Crosslauf-DM:Fünf Ringe, ein Nomade und viel Liebe

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Mit 140 Helfern stemmt die SG Indersdorf erstmals eine deutsche Meisterschaft im Crosslauf. Mit dabei: ein Wüstenläufer und eine Siegerin mit Olympia-Erfahrung.

Von Johannes Holbein, Markt Indersdorf

"Barfuß, den Ziegen und Schafen hinterher", sagt Mohamad Ahansal, so sei er zum Laufen gekommen. Damals habe er keine Ahnung gehabt, dass er einmal einer der erfolgreichsten Ultraläufer werden würde. Ahansal ist vermutlich 1973 in der Wüste Marokkos geboren, sein genaues Geburtsdatum kennt er nicht. Er entstammt einer Nomadenfamilie, in seiner Kindheit hatte er keine andere Wahl: Er musste laufen. Später hat er dann fünf Mal den Marathon des Sables gewonnen. Sechs Etappen, sieben Tage, 230 Kilometer durch die marokkanische Sahara.

An solche Bedingungen erinnert in Markt Indersdorf nichts. Am ehesten noch der strahlende Sonnenschein, doch die deutsche Meisterschaft im Crosslauf ist natürlich nicht vergleichbar mit den Läufen, an denen Ahansal sonst teilnimmt. Als Gast läuft er am Samstag mit, außerhalb der Wertung; wer ihn nicht kennt, dem fällt der Marokkaner in grauer Hose und grauem Shirt vermutlich nicht mal auf. Sein Kontakt zur SG Indersdorf und deren erstem Vorsitzenden Michael Rauch entstand bei Trekking-Touren durch die Wüste, die Ahansal als Guide leitet. Rauch lud ihn bei einer Tour im vergangenen Jahr ein, bei der deutschen Meisterschaft mitzulaufen, und tatsächlich sagte Ahansal zu. Doch Cross ist nicht sein Metier: unbekanntes Terrain, ungewohntes Schuhwerk. "Ich bin kein Läufer mit Spike-Schuhen", sagt der Marokkaner, "aber auf diesen matschigen Wegen ist es nicht anders möglich".

"Hier arbeiten alle mit Liebe", sagt ein Wettkampfrichter

Dass der Ultraläufer in Markt Indersdorf die Spikes schnürt, verdeutlicht recht gut, was die 10 000-Einwohner-Gemeinde nahe Dachau auf die Beine gestellt hat. In Läuferkreisen ist der Ort keineswegs unbekannt, in den vergangenen beiden Jahren fanden hier die bayerischen Meisterschaften im Crosslauf statt. Doch eine deutsche Meisterschaft mit gut tausend Athleten ist neu. Michael Rauch hat sie geplant, "von langer Hand", wie er sagt. Kompetenzteams habe er gebildet, um die Unterbringung zu organisieren, das Catering zu planen, die Strecke zu präparieren. Rauch entwarf das Konzept und suchte Sponsoren: "25 000 Euro haben wir benötigt."

140 Helfer trommelte er zusammen, alle aus seiner SG Indersdorf. Sie schmieren am Veranstaltungstag Semmeln, rechen Kieselsteine zusammen, koordinieren die Anmeldungen, alles, damit die Meisterschaft reibungslos abläuft. Rauch war selbst ein begeisterter Läufer, er wolle die Region für diesen Sport begeistern: "Vielleicht schaffen wir es, dass sich die Menschen mit Crosslauf und der SG Indersdorf identifizieren", sagt er. Zumindest den Wettkampfrichter des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, Michael Renkwitz, hat sein Team offenbar überzeugt, er sagt: "Hier arbeiten alle mit Liebe, Markt Indersdorf gibt eine gute Visitenkarte für neue Bewerbungen ab."

In Markt Indersdorf (Frauen-Siegerin Corinna Harrer) sind die Crossläufer eher auf Matsch unterwegs gewesen. (Foto: Toni Heigl)

Von den Vorbereitungen bekommt Corinna Harrer, 24, wenig mit. Sie tippelt fokussiert an der Startlinie, gelbe Schuhe, weiße Sonnenbrille. Auf der rechten Wade hat sie die Olympiaringe eintätowiert. Ein Andenken an die Olympischen Spiele 2012, an denen sie teilnahm. In Markt Indersdorf will sie ihren 22. deutschen Meistertitel gewinnen - den ersten im Crosslauf der Frauen. Davon, dass sie Laufen immer gehasst habe, ist wenig zu sehen. Als Kind, erzählt sie nach dem Rennen, sei ihre Zwillingsschwester Karina besonders gut gelaufen. "Ich wollte nie laufen."

Harrer wird zum ersten Mal deutsche Meisterin im Crosslauf

Erst als sie im Sportunterricht in der fünften Klasse von ihrem Lehrer auf ihr Talent angesprochen wurde, versuchte sie sich in der Kindergruppe der LG Regensburg. Zunächst im Sprint, in der Annahme, dafür nicht so viel trainieren zu müssen. Später habe sie dann Mittel- und Langstrecke ausprobiert. Mit Erfolg - auch in Markt Indersdorf. Nach sechs Kilometern und 23 Minuten bejubelt sie ihren ersten deutschen Titel im Crosslauf der Frauen. "Die Strecke ist hart, bergab habe ich viele Meter Vorsprung verloren", sagt die Regensburgerin. Dann zieht sie ihre Spikes aus, nimmt Glückwünsche entgegen und spricht über die Zukunft. "Jetzt stehen die 10 000 Meter bei den bayerischen Meisterschaften in zwei Wochen auf dem Programm", sagt Harrer.

6,8 Kilometer durch Oberbayern als Vorbereitung: Mohamad Ahansal will ein sechstes Mal den Marathon des Sables in seiner Heimat Marokko gewinnen. (Foto: Toni Heigl)

Ahansal beschränkt sich auf einen Seniorenlauf der Klasse M35. 6,8 Kilometer, viel zu kurz für ihn, doch Indersdorf ist ja auch nur Teil der Vorbereitung für sein großes Ziel: "Einmal noch möchte ich den Wüstenlauf gewinnen." Dass er trotz Knieschmerzen mitgehalten hat, stimmt ihn zufrieden. Im April startet er wieder beim Marathon des Sables. Und dann reizt ihn noch ein anderer Lauf, der so gar nichts mit Wüste zu tun hat: der Nordpol-Marathon. Wie man dafür trainiert? "Weiß ich noch nicht", sagt Ahansal lachend. Barfuß hinter Schneeziegen ist für den Nordpol wohl auszuschließen.

© SZ vom 10.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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