EHC München:Lebensversicherung

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Eishockey-Meister München verstärkt seine Verteidigung mit dem ehemaligen NHL-Profi Keith Aulie. Zu Hause ist der Kanadier ein Held: Mit 17 Jahren rettete er seinen im Eis eingebrochenen Vater.

Von Christian Bernhard, München

Die Spieler und Trainer des EHC Red Bull München haben am Freitagvormittag in Hannover entspannt das Flugzeug bestiegen, das sie nach München zurückbringen sollte. Im Gepäck hatten sie nicht nur den ersten Saisonsieg gegen Wolfsburg (4:2), sondern auch die Erkenntnis, dass sie wieder sehr solide unterwegs sind. Fünf Siege nacheinander in der Deutschen Eishockey Liga (nach zuvor drei Niederlagen) belegen das: So eine Serie hatte der EHC in dieser Saison noch nicht.

Dieses stabile Paket hat nun noch ein zusätzliches Upgrade erfahren. Trainer Don Jackson stellte der Mannschaft ihr neuestes Mitglied vor, das am Morgen bereits auf Münchner Eis gestanden war: Keith Aulie. Der 28-jährige Verteidiger sah in einige bekannte Gesichter: Mit dem derzeit verletzten Steve Pinizzotto sowie Jason Jaffray und Daryl Boyle, die beide in Wolfsburg getroffen hatten, spielte er bereits in der AHL zusammen. Der Kanadier kann 168 NHL-Spiele für die Toronto Maple Leafs, Tampa Bay Lightning und Edmonton Oilers vorweisen, zuletzt war er für die Chicago Wolves in der American Hockey League aktiv, für die er in der laufenden Saison elf Spiele bestritt. Auch in Europa hat er schon erste Erfahrungen gesammelt: In der Saison 2015/16 spielte Aulie für IFK Helsinki in der finnischen Liiga.

168 Mal kam Keith Aulie in der NHL zum Einsatz, für Toronto, Tampa Bay und Edmonton. Bei den Oilers stand der Verteidiger (1,98 Meter, 102 Kilo) mit Leon Draisaitl auf dem Eis, in der AHL mit den Münchnern Steve Pinizzotto, Jason Jaffray und Daryl Boyle. (Foto: imago)

Jackson hatte in den vergangenen Wochen mehrmals seine Unzufriedenheit mit der Arbeit seiner Spieler vor dem eigenen Tor zum Ausdruck gebracht. Aulie sollte mit seiner Größe von 1,98 Metern und seinen 103 Kilogramm Gewicht helfen, dieses Problem zu beheben. "Ich spiele in der Defensive gerne sehr physisch", sagte der Kanadier. Aulie wird der läuferisch starken, aber manchmal etwas zu zimperlich agierenden Münchner Defensive eine gehörige Portion Physis hinzufügen. Er könnte die Rolle einnehmen, die Matt Smaby in den vergangenen Jahren innehatte, und mithelfen, den Münchner Torhütern Danny aus den Birken und David Leggio das Leben leichter zu machen.

Wenn es sein muss, langt er hin. Die Fans in Toronto nannten ihn "Muhammad Aulie"

Knapp zwei Meter Größe und gut zwei Zentner Gewicht schaden keinem Abwehrspieler. Aulie aber ist besonders froh darüber, da er seine Physis bereits für ungleich Wichtigeres eingesetzt hat, als Gegner aus dem Weg zu räumen. Vor knapp zwölf Jahren, zwei Tage vor Heiligabend, war sein Vater Bill auf der heimischen Farm in Saskatchewan mit dem Traktor auf einen kleinen zugefrorenen Weiher gefahren, um ihn für ein kleines Freiluft-Eishockey-Spiel vom Schnee zu befreien. Plötzlich brach das Eis, und Aulies Vater versank samt Traktor im eiskalten Wasser. Er konnte sich zwar unter Wasser aus der Traktor-Kabine befreien, war aber unter der Eisoberfläche gefangen.

Der 17-jährige Keith verfolgte die dramatische Szene vom Ufer aus und schaffte es irgendwie, seinen ebenfalls hünenhaften Vater, dessen Kleidung sich bereits mit Wasser vollgesogen hatte, aus dem Loch zu ziehen, das der Traktor hinterlassen hatte. "Wenn das Adrenalin durch deinen Körper schießt, schaffst du das", erzählte er einst. Dann packte er den Vater auf seine Schulter und schleppte ihn ins Haus der Familie zurück, wo sich seine Mutter schon gewundert hatte, warum die zwei noch nicht zum Essen erschienen waren. "Ich dachte: Jetzt ist es vorbei", sagte Vater Bill. "Ich war so froh, dass Keith ein großer und starker Junge ist." In der Familie wird nicht oft darüber gesprochen, "aber es ist etwas, das uns für immer verbinden wird", sagt Keith.

Puck und Gegner unter Kontrolle: Verteidiger Daryl Boyle (vorn, gegen Nationalstürmer Gerrit Fauser) traf beim 4:2 in Wolfsburg zum 3:1. (Foto: Michael Täger/imago)

Aulie erhält beim EHC die siebte von elf zur Verfügung stehenden Ausländerlizenzen und erhöht den Konkurrenzkampf in der Defensive: Zuletzt waren alle sieben Stammverteidiger fit und zum Einsatz gekommen. Ob er bereits am Sonntag im Derby gegen die Straubing Tigers (14 Uhr, Olympia-Eishalle) zum Einsatz kommen wird, ist offen. "Keith bringt viel Erfahrung aus der NHL und AHL mit. Er ist ein großer und beweglicher Verteidiger, der unser Team im Kampf um die Meisterschaft perfekt ergänzen wird", sagt Don Jackson über seine Neuerwerbung.

Tore sollten die EHC-Fans von Keith Aulie eher nicht erwarten. In den vergangenen vier Jahren kam er in mehr als 150 Spielen auf gerade einmal vier Treffer. Dafür lässt er gerne mal die Fäuste sprechen. In seiner Zeit in Toronto ging er Faustkämpfen nicht aus dem Weg. Von den Fans der Maple Leafs erhielt er dafür den Spitznamen "Muhammad Aulie".

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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