EC Bad Tölz:Briefe aus der Vergangenheit

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Drei Geschäftsführer im Tölzer Eishockey erhalten Strafbefehle - sie sollen Sozialbeiträge falsch abgeführt haben.

Matthias Köpf und Wolfgang Wittl

Die Saison war jung, aber so viel konnte Pat Cortina schon erkennen. Es war der vierte Spieltag in der zweiten Eishockey-Bundesliga, auf den Tag genau vor zwei Jahren, und der Trainer des EHC München hatte mit seiner Mannschaft gerade 1:2 gegen den Aufsteiger Tölzer Löwen verloren, als er zu einer ungewöhnlichen Eloge anhob. "A beautiful team", habe sein Tölzer Kollege Axel Kammerer da zusammengestellt: Diszipliniert, zweikampfstark, kompakt - Vorzüge, die Cortina ungemein schätzt. In der Tat lief in diesen Wochen und Monaten die wohl beste Mannschaft auf, die der EC Bad Tölz seit seinen beiden deutschen Meisterschaften in den sechziger Jahren zu bieten hatte.

Vor zwei Jahren waren die Tölzer Löwen Erster der zweiten Bundesliga, seit der Insolvenz spielen sie mit überwiegend eigenen Talenten wieder in der Oberliga. (Foto: Manfred Neubauer)

Allerdings sollte sie das Saisonende nicht mehr erleben: Mit weit mehr als einer Million Euro Schulden schlitterte die Tölzer Eissportgesellschaft (TEG) im Frühjahr 2009 in ihre zweite Insolvenz binnen sechs Jahren, heute spielt der Verein nahezu ausschließlich mit eigenen Talenten in der Oberliga. Zur Ehrenrettung sei gesagt: Ein Gutachter bescheinigte dem Tabellenführer damals den drittniedrigsten Spieleretat in der zweiten Liga, auch wenn er offensichtlich viel zu hoch war.

Eineinhalb Jahre nach ihrer Insolvenz werden die Tölzer Löwen nun von Vorwürfen eingeholt, die sich auf finanzielle Unregelmäßigkeiten noch früherer Jahre beziehen. Die Staatsanwaltschaft München II hat nach eigenen Angaben Strafbefehle gegen drei frühere Geschäftsführer der TEG verschickt, weil sie für zahlreiche Spieler nicht genügend Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben sollen. Alle drei weisen die Vorwürfe zurück und haben Einspruch gegen die ihnen auferlegten Geldstrafen eingelegt, so dass es nun jeweils zu einem Strafprozess vor dem Amtsgericht Wolfratshausen kommen wird. Einer der drei Beschuldigten führt seit diesem Frühjahr aufs Neue die Geschäfte der TEG.

Nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich, der innerhalb der Staatsanwaltschaft München II die Abteilung für Wirtschaftssachen leitet, haben sich die zwischen dem Mai 2005 und dem April 2008 amtierenden TEG-Geschäftsführer derselben Straftat schuldig gemacht, die Juristen "Vorenthalten und Veruntreuen von Sozialversicherungsbeiträgen" nennen. Die Münchner Strafverfolger machen die drei Geschäftsführer dafür verantwortlich, dass die TEG den Kranken- und Rentenversicherungen ihrer Spieler zu wenig Beiträge überwiesen habe, was vor allem im Fall der Rentenversicherung auch zu Lasten der Spieler selbst gehe.

Im Kern beziehen sich alle Vorwürfe auf die Nacht- und Sonntagsarbeit, wie sie bei Eishockeyspielern üblich ist. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hat die TEG den Anteil der beitragsfreien Nacht- und Sonntagsarbeit an der gesamten Arbeitszeit und damit an den gesamten Einkünften ihrer Spieler über Jahre hinweg zu hoch angesetzt, um weniger Sozialbeiträge leisten zu müssen. "Hier wurde getrickst, und zwar über Jahre immer nach dem selben Muster", sagt Oberstaatsanwalt Heidenreich.

Sozialbeiträge in Höhe von 80.000 Euro

Die mutmaßlich vorenthaltenen Sozialbeiträge summieren sich laut Heidenreich für die Zweitliga-Saison 2005/06 auf etwa 30.000 Euro, für die Oberliga-Saison 2006/07 setzten die Ermittler grob geschätzte 15.000 Euro an und für die Saison 2007/08, in der die Tölzer Löwen den Wiederaufstieg in die 2. Liga geschafft hatten, noch einmal rund 35.000 Euro - insgesamt also 80.000 Euro. Die Insolvenz bleibt nach Prüfung durch die Staatsanwaltschaft ohne strafrechtliche Folgen für die Beteiligten.

Die kritisierte Abrechnungspraxis hatte erst ein Ende, als im Frühsommer 2008 Ermittler des Rosenheimer Zolls die TEG-Geschäftsstelle im Tölzer Eisstadion durchsucht und zahlreiche Akten beschlagnahmt hatten. Der damalige Geschäftsführer Horst F., der zu den drei Beschuldigten zählt, war während eines Sponsorentermins von der Nachricht überrascht worden, dass gerade sein Büro durchsucht werde. F. möchte sich zu den Vorwürfen wegen des schwebenden Verfahrens nicht im Detail äußern, weist sie aber als unzutreffend zurück.

Er sei sich keiner Schuld bewusst und habe wie seine beiden nun ebenfalls beschuldigten Vorgänger Manfred G. und Alexander M. lediglich Spielerverträge abgeschlossen, wie sie in der Branche absolut üblich seien, sagt F. Sollte das Amtsgericht in der noch nicht terminierten Verhandlung den Argumenten der Staatsanwälte folgen, werde er den Instanzenweg notfalls bis zum Ende beschreiten. Sollte das Vorgehen der drei Geschäftsführer im Eishockey wirklich gängige Praxis sein, dürfte die Branche durchaus mit einiger Spannung auf die Entscheidung des Wolfratshauser Amtsgerichts blicken.

Alexander M., in dessen Amtszeit die geringste Schadenssumme fällt, will sich zu den Vorwürfen ebenfalls nicht genauer äußern. Er sei absolut unschuldig und werde ohne Probleme aufzeigen können, dass die Strafverfolger lediglich die damalige Gesamtsituation nicht recht überblicken, sagt M., der nach eigenen Angaben außerdem hofft, die Vorwürfe vielleicht sogar vor einem Prozess ausräumen und diesen so überflüssig machen zu können. Manfred G., der im Mai dieses Jahres abermals die Geschäftsführung der TEG übernommen hat, war am Montag nicht zu erreichen.

© SZ vom 21.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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