominik Kahun und Brooks Macek, die München im Sommer verlassen haben, um ihren NHL-Traum zu verwirklichen. Kahun ist das bereits gelungen, er spielt bei den Chicago Blackhawks seit Saisonbeginn in einer der ersten Reihen. Große Namen wie Patrick Kane, die er bis vor wenigen Monaten nur von der Spielkonsole kannte, sind mittlerweile seine Kabinennachbarn. Macek ist noch nicht in der NHL, aber auf dem besten Weg dorthin. Nachdem der Angreifer vor dem Saisonstart von den Las Vegas Golden Knights in die AHL geschickt worden war, spielt er bei den Chicago Wolves ganz groß auf: In 14 Spielen verbuchte er beeindruckende 14 Tore und sieben Vorlagen. Macek hofft, dass Las Vegas dank dieser Statistiken "noch einmal einen genaueren Blick" auf ihn wirft. München ist für Kahun und Macek Vergangenheit. Für Yasin Ehliz ist München Gegenwart und Zukunft.

Am Montag stand der Nationalspieler erstmals mit einem Großteil seiner neuen Mannschaftskollegen auf dem Eis, am Donnerstag feiert er im Auswärtsspiel bei den Schwenninger Wild Wings sein Debüt im EHC-Trikot. Dieses trägt er nun, da aus seinem NHL-Traum ein Albtraum wurde. "Kommunikation findet einfach nicht statt. Menschliche Wärme gibt es nicht. Man ist einfach nur eine beliebige, austauschbare Nummer" erzählte er diese Woche der Welt - und kritisierte seinen Ex-Klub, die Calgary Flames, scharf: "Von den Flames hat mir keiner gesagt, was sie von mir wollen, oder was ich nicht gut gemacht habe. Keiner hat mit mir auch nur ein Wort geredet. Ich frage mich auch, warum sie mich unter Vertrag genommen haben." Das Profigeschäft in Nordamerika sei "verdammt hart: Es gibt nur Sein oder Nichtsein", hat Ehliz gelernt. Er sei heilfroh, wieder in der Heimat spielen zu können. In Deutschland kümmere man sich um die neuen Spieler, sagte Ehliz und verwendete in diesem Zusammenhang den Begriff "paradiesisch".

Die Aufregung um seine Entscheidung, nach München zu wechseln und nicht zurück nach Nürnberg zu gehen, wo er vor seiner Nordamerika-Zeit knapp acht Jahre lang gespielt hatte, sorgte dafür, dass seine ersten Tage in Deutschland nicht unbedingt paradiesisch waren. "War viel los die letzten Tage", sagt er dazu knapp. Umso mehr genießt er es, wieder auf dem Eis zu stehen. Am Mittwoch stiegen nach zwei Tagen Pause auch die Münchner Nationalspieler, die anders als Ehliz am Deutschland Cup teilgenommen hatten, wieder ins Mannschaftstraining ein. Trainer Don Jackson steckte Ehliz so wie John Mitchell, mit dem er vergangene Saison noch in Nürnberg zusammengespielt hat, und NHL-Veteran Matt Stajan in eine Reihe mit dunkelblauen Trikots.

Der Traum von Nordamerika sei noch lebendig. Der Nationalspieler hofft auf eine zweite Chance

Für den 25-Jährigen geht es erst einmal darum, Jacksons alles andere als konventionelle Spielsystem zu verinnerlichen. "Das habe ich so eigentlich noch nie gespielt", sagte Ehliz, deshalb sei sein erstes Ziel, "das System gut umzusetzen". Einige potenzielle Unterstützer können ihm dabei noch nicht helfen. Die bereits vor der Pause verletzt fehlenden Stürmer Michael Wolf, Trevor Parkes, Mads Christensen, Jason Jaffray und Patrick Hager werden auch in Schwenningen nicht dabei sein. Trotzdem hat der Meister im Schwarzwald die Möglichkeit, sein achtes Ligaspiel in Serie zu gewinnen.

Von so einer Serie wagen die Wild Wings nicht einmal zu träumen. Der abgeschlagene Tabellenletzte hat nur zwei seiner 17 Saisonspiele in der Deutschen Eishockey Liga gewonnen und tritt gegen den Meister mit einem neuen Trainer an: Der Brite Paul Thompson steht gegen die Münchner erstmals an der Bande.

Yasin Ehliz wird es egal sein, gegen wen es geht, er will nur eins: endlich wieder spielen. Eines stellte er aber schon vor seinem ersten Auftritt im Münchner Trikot klar: Sein Traum von der NHL ist trotz der Enttäuschung in Calgary noch nicht ausgeträumt. Er glaube fest daran, "dass ich noch einmal ein Angebot bekommen werde und dann auch die Chance erhalte, auf dem Eis zeigen zu dürfen, was ich wirklich kann". Fürs Erste kann er es in München zeigen.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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